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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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zu vergleichen und den Werth derselben zu bemessen, wollen wir dahingestellt
sein lassen. Abgeschlossenes aber und im Werden Begriffenes hält den
Vergleich selten aus, und so lange über unseren Sommer so wenig Licht ver¬
breitet ist, daß wir noch in vielen Beziehungen im Finstern wandern, glauben
wir nicht die Berechtigung zu diesem Vergleiche zu haben.

Dies Leben aber hat seine herrlichen Früchte getragen. Es ist freilich
spät, daß wir desselben, so weit die Kenntniß des jüngeren Freundes reicht,
in diesen Blättern gedenken. Aber, wo der Antheil sich nicht verliert, ver¬
liert sich auch nicht das Gedächtniß.




Aus dem Keichslande.
(Carneval. -- Commercielles. -- I a g d v ergn ügen.)

Dem Carnevalsrausch ist auch hier, wie allenthalben, leider der Ascher¬
mittwochs-Katzenjammer gefolgt. Da zählt nun Mancher bekümmert die
Häupter seiner Lieben., und sieh' ihm fehlt manch' theures -- Goldfüchschen.
Jetzt kommt er denn an ein Versetzen und Kntifiren der ausgestandenen Lei¬
den und Freuden; und da bleibt es nicht aus, daß er in seiner trüben Stim¬
mung Vieles, was ihm am Nosenmontag so rosig und heiter erschien, jetzt
von einer ganz andern, weniger humoristischen Seite betrachtet.

So muß es auch wohl jenem ehrsamen Straßburger Bürger ergangen
sein, der da in seinem Leib-Journal, dem "Journal Alsacien", am Ascher¬
mittwoch Alles recht grau zu malen verstand und meinte: der Straßburger
Carneval sei doch in diesem Jahre gar nichts gewesen; Frohsinn und Heiter¬
keit für immer dahin, die Straßburger seit der Anneetion "sehr ernst" ge¬
worden; und was dergleichen Lamentationen und Jeremtaden mehr sind.
Das ist natürlich nichts Anderes, als der trübe Reflex einer übertriebenen
katzenjämmerlichen Stimmung.

Der diesjährige Carneval in Straßburg war im Gegentheil ein recht
heiteres Fest, an welchem Jung und Alt, Heimische und Eingewanderte sich
nach Kräften und Herzenslust betheiligten, und zwar zahlreicher, als in irgend
einem der Vorjahre seit dem welthistorischen Wendepunkte. Auch der Festzug
durch die Straßen, mit seinem "Usere Mann" und dem Riesen-Cylinder,
"ganz Deutschland unter einem Hut" nebst der charakteristischen Inschrift:
"InMmont n, louor" -- war nicht übel. 20 Wagen und über 200 Masken


zu vergleichen und den Werth derselben zu bemessen, wollen wir dahingestellt
sein lassen. Abgeschlossenes aber und im Werden Begriffenes hält den
Vergleich selten aus, und so lange über unseren Sommer so wenig Licht ver¬
breitet ist, daß wir noch in vielen Beziehungen im Finstern wandern, glauben
wir nicht die Berechtigung zu diesem Vergleiche zu haben.

Dies Leben aber hat seine herrlichen Früchte getragen. Es ist freilich
spät, daß wir desselben, so weit die Kenntniß des jüngeren Freundes reicht,
in diesen Blättern gedenken. Aber, wo der Antheil sich nicht verliert, ver¬
liert sich auch nicht das Gedächtniß.




Aus dem Keichslande.
(Carneval. — Commercielles. — I a g d v ergn ügen.)

Dem Carnevalsrausch ist auch hier, wie allenthalben, leider der Ascher¬
mittwochs-Katzenjammer gefolgt. Da zählt nun Mancher bekümmert die
Häupter seiner Lieben., und sieh' ihm fehlt manch' theures — Goldfüchschen.
Jetzt kommt er denn an ein Versetzen und Kntifiren der ausgestandenen Lei¬
den und Freuden; und da bleibt es nicht aus, daß er in seiner trüben Stim¬
mung Vieles, was ihm am Nosenmontag so rosig und heiter erschien, jetzt
von einer ganz andern, weniger humoristischen Seite betrachtet.

So muß es auch wohl jenem ehrsamen Straßburger Bürger ergangen
sein, der da in seinem Leib-Journal, dem „Journal Alsacien", am Ascher¬
mittwoch Alles recht grau zu malen verstand und meinte: der Straßburger
Carneval sei doch in diesem Jahre gar nichts gewesen; Frohsinn und Heiter¬
keit für immer dahin, die Straßburger seit der Anneetion „sehr ernst" ge¬
worden; und was dergleichen Lamentationen und Jeremtaden mehr sind.
Das ist natürlich nichts Anderes, als der trübe Reflex einer übertriebenen
katzenjämmerlichen Stimmung.

Der diesjährige Carneval in Straßburg war im Gegentheil ein recht
heiteres Fest, an welchem Jung und Alt, Heimische und Eingewanderte sich
nach Kräften und Herzenslust betheiligten, und zwar zahlreicher, als in irgend
einem der Vorjahre seit dem welthistorischen Wendepunkte. Auch der Festzug
durch die Straßen, mit seinem „Usere Mann" und dem Riesen-Cylinder,
„ganz Deutschland unter einem Hut" nebst der charakteristischen Inschrift:
„InMmont n, louor" — war nicht übel. 20 Wagen und über 200 Masken


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[0352] zu vergleichen und den Werth derselben zu bemessen, wollen wir dahingestellt sein lassen. Abgeschlossenes aber und im Werden Begriffenes hält den Vergleich selten aus, und so lange über unseren Sommer so wenig Licht ver¬ breitet ist, daß wir noch in vielen Beziehungen im Finstern wandern, glauben wir nicht die Berechtigung zu diesem Vergleiche zu haben. Dies Leben aber hat seine herrlichen Früchte getragen. Es ist freilich spät, daß wir desselben, so weit die Kenntniß des jüngeren Freundes reicht, in diesen Blättern gedenken. Aber, wo der Antheil sich nicht verliert, ver¬ liert sich auch nicht das Gedächtniß. Aus dem Keichslande. (Carneval. — Commercielles. — I a g d v ergn ügen.) Dem Carnevalsrausch ist auch hier, wie allenthalben, leider der Ascher¬ mittwochs-Katzenjammer gefolgt. Da zählt nun Mancher bekümmert die Häupter seiner Lieben., und sieh' ihm fehlt manch' theures — Goldfüchschen. Jetzt kommt er denn an ein Versetzen und Kntifiren der ausgestandenen Lei¬ den und Freuden; und da bleibt es nicht aus, daß er in seiner trüben Stim¬ mung Vieles, was ihm am Nosenmontag so rosig und heiter erschien, jetzt von einer ganz andern, weniger humoristischen Seite betrachtet. So muß es auch wohl jenem ehrsamen Straßburger Bürger ergangen sein, der da in seinem Leib-Journal, dem „Journal Alsacien", am Ascher¬ mittwoch Alles recht grau zu malen verstand und meinte: der Straßburger Carneval sei doch in diesem Jahre gar nichts gewesen; Frohsinn und Heiter¬ keit für immer dahin, die Straßburger seit der Anneetion „sehr ernst" ge¬ worden; und was dergleichen Lamentationen und Jeremtaden mehr sind. Das ist natürlich nichts Anderes, als der trübe Reflex einer übertriebenen katzenjämmerlichen Stimmung. Der diesjährige Carneval in Straßburg war im Gegentheil ein recht heiteres Fest, an welchem Jung und Alt, Heimische und Eingewanderte sich nach Kräften und Herzenslust betheiligten, und zwar zahlreicher, als in irgend einem der Vorjahre seit dem welthistorischen Wendepunkte. Auch der Festzug durch die Straßen, mit seinem „Usere Mann" und dem Riesen-Cylinder, „ganz Deutschland unter einem Hut" nebst der charakteristischen Inschrift: „InMmont n, louor" — war nicht übel. 20 Wagen und über 200 Masken

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/352>, abgerufen am 06.05.2024.