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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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behörden ausgedehnt und wiederhergestellt werden. Diese Maßregel wird dem
künftigen Geschlecht der Laien und Priester nicht den geringsten Zweifel
darüber mehr gestatten, daß in allen bürgerlichen und öffentlichen Dingen
allein der Staat Gesetze giebt, und alle derartigen Anordnungen der
Kirche nur mit Genehmigung des Staates Eingang finden über die Grenzen
des Staatsgebietes, Geltung für die Staatsbürgers Diese Maßregel ist un¬
zweifelhaft so weise wie nothwendig. Aber das Urtheil, welches der Staat
selbst durch seine Nachsicht und Unterwürfigkeit fast ein Menschenalter hin¬
durch bis zum Abgange Muster's hat heranwachsen lassen, wird durch die
Ausdehnung des landesherrlichen Planet bei den erwachsenen Ultramontanen
nur langsam auszurotten sein.

Als das radicalste und am schnellsten wirkende Mittel der Abwehr gegen
jede päpstliche Ueberhebung halten wir nach wie vor die entschlossene Nicht¬
anerkennung jedes künftigen Papstes von Seiten des deutschen Reiches, der
abweichend von den festen Regeln des Herkommens gewählt ist. Zu dieser
Maßregel ist die allerzweifelloseste Entschlossenheit in den leitenden Kreisen
des Deutschen Reiches vorhanden. Die Ultramontanen selbst wissen das; ihre
Häupter sind aber gleichwohl entschlossen, den nächsten Papst nach willkür¬
lichen Satzungen des Papstes Pius IX. zu wählen. Die Anerkennung oder
Nichtanerkennung des Papstes durch das deutsche Reich, sagen sie, sei ganz
irrelevant für päpstliche Hoheit und päpstliche Macht. Nun, wir werden ver¬
muthlich in nicht sehr langer Zeit erleben, in welchem Maße die Nichtaner¬
kennung für den neuen sog. Papst und die Papstkirche fühlbar und practisch
werden wird. Selbst vertragsmäßige Verpflichtungen, welche der einzelne
deutsche Staat zu Dotationen der katholischen Kirche zu leisten hat, eessiren
einem als Usurpator, von Reichswegen erachteten Papst und der ihm (dem
Subjekte, das kein Papst ist) gleichwohl gehorchenden Religionsgemein¬
schaft gegenüber sofort; freiwillige oder regelmäßige Beiträge des Staates an
diese Religionsgemeinschaft können rechtlich gar nicht in Frage kommen und
entstehen. Die zu dotirende Kirche ist die katholische Gemeinschaft unter dem
rechtmäßigen Papst. Das Reich, welches die Rechtmäßigkeit bestreitet, zahlt
keinen Heller und kann nicht dulden, daß ein Einzelstaat einen Heller zahle-
Ob das practisch ist? Hui vivra verm.





In dem Artikel des vorigen Heftes von C. A. H. Burkhardt "Ein thüringischer Bolks-
dichrer" muß es Anton Sommer, statt August Sommer heißen.




Verantwortlicher Redakteur: Dr. Hans Vlllin in Leipzig.
Verlag von F. L. Hcrbig in Leipzig. -- Druck von Hüthel 6c Hcrrmam" in Leipzig.

behörden ausgedehnt und wiederhergestellt werden. Diese Maßregel wird dem
künftigen Geschlecht der Laien und Priester nicht den geringsten Zweifel
darüber mehr gestatten, daß in allen bürgerlichen und öffentlichen Dingen
allein der Staat Gesetze giebt, und alle derartigen Anordnungen der
Kirche nur mit Genehmigung des Staates Eingang finden über die Grenzen
des Staatsgebietes, Geltung für die Staatsbürgers Diese Maßregel ist un¬
zweifelhaft so weise wie nothwendig. Aber das Urtheil, welches der Staat
selbst durch seine Nachsicht und Unterwürfigkeit fast ein Menschenalter hin¬
durch bis zum Abgange Muster's hat heranwachsen lassen, wird durch die
Ausdehnung des landesherrlichen Planet bei den erwachsenen Ultramontanen
nur langsam auszurotten sein.

Als das radicalste und am schnellsten wirkende Mittel der Abwehr gegen
jede päpstliche Ueberhebung halten wir nach wie vor die entschlossene Nicht¬
anerkennung jedes künftigen Papstes von Seiten des deutschen Reiches, der
abweichend von den festen Regeln des Herkommens gewählt ist. Zu dieser
Maßregel ist die allerzweifelloseste Entschlossenheit in den leitenden Kreisen
des Deutschen Reiches vorhanden. Die Ultramontanen selbst wissen das; ihre
Häupter sind aber gleichwohl entschlossen, den nächsten Papst nach willkür¬
lichen Satzungen des Papstes Pius IX. zu wählen. Die Anerkennung oder
Nichtanerkennung des Papstes durch das deutsche Reich, sagen sie, sei ganz
irrelevant für päpstliche Hoheit und päpstliche Macht. Nun, wir werden ver¬
muthlich in nicht sehr langer Zeit erleben, in welchem Maße die Nichtaner¬
kennung für den neuen sog. Papst und die Papstkirche fühlbar und practisch
werden wird. Selbst vertragsmäßige Verpflichtungen, welche der einzelne
deutsche Staat zu Dotationen der katholischen Kirche zu leisten hat, eessiren
einem als Usurpator, von Reichswegen erachteten Papst und der ihm (dem
Subjekte, das kein Papst ist) gleichwohl gehorchenden Religionsgemein¬
schaft gegenüber sofort; freiwillige oder regelmäßige Beiträge des Staates an
diese Religionsgemeinschaft können rechtlich gar nicht in Frage kommen und
entstehen. Die zu dotirende Kirche ist die katholische Gemeinschaft unter dem
rechtmäßigen Papst. Das Reich, welches die Rechtmäßigkeit bestreitet, zahlt
keinen Heller und kann nicht dulden, daß ein Einzelstaat einen Heller zahle-
Ob das practisch ist? Hui vivra verm.





In dem Artikel des vorigen Heftes von C. A. H. Burkhardt „Ein thüringischer Bolks-
dichrer" muß es Anton Sommer, statt August Sommer heißen.




Verantwortlicher Redakteur: Dr. Hans Vlllin in Leipzig.
Verlag von F. L. Hcrbig in Leipzig. — Druck von Hüthel 6c Hcrrmam» in Leipzig.
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[0408] behörden ausgedehnt und wiederhergestellt werden. Diese Maßregel wird dem künftigen Geschlecht der Laien und Priester nicht den geringsten Zweifel darüber mehr gestatten, daß in allen bürgerlichen und öffentlichen Dingen allein der Staat Gesetze giebt, und alle derartigen Anordnungen der Kirche nur mit Genehmigung des Staates Eingang finden über die Grenzen des Staatsgebietes, Geltung für die Staatsbürgers Diese Maßregel ist un¬ zweifelhaft so weise wie nothwendig. Aber das Urtheil, welches der Staat selbst durch seine Nachsicht und Unterwürfigkeit fast ein Menschenalter hin¬ durch bis zum Abgange Muster's hat heranwachsen lassen, wird durch die Ausdehnung des landesherrlichen Planet bei den erwachsenen Ultramontanen nur langsam auszurotten sein. Als das radicalste und am schnellsten wirkende Mittel der Abwehr gegen jede päpstliche Ueberhebung halten wir nach wie vor die entschlossene Nicht¬ anerkennung jedes künftigen Papstes von Seiten des deutschen Reiches, der abweichend von den festen Regeln des Herkommens gewählt ist. Zu dieser Maßregel ist die allerzweifelloseste Entschlossenheit in den leitenden Kreisen des Deutschen Reiches vorhanden. Die Ultramontanen selbst wissen das; ihre Häupter sind aber gleichwohl entschlossen, den nächsten Papst nach willkür¬ lichen Satzungen des Papstes Pius IX. zu wählen. Die Anerkennung oder Nichtanerkennung des Papstes durch das deutsche Reich, sagen sie, sei ganz irrelevant für päpstliche Hoheit und päpstliche Macht. Nun, wir werden ver¬ muthlich in nicht sehr langer Zeit erleben, in welchem Maße die Nichtaner¬ kennung für den neuen sog. Papst und die Papstkirche fühlbar und practisch werden wird. Selbst vertragsmäßige Verpflichtungen, welche der einzelne deutsche Staat zu Dotationen der katholischen Kirche zu leisten hat, eessiren einem als Usurpator, von Reichswegen erachteten Papst und der ihm (dem Subjekte, das kein Papst ist) gleichwohl gehorchenden Religionsgemein¬ schaft gegenüber sofort; freiwillige oder regelmäßige Beiträge des Staates an diese Religionsgemeinschaft können rechtlich gar nicht in Frage kommen und entstehen. Die zu dotirende Kirche ist die katholische Gemeinschaft unter dem rechtmäßigen Papst. Das Reich, welches die Rechtmäßigkeit bestreitet, zahlt keinen Heller und kann nicht dulden, daß ein Einzelstaat einen Heller zahle- Ob das practisch ist? Hui vivra verm. In dem Artikel des vorigen Heftes von C. A. H. Burkhardt „Ein thüringischer Bolks- dichrer" muß es Anton Sommer, statt August Sommer heißen. Verantwortlicher Redakteur: Dr. Hans Vlllin in Leipzig. Verlag von F. L. Hcrbig in Leipzig. — Druck von Hüthel 6c Hcrrmam» in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/408>, abgerufen am 06.05.2024.