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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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Une dure, quinde, quande,
Fahr mit mir nach Engellande,
Engelland ist zugeschlossen,
ist der Schlüssel abgebrochen, u. s. f.

Diese Proben mögen genügen. Es wird sich natürlich nie feststellen lassen,
wie und wann diese und andere Kinderlieder -- Dünger hat 363 zusammen¬
gebracht -- ins Vogelart gekommen sind. Von manchen, namentlich von denen
mit mythologischer Grundlage, möchte man annehmen, daß sie bereits die frän¬
kischen Colonisten mitbrachten, welche die Landschaft germanistrten. Und ist
dies richtig, so bietet dies einen weiteren Beleg für die deutsche Abkunft der
überwiegenden Mehrheit der vogtländischen Bevölkerung. Denn die in jenen
Liedern versteckten mythologischen Beziehungen weisen auf deutschen nicht auf
slavischen Götterglauben hin.


Otto Kaemmel.


Z)le Mehl Ludwig's von Mhlenfels.

In dem vom 18. Juli 1861 datirten Erinnerungsblatt an den am
14. Juni 1861 zu Greifswald verstorbenen Ober-Appellationsgerichts- und Ge->
Heimen Justizrath Dr. juris von Mühlenfels von Greifswald, dessen empörende
Behandlung im Jahre 1821 durch die damalige preußische Regierung von
Gustav Freytag -- größtentheils nach Mühlenfels', eigenen Aufzeichnungen -- in
den Grenzboten, Jahrgang XXI No. 33, zweites Semester. Seite 248 bis
273 beschrieben ist, liest man Seite 10 Folgendes: "Seine Amtsentsetzung
war schon im Mai 1820 verfügt worden. Als er am 6. Mai 1821 die
Kunde erhielt, daß ihm für einen der nächsten Tage ein festerer Kerker be¬
stimmt sei, faßte er den Entschluß, die Flucht zu ergreifen. Die seltsame
Verkettung von Umständen, die staunenswerthe Vereinigung von Besonnenheit
und Geduld, Geschicklichkeit und Energie, durch welche ihm möglich wurde,
ohne jede Mitwissenschaft in der Nähe oder Ferne dem Kerker zu entrinnen,
der Verfolgung einen Vorsprung von 12 bis 16 Stunden abzugewinnen und
innerhalb 36 Stunden die schwedische Küste zu erreichen, wären "einer aus¬
führlicheren Darstellung werth, als diese flüchtige Skizze sie geben kann."

Was Ludwig von Mühlenfels mir hierüber nach selner glücklichen An-
kunft in Stockholm, woselbst ich seit dem Frühjahr Hauslehrer war, mitge-
theilt, ist -- soweit ich mich nach länger als einem halben Jahrhundert noch
zu erinnern vermag -- Folgendes:


Une dure, quinde, quande,
Fahr mit mir nach Engellande,
Engelland ist zugeschlossen,
ist der Schlüssel abgebrochen, u. s. f.

Diese Proben mögen genügen. Es wird sich natürlich nie feststellen lassen,
wie und wann diese und andere Kinderlieder — Dünger hat 363 zusammen¬
gebracht — ins Vogelart gekommen sind. Von manchen, namentlich von denen
mit mythologischer Grundlage, möchte man annehmen, daß sie bereits die frän¬
kischen Colonisten mitbrachten, welche die Landschaft germanistrten. Und ist
dies richtig, so bietet dies einen weiteren Beleg für die deutsche Abkunft der
überwiegenden Mehrheit der vogtländischen Bevölkerung. Denn die in jenen
Liedern versteckten mythologischen Beziehungen weisen auf deutschen nicht auf
slavischen Götterglauben hin.


Otto Kaemmel.


Z)le Mehl Ludwig's von Mhlenfels.

In dem vom 18. Juli 1861 datirten Erinnerungsblatt an den am
14. Juni 1861 zu Greifswald verstorbenen Ober-Appellationsgerichts- und Ge->
Heimen Justizrath Dr. juris von Mühlenfels von Greifswald, dessen empörende
Behandlung im Jahre 1821 durch die damalige preußische Regierung von
Gustav Freytag — größtentheils nach Mühlenfels', eigenen Aufzeichnungen — in
den Grenzboten, Jahrgang XXI No. 33, zweites Semester. Seite 248 bis
273 beschrieben ist, liest man Seite 10 Folgendes: „Seine Amtsentsetzung
war schon im Mai 1820 verfügt worden. Als er am 6. Mai 1821 die
Kunde erhielt, daß ihm für einen der nächsten Tage ein festerer Kerker be¬
stimmt sei, faßte er den Entschluß, die Flucht zu ergreifen. Die seltsame
Verkettung von Umständen, die staunenswerthe Vereinigung von Besonnenheit
und Geduld, Geschicklichkeit und Energie, durch welche ihm möglich wurde,
ohne jede Mitwissenschaft in der Nähe oder Ferne dem Kerker zu entrinnen,
der Verfolgung einen Vorsprung von 12 bis 16 Stunden abzugewinnen und
innerhalb 36 Stunden die schwedische Küste zu erreichen, wären "einer aus¬
führlicheren Darstellung werth, als diese flüchtige Skizze sie geben kann."

Was Ludwig von Mühlenfels mir hierüber nach selner glücklichen An-
kunft in Stockholm, woselbst ich seit dem Frühjahr Hauslehrer war, mitge-
theilt, ist — soweit ich mich nach länger als einem halben Jahrhundert noch
zu erinnern vermag — Folgendes:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/76>, abgerufen am 06.05.2024.