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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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saal der Abgeordneten, in welchem jene Feierlichkeit stattfand. Es war eben
der Ausdruck der Ueberzeugung der scheidenden Volksvertreter, daß, wenn
Bayerns Zukunft auch einer Krisis entgegengeht, diese doch zum Heil des
engern Vaterlands, wie zur Ehre Deutschlands, überstanden werden
wird, so lange König Ludwig an den Gesinnungen und Entschlüssen festhält,
die er seither so oft bethätigt hat.




Dom preußischen Landtag.

Nur zwei Sitzungen haben die Abgeordneten in vergangener Woche ge¬
halten und am 11. Mai bereits ihre Pfingstvertagung bis zum 28. Mai ein¬
treten lassen. In der Sitzung vom 10. Mai fand die dritte Lesung des Ordens¬
gesetzes statt. Auch diese Lesung rief wiederum, was selten geschieht, eine leb¬
hafte Discussion hervor. Unter den Rednern des Centrums zeichnete sich
diesmal Graf Praschma aus. Er sprach als vornehmer Cavalier und unter¬
ließ nicht den Hinweis, daß unter den Mitgliedern der geistlichen Orden in
Preußen Angehörige der vornehmsten Geschlechter des Landes und selbst Ver¬
wandte des königlichen Hauses sich befinden. Man muß nur zweifeln, ob
diese Thatsache, für sich allein genommen, für oder gegen die Zulassung
der geistlichen Orden spricht.

Jedenfalls liefert dieselbe einen Beweis von der Macht und Anziehungs¬
kraft der Orden, einer Macht und Anziehungskraft, die bei der sklavischen
Abhängigkeit von Rom, dem wahren Erbfeind der deutschen Nation und ihres
geschichtlichen Genius, eine bedeutende Gefahr in sich schließt. Die Vornehmen
des Landes, die Mitglieder des königlichen Hauses an der Spitze, müssen
gerade in Folge ihrer hohen Stellung auf Vieles verzichten, wozu die Gesetze
den Staatsbürger berechtigen.

Es würde sich empfehlen, so hochgestellten Personen die Theilnahme an
geistlichen Orden zu verbieten, auch wenn die letzteren überhaupt noch geduldet
Werden könnten. Der Grund des Grafen Praschma kehrt sich also gegen die
von ihm vertheidigte Sache. Es war eine sonderbare Aufwallung des Redners,
in der Ausschließung der Orden ein Zeichen der Gesunkenheit des Vaterlandes
Zu finden. Noch sonderbarer war freilich die Weissagung, daß das Vaterland
im Kampfe mit Rom möglicherweise zu Grunde gehen werde.


saal der Abgeordneten, in welchem jene Feierlichkeit stattfand. Es war eben
der Ausdruck der Ueberzeugung der scheidenden Volksvertreter, daß, wenn
Bayerns Zukunft auch einer Krisis entgegengeht, diese doch zum Heil des
engern Vaterlands, wie zur Ehre Deutschlands, überstanden werden
wird, so lange König Ludwig an den Gesinnungen und Entschlüssen festhält,
die er seither so oft bethätigt hat.




Dom preußischen Landtag.

Nur zwei Sitzungen haben die Abgeordneten in vergangener Woche ge¬
halten und am 11. Mai bereits ihre Pfingstvertagung bis zum 28. Mai ein¬
treten lassen. In der Sitzung vom 10. Mai fand die dritte Lesung des Ordens¬
gesetzes statt. Auch diese Lesung rief wiederum, was selten geschieht, eine leb¬
hafte Discussion hervor. Unter den Rednern des Centrums zeichnete sich
diesmal Graf Praschma aus. Er sprach als vornehmer Cavalier und unter¬
ließ nicht den Hinweis, daß unter den Mitgliedern der geistlichen Orden in
Preußen Angehörige der vornehmsten Geschlechter des Landes und selbst Ver¬
wandte des königlichen Hauses sich befinden. Man muß nur zweifeln, ob
diese Thatsache, für sich allein genommen, für oder gegen die Zulassung
der geistlichen Orden spricht.

Jedenfalls liefert dieselbe einen Beweis von der Macht und Anziehungs¬
kraft der Orden, einer Macht und Anziehungskraft, die bei der sklavischen
Abhängigkeit von Rom, dem wahren Erbfeind der deutschen Nation und ihres
geschichtlichen Genius, eine bedeutende Gefahr in sich schließt. Die Vornehmen
des Landes, die Mitglieder des königlichen Hauses an der Spitze, müssen
gerade in Folge ihrer hohen Stellung auf Vieles verzichten, wozu die Gesetze
den Staatsbürger berechtigen.

Es würde sich empfehlen, so hochgestellten Personen die Theilnahme an
geistlichen Orden zu verbieten, auch wenn die letzteren überhaupt noch geduldet
Werden könnten. Der Grund des Grafen Praschma kehrt sich also gegen die
von ihm vertheidigte Sache. Es war eine sonderbare Aufwallung des Redners,
in der Ausschließung der Orden ein Zeichen der Gesunkenheit des Vaterlandes
Zu finden. Noch sonderbarer war freilich die Weissagung, daß das Vaterland
im Kampfe mit Rom möglicherweise zu Grunde gehen werde.


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[0315] saal der Abgeordneten, in welchem jene Feierlichkeit stattfand. Es war eben der Ausdruck der Ueberzeugung der scheidenden Volksvertreter, daß, wenn Bayerns Zukunft auch einer Krisis entgegengeht, diese doch zum Heil des engern Vaterlands, wie zur Ehre Deutschlands, überstanden werden wird, so lange König Ludwig an den Gesinnungen und Entschlüssen festhält, die er seither so oft bethätigt hat. Dom preußischen Landtag. Nur zwei Sitzungen haben die Abgeordneten in vergangener Woche ge¬ halten und am 11. Mai bereits ihre Pfingstvertagung bis zum 28. Mai ein¬ treten lassen. In der Sitzung vom 10. Mai fand die dritte Lesung des Ordens¬ gesetzes statt. Auch diese Lesung rief wiederum, was selten geschieht, eine leb¬ hafte Discussion hervor. Unter den Rednern des Centrums zeichnete sich diesmal Graf Praschma aus. Er sprach als vornehmer Cavalier und unter¬ ließ nicht den Hinweis, daß unter den Mitgliedern der geistlichen Orden in Preußen Angehörige der vornehmsten Geschlechter des Landes und selbst Ver¬ wandte des königlichen Hauses sich befinden. Man muß nur zweifeln, ob diese Thatsache, für sich allein genommen, für oder gegen die Zulassung der geistlichen Orden spricht. Jedenfalls liefert dieselbe einen Beweis von der Macht und Anziehungs¬ kraft der Orden, einer Macht und Anziehungskraft, die bei der sklavischen Abhängigkeit von Rom, dem wahren Erbfeind der deutschen Nation und ihres geschichtlichen Genius, eine bedeutende Gefahr in sich schließt. Die Vornehmen des Landes, die Mitglieder des königlichen Hauses an der Spitze, müssen gerade in Folge ihrer hohen Stellung auf Vieles verzichten, wozu die Gesetze den Staatsbürger berechtigen. Es würde sich empfehlen, so hochgestellten Personen die Theilnahme an geistlichen Orden zu verbieten, auch wenn die letzteren überhaupt noch geduldet Werden könnten. Der Grund des Grafen Praschma kehrt sich also gegen die von ihm vertheidigte Sache. Es war eine sonderbare Aufwallung des Redners, in der Ausschließung der Orden ein Zeichen der Gesunkenheit des Vaterlandes Zu finden. Noch sonderbarer war freilich die Weissagung, daß das Vaterland im Kampfe mit Rom möglicherweise zu Grunde gehen werde.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/315>, abgerufen am 06.05.2024.