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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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süchtige Eitelkeit zu Tage getreten, versank er abermals in Verfolgungswahn,
und darauf folgte wieder eine kurze Periode relativer Gesundheit.

Der dritte Anfall umfaßte die Zeit vom Herbste 68 bis zum Frühjahr
68, also genau so viele Monate als der erste und der zweite, und begann
und endigte mit melancholischen Stimmungen, die zwischen sich eine Periode
der Tobsucht hatten, in welcher der Kaiser u. A. die Quellen des Nil auf¬
suchen, Rom verbrennen und als glanzvolle Neropolis wieder aufbauen, wie
Alexander der Große nach dem fernen Osten ziehen wollte, und in der er an
die Durchstechung des Isthmus von Korinth ging und in den Theatern
Griechenlands als Schauspieler und Harfenschläger um den Kranz warb,
während er zugleich den verrücktesten Lüsten fröhnte. Der darauf wieder ein¬
tretenden Schwermuth machte erst die Verschwörung ein Ende, die zugleich
seine Ermordung herbeiführte. Er hatte sich nach dem Tode gesehnt, sich
aber -- ein Widerspruch, der bei Melancholischen oft vorkommt -- zugleich
bis zum letzten Augenblicke auf das Jämmerlichste vor ihm gefürchtet.




Die Aauhütte.
ii.
(Was ist die Bauhütte? Bedürfnißfrage. Geschichtliches. Organisation. Das
Statut. Rechte und Pflichten der Meister. Vom Unterricht.)

Nachdem wir in dem vorigen Aufsatze die äußeren Verhältnisse erwogen
haben, unter denen das ausgehende Mittelalter seine Kirchenbauten förderte,
bitte ich den geneigten Leser nunmehr auch einen Blick auf die Organisation
zu werfen, die sich theils als städtische Zunft, theils als das Institut der
Bauhütre aus der Jahrhunderte alten Praxis herausgebildet hatte. Wir
brauchen nur das Wort Bauhütte auszusprechen, um uns auf ein ziemlich
controversereiches Gehler versetzt zu sehen. Wir begegnen den allerverschieden-
artigsten Vorstellungen von dieser übrigens oft genannten, aber doch ziemlich
unbekannten mittelalterlichen Einrichtung. Was war die Bauhütte? ein Ge¬
heimbund? eine religiöse Verbrüderung? eine Zunft? eine Künstlergesellschaft?
welches Ansehen hatte sie? welchen Einfluß auf die Stylbildung? welche Orga¬
nisation? Das sind Fragen, die sich uns allsogleich aufdrängen.

Wir werden auch hier wieder einige romantische Vorurtheile zu beseitigen
haben, die besonders durch die Kunstforschungen älteren Datums entstanden
sind und darauf hinauslaufen, in der Wiederaufrichtung dieser unübertreff¬
lichen Schule das Heil jeglicher Baukunst zu erblicken. Auch jenen Umschau-


süchtige Eitelkeit zu Tage getreten, versank er abermals in Verfolgungswahn,
und darauf folgte wieder eine kurze Periode relativer Gesundheit.

Der dritte Anfall umfaßte die Zeit vom Herbste 68 bis zum Frühjahr
68, also genau so viele Monate als der erste und der zweite, und begann
und endigte mit melancholischen Stimmungen, die zwischen sich eine Periode
der Tobsucht hatten, in welcher der Kaiser u. A. die Quellen des Nil auf¬
suchen, Rom verbrennen und als glanzvolle Neropolis wieder aufbauen, wie
Alexander der Große nach dem fernen Osten ziehen wollte, und in der er an
die Durchstechung des Isthmus von Korinth ging und in den Theatern
Griechenlands als Schauspieler und Harfenschläger um den Kranz warb,
während er zugleich den verrücktesten Lüsten fröhnte. Der darauf wieder ein¬
tretenden Schwermuth machte erst die Verschwörung ein Ende, die zugleich
seine Ermordung herbeiführte. Er hatte sich nach dem Tode gesehnt, sich
aber — ein Widerspruch, der bei Melancholischen oft vorkommt — zugleich
bis zum letzten Augenblicke auf das Jämmerlichste vor ihm gefürchtet.




Die Aauhütte.
ii.
(Was ist die Bauhütte? Bedürfnißfrage. Geschichtliches. Organisation. Das
Statut. Rechte und Pflichten der Meister. Vom Unterricht.)

Nachdem wir in dem vorigen Aufsatze die äußeren Verhältnisse erwogen
haben, unter denen das ausgehende Mittelalter seine Kirchenbauten förderte,
bitte ich den geneigten Leser nunmehr auch einen Blick auf die Organisation
zu werfen, die sich theils als städtische Zunft, theils als das Institut der
Bauhütre aus der Jahrhunderte alten Praxis herausgebildet hatte. Wir
brauchen nur das Wort Bauhütte auszusprechen, um uns auf ein ziemlich
controversereiches Gehler versetzt zu sehen. Wir begegnen den allerverschieden-
artigsten Vorstellungen von dieser übrigens oft genannten, aber doch ziemlich
unbekannten mittelalterlichen Einrichtung. Was war die Bauhütte? ein Ge¬
heimbund? eine religiöse Verbrüderung? eine Zunft? eine Künstlergesellschaft?
welches Ansehen hatte sie? welchen Einfluß auf die Stylbildung? welche Orga¬
nisation? Das sind Fragen, die sich uns allsogleich aufdrängen.

Wir werden auch hier wieder einige romantische Vorurtheile zu beseitigen
haben, die besonders durch die Kunstforschungen älteren Datums entstanden
sind und darauf hinauslaufen, in der Wiederaufrichtung dieser unübertreff¬
lichen Schule das Heil jeglicher Baukunst zu erblicken. Auch jenen Umschau-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/146>, abgerufen am 05.05.2024.