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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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die Nützlichkeit der Verbindung der päpstlichen Kirche mit der Revolution.
Der Papst läutete vielmehr selbst direct die Sturmglocke des Aufruhrs. Wer
bisher noch nicht wußte, was eine Brandrede sei. wird die päpstliche Bulle
vom 3. Februar als allezeit gediegenes Paradigma dafür ansehen können.
Die Spitzen der katholischen Hierarchie, die ganze Gliederung der streitenden
Kirche ernennt der Papst zu Führern und Offizieren bei unmittelbarer
Auflehnung gegen den deutschen und preußischen Staat. Das gesammte ka¬
tholische Volk soll das Heer bilden, das mit Gewalt sich erhebt gegen die
staatliche Ordnung, gegen die von Kaiser und Reich. Krone und Volk feierlich
berathenen und verkündeten Gesetze. Die göttliche Scheu der Gewissen vor offenem
Landfriedensbruch bei edleren Katholiken, die Furcht vor dem Zuchthause beim
gemeinen Manne versucht der Papst durch die unfehlbare Behauptung zu ver¬
scheuchen, daß alle Kirchengesetze des Staates ohne des Papstes Zustimmung
null und nichtig seien. Seit den Tagen Heinrich's IV. ist solche Sprache,
solche Frechheit von Rom nicht mehr gehört worden.

Damals aber war die ganze Christenheit eines Glaubens. Die Vor¬
stellung von dem weltlichen und geistlichen Schwert, dem alle Welt Unter¬
than sei. beherrschte die Gemüther. Und dennoch glaubten damals die besten
Deutschen, solche Demüthigung wie der Kaiser vom Papst sie erfahren, sei
gleichbedeutend mit dem Untergang des Reiches und der Ehre deutscher Nation
für immer. Und heute wagt der Papst dieselbe Anmaßung gegen den Schirm¬
herrn protestantischen Geistes, gegen das deutsche Volk vier Jahrhunderte
nachdem Luther gelehrt hat. vier Jahre nach dem großen Sieg germanischer
Kraft über die romanische.

In jedem Deutschen, gleichviel welchem Glauben und welcher Partei er
angehört, muß sich diesem Frevel gegenüber die Frage regen: wie wird diesem
verbrecherischen Treiben ein Ziel gesetzt? Wie wird Sühne gefordert und ge¬
geben für die Verletzung unsrer Ehre, unsrer sittlichen Ordnung. Die Ab¬
kehr, meinen wir, ist eine dreifache. Was den Papst selbst anlangt, so
steht ihm der Strafausschließungsgrund vollendeter Unzurechnungsfähigkeit
und zweifelloser Geistesschwache zur Seite. Dieser Geisteszustand ist der ge¬
bildeten Welt bekannt, und er wird bewirken, daß die Fluchsprüche und Bann¬
bullen des kindischen Greises nur bei Buben und Lügnern Beifall und werk¬
thätige Nacheiferung finden werden. Mit diesen Buben und Lügnern wird
der deutsche Staat nach wie vor fertig werden auf dem Wege des geräusch¬
losen Strafprozesses, gleichviel ob sie die Bischofsmütze tragen oder den Kittel
des katholischen Casinogesellen.

Das zweite Mittel der Abwehr bereitet Preußen in diesem Augenblicke
vor. Das landesherrliche Planet soll hinsichtlich aller auf bürgerliche oder
staatsbürgerliche Verhältnisse bezüglichen Anordnungen der Kirche und Kirchen-


die Nützlichkeit der Verbindung der päpstlichen Kirche mit der Revolution.
Der Papst läutete vielmehr selbst direct die Sturmglocke des Aufruhrs. Wer
bisher noch nicht wußte, was eine Brandrede sei. wird die päpstliche Bulle
vom 3. Februar als allezeit gediegenes Paradigma dafür ansehen können.
Die Spitzen der katholischen Hierarchie, die ganze Gliederung der streitenden
Kirche ernennt der Papst zu Führern und Offizieren bei unmittelbarer
Auflehnung gegen den deutschen und preußischen Staat. Das gesammte ka¬
tholische Volk soll das Heer bilden, das mit Gewalt sich erhebt gegen die
staatliche Ordnung, gegen die von Kaiser und Reich. Krone und Volk feierlich
berathenen und verkündeten Gesetze. Die göttliche Scheu der Gewissen vor offenem
Landfriedensbruch bei edleren Katholiken, die Furcht vor dem Zuchthause beim
gemeinen Manne versucht der Papst durch die unfehlbare Behauptung zu ver¬
scheuchen, daß alle Kirchengesetze des Staates ohne des Papstes Zustimmung
null und nichtig seien. Seit den Tagen Heinrich's IV. ist solche Sprache,
solche Frechheit von Rom nicht mehr gehört worden.

Damals aber war die ganze Christenheit eines Glaubens. Die Vor¬
stellung von dem weltlichen und geistlichen Schwert, dem alle Welt Unter¬
than sei. beherrschte die Gemüther. Und dennoch glaubten damals die besten
Deutschen, solche Demüthigung wie der Kaiser vom Papst sie erfahren, sei
gleichbedeutend mit dem Untergang des Reiches und der Ehre deutscher Nation
für immer. Und heute wagt der Papst dieselbe Anmaßung gegen den Schirm¬
herrn protestantischen Geistes, gegen das deutsche Volk vier Jahrhunderte
nachdem Luther gelehrt hat. vier Jahre nach dem großen Sieg germanischer
Kraft über die romanische.

In jedem Deutschen, gleichviel welchem Glauben und welcher Partei er
angehört, muß sich diesem Frevel gegenüber die Frage regen: wie wird diesem
verbrecherischen Treiben ein Ziel gesetzt? Wie wird Sühne gefordert und ge¬
geben für die Verletzung unsrer Ehre, unsrer sittlichen Ordnung. Die Ab¬
kehr, meinen wir, ist eine dreifache. Was den Papst selbst anlangt, so
steht ihm der Strafausschließungsgrund vollendeter Unzurechnungsfähigkeit
und zweifelloser Geistesschwache zur Seite. Dieser Geisteszustand ist der ge¬
bildeten Welt bekannt, und er wird bewirken, daß die Fluchsprüche und Bann¬
bullen des kindischen Greises nur bei Buben und Lügnern Beifall und werk¬
thätige Nacheiferung finden werden. Mit diesen Buben und Lügnern wird
der deutsche Staat nach wie vor fertig werden auf dem Wege des geräusch¬
losen Strafprozesses, gleichviel ob sie die Bischofsmütze tragen oder den Kittel
des katholischen Casinogesellen.

Das zweite Mittel der Abwehr bereitet Preußen in diesem Augenblicke
vor. Das landesherrliche Planet soll hinsichtlich aller auf bürgerliche oder
staatsbürgerliche Verhältnisse bezüglichen Anordnungen der Kirche und Kirchen-


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[0407] die Nützlichkeit der Verbindung der päpstlichen Kirche mit der Revolution. Der Papst läutete vielmehr selbst direct die Sturmglocke des Aufruhrs. Wer bisher noch nicht wußte, was eine Brandrede sei. wird die päpstliche Bulle vom 3. Februar als allezeit gediegenes Paradigma dafür ansehen können. Die Spitzen der katholischen Hierarchie, die ganze Gliederung der streitenden Kirche ernennt der Papst zu Führern und Offizieren bei unmittelbarer Auflehnung gegen den deutschen und preußischen Staat. Das gesammte ka¬ tholische Volk soll das Heer bilden, das mit Gewalt sich erhebt gegen die staatliche Ordnung, gegen die von Kaiser und Reich. Krone und Volk feierlich berathenen und verkündeten Gesetze. Die göttliche Scheu der Gewissen vor offenem Landfriedensbruch bei edleren Katholiken, die Furcht vor dem Zuchthause beim gemeinen Manne versucht der Papst durch die unfehlbare Behauptung zu ver¬ scheuchen, daß alle Kirchengesetze des Staates ohne des Papstes Zustimmung null und nichtig seien. Seit den Tagen Heinrich's IV. ist solche Sprache, solche Frechheit von Rom nicht mehr gehört worden. Damals aber war die ganze Christenheit eines Glaubens. Die Vor¬ stellung von dem weltlichen und geistlichen Schwert, dem alle Welt Unter¬ than sei. beherrschte die Gemüther. Und dennoch glaubten damals die besten Deutschen, solche Demüthigung wie der Kaiser vom Papst sie erfahren, sei gleichbedeutend mit dem Untergang des Reiches und der Ehre deutscher Nation für immer. Und heute wagt der Papst dieselbe Anmaßung gegen den Schirm¬ herrn protestantischen Geistes, gegen das deutsche Volk vier Jahrhunderte nachdem Luther gelehrt hat. vier Jahre nach dem großen Sieg germanischer Kraft über die romanische. In jedem Deutschen, gleichviel welchem Glauben und welcher Partei er angehört, muß sich diesem Frevel gegenüber die Frage regen: wie wird diesem verbrecherischen Treiben ein Ziel gesetzt? Wie wird Sühne gefordert und ge¬ geben für die Verletzung unsrer Ehre, unsrer sittlichen Ordnung. Die Ab¬ kehr, meinen wir, ist eine dreifache. Was den Papst selbst anlangt, so steht ihm der Strafausschließungsgrund vollendeter Unzurechnungsfähigkeit und zweifelloser Geistesschwache zur Seite. Dieser Geisteszustand ist der ge¬ bildeten Welt bekannt, und er wird bewirken, daß die Fluchsprüche und Bann¬ bullen des kindischen Greises nur bei Buben und Lügnern Beifall und werk¬ thätige Nacheiferung finden werden. Mit diesen Buben und Lügnern wird der deutsche Staat nach wie vor fertig werden auf dem Wege des geräusch¬ losen Strafprozesses, gleichviel ob sie die Bischofsmütze tragen oder den Kittel des katholischen Casinogesellen. Das zweite Mittel der Abwehr bereitet Preußen in diesem Augenblicke vor. Das landesherrliche Planet soll hinsichtlich aller auf bürgerliche oder staatsbürgerliche Verhältnisse bezüglichen Anordnungen der Kirche und Kirchen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/407>, abgerufen am 19.05.2024.