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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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ungen von dem geheimen und symbolischen Charakter der Bauhütte, welche
durch Studien der Vorgeschichte des Freimaurerordens Platz gegriffen haben,
werden wir entgegen zu treten haben. Diese Forschungen waren einer ob¬
jectiven Auffassung nicht günstig, da sie das Interesse hatten Dinge die theils
nebensächlich theils unerwiesen waren, zu sehr in den Vordergrund zu rücken
und so ein nicht zutreffendes Bild zu liefern.

Die Bauhütte des Mittelalters war, wie aus den zahlreichen vorhan¬
denen Documenten hervorgeht eine Zunftbildung desjenigen Theiles der
Steinmetzen, welche sich mit den größeren in specie mit den Kirchenbauten
beschäftigten. Sie ist in ihrer inneren Eigenschaft der Lucasbrüderschaft der
Maler ziemlich ähnlich, unterscheidet sich aber dadurch von den übrigen
Zünften, daß sie nach einer Organisation der einzelnen Hütten zu gemein¬
samen, ganze Bezirke, ja ganz Deutschland verbindenden Bestimmungen drängt.
Und das war ja mit der Besonderheit ihrer Verhältnisse gegeben.

Wir dürfen nicht in jene Zeit zurückgreifen, in welcher die Bauthätig¬
keit der klösterlichen Laienbrüder auf weltliche Corporationen überging. Wir
wissen aus dieser Zeit soviel wie nichts. Erst von da an fangen unsere
Quellen an zu fließen, daß die bereits fertig ausgebildeten Zünfte die staatliche
Sanction zu erhalten begonnen; das ist etwa die Mitte des vierzehnten Jahr¬
hunderts. Hier sind es die Concurrenzfrage. das Meisterstück, die Funktionen
der Gesellen, die Lehrzeit und das Coalitionsrechr, welche durch besondere
Statuten geregelt werden. Es ist kulturhistorisch höchst interessant zu sehen,
daß nachdem wir in unseren Tagen alle zunftmäßigen Gruppirungen -- ich
Meine nicht allein die alten historischen Zünfte, die in ihrer Gestaltung nicht
wehr lebensfähig waren -- aufgelöst haben, wir in Zustände versetzt sind,
welche zu einer Neuregelung genau derselben Fragen dringen, welche bereits
bei der ersten Bildung der Zünfte die maßgebenden waren. Unsere Gesetz¬
gebung beschäftigt sich mit Aufstellung gesetzlicher Bestimmungen über Muster¬
schutz . das geistige Eigenthumsrecht, und wird wohl noch eine Menge ähn¬
licher Dinge regeln müssen. Das ist trotz Gewerbefreiheit die alte Concurrenz¬
frage. Ob der Contractbruch strafrechtlich zu verfolgen sei oder nicht, hat
bei Gelegenheit der Novelle zum Handelsgesetzbuch neulich erst zu lebhaften
Debatten Anlaß gegeben. Und eben jetzt holt die Reichsregierung Gutachten
ein über Regelung des Dienst- und Lehrverhältnisses. Dazu mehren sich die Ge¬
nossenschaften der Meister, Gesellen, der Handwerker aller Klassen, welche ge¬
meinsame Interessen gemeinsam vertreten wollen in rapider Weise -- ein Zeichen,
daß was die Grundlage einer richtig aufgefaßten Zunft ist, nicht entbehrt
Werden kann. Jetzt geht eine Gesetzgebung von der Centralgewalt aus; da¬
mals bildete sich ein Usus. der von den Landesherren in freierer oder be¬
schränkterer Weise sanctionirt wurde -- wie es ja nach der politischen Lage


ungen von dem geheimen und symbolischen Charakter der Bauhütte, welche
durch Studien der Vorgeschichte des Freimaurerordens Platz gegriffen haben,
werden wir entgegen zu treten haben. Diese Forschungen waren einer ob¬
jectiven Auffassung nicht günstig, da sie das Interesse hatten Dinge die theils
nebensächlich theils unerwiesen waren, zu sehr in den Vordergrund zu rücken
und so ein nicht zutreffendes Bild zu liefern.

Die Bauhütte des Mittelalters war, wie aus den zahlreichen vorhan¬
denen Documenten hervorgeht eine Zunftbildung desjenigen Theiles der
Steinmetzen, welche sich mit den größeren in specie mit den Kirchenbauten
beschäftigten. Sie ist in ihrer inneren Eigenschaft der Lucasbrüderschaft der
Maler ziemlich ähnlich, unterscheidet sich aber dadurch von den übrigen
Zünften, daß sie nach einer Organisation der einzelnen Hütten zu gemein¬
samen, ganze Bezirke, ja ganz Deutschland verbindenden Bestimmungen drängt.
Und das war ja mit der Besonderheit ihrer Verhältnisse gegeben.

Wir dürfen nicht in jene Zeit zurückgreifen, in welcher die Bauthätig¬
keit der klösterlichen Laienbrüder auf weltliche Corporationen überging. Wir
wissen aus dieser Zeit soviel wie nichts. Erst von da an fangen unsere
Quellen an zu fließen, daß die bereits fertig ausgebildeten Zünfte die staatliche
Sanction zu erhalten begonnen; das ist etwa die Mitte des vierzehnten Jahr¬
hunderts. Hier sind es die Concurrenzfrage. das Meisterstück, die Funktionen
der Gesellen, die Lehrzeit und das Coalitionsrechr, welche durch besondere
Statuten geregelt werden. Es ist kulturhistorisch höchst interessant zu sehen,
daß nachdem wir in unseren Tagen alle zunftmäßigen Gruppirungen — ich
Meine nicht allein die alten historischen Zünfte, die in ihrer Gestaltung nicht
wehr lebensfähig waren — aufgelöst haben, wir in Zustände versetzt sind,
welche zu einer Neuregelung genau derselben Fragen dringen, welche bereits
bei der ersten Bildung der Zünfte die maßgebenden waren. Unsere Gesetz¬
gebung beschäftigt sich mit Aufstellung gesetzlicher Bestimmungen über Muster¬
schutz . das geistige Eigenthumsrecht, und wird wohl noch eine Menge ähn¬
licher Dinge regeln müssen. Das ist trotz Gewerbefreiheit die alte Concurrenz¬
frage. Ob der Contractbruch strafrechtlich zu verfolgen sei oder nicht, hat
bei Gelegenheit der Novelle zum Handelsgesetzbuch neulich erst zu lebhaften
Debatten Anlaß gegeben. Und eben jetzt holt die Reichsregierung Gutachten
ein über Regelung des Dienst- und Lehrverhältnisses. Dazu mehren sich die Ge¬
nossenschaften der Meister, Gesellen, der Handwerker aller Klassen, welche ge¬
meinsame Interessen gemeinsam vertreten wollen in rapider Weise — ein Zeichen,
daß was die Grundlage einer richtig aufgefaßten Zunft ist, nicht entbehrt
Werden kann. Jetzt geht eine Gesetzgebung von der Centralgewalt aus; da¬
mals bildete sich ein Usus. der von den Landesherren in freierer oder be¬
schränkterer Weise sanctionirt wurde — wie es ja nach der politischen Lage


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[0147] ungen von dem geheimen und symbolischen Charakter der Bauhütte, welche durch Studien der Vorgeschichte des Freimaurerordens Platz gegriffen haben, werden wir entgegen zu treten haben. Diese Forschungen waren einer ob¬ jectiven Auffassung nicht günstig, da sie das Interesse hatten Dinge die theils nebensächlich theils unerwiesen waren, zu sehr in den Vordergrund zu rücken und so ein nicht zutreffendes Bild zu liefern. Die Bauhütte des Mittelalters war, wie aus den zahlreichen vorhan¬ denen Documenten hervorgeht eine Zunftbildung desjenigen Theiles der Steinmetzen, welche sich mit den größeren in specie mit den Kirchenbauten beschäftigten. Sie ist in ihrer inneren Eigenschaft der Lucasbrüderschaft der Maler ziemlich ähnlich, unterscheidet sich aber dadurch von den übrigen Zünften, daß sie nach einer Organisation der einzelnen Hütten zu gemein¬ samen, ganze Bezirke, ja ganz Deutschland verbindenden Bestimmungen drängt. Und das war ja mit der Besonderheit ihrer Verhältnisse gegeben. Wir dürfen nicht in jene Zeit zurückgreifen, in welcher die Bauthätig¬ keit der klösterlichen Laienbrüder auf weltliche Corporationen überging. Wir wissen aus dieser Zeit soviel wie nichts. Erst von da an fangen unsere Quellen an zu fließen, daß die bereits fertig ausgebildeten Zünfte die staatliche Sanction zu erhalten begonnen; das ist etwa die Mitte des vierzehnten Jahr¬ hunderts. Hier sind es die Concurrenzfrage. das Meisterstück, die Funktionen der Gesellen, die Lehrzeit und das Coalitionsrechr, welche durch besondere Statuten geregelt werden. Es ist kulturhistorisch höchst interessant zu sehen, daß nachdem wir in unseren Tagen alle zunftmäßigen Gruppirungen — ich Meine nicht allein die alten historischen Zünfte, die in ihrer Gestaltung nicht wehr lebensfähig waren — aufgelöst haben, wir in Zustände versetzt sind, welche zu einer Neuregelung genau derselben Fragen dringen, welche bereits bei der ersten Bildung der Zünfte die maßgebenden waren. Unsere Gesetz¬ gebung beschäftigt sich mit Aufstellung gesetzlicher Bestimmungen über Muster¬ schutz . das geistige Eigenthumsrecht, und wird wohl noch eine Menge ähn¬ licher Dinge regeln müssen. Das ist trotz Gewerbefreiheit die alte Concurrenz¬ frage. Ob der Contractbruch strafrechtlich zu verfolgen sei oder nicht, hat bei Gelegenheit der Novelle zum Handelsgesetzbuch neulich erst zu lebhaften Debatten Anlaß gegeben. Und eben jetzt holt die Reichsregierung Gutachten ein über Regelung des Dienst- und Lehrverhältnisses. Dazu mehren sich die Ge¬ nossenschaften der Meister, Gesellen, der Handwerker aller Klassen, welche ge¬ meinsame Interessen gemeinsam vertreten wollen in rapider Weise — ein Zeichen, daß was die Grundlage einer richtig aufgefaßten Zunft ist, nicht entbehrt Werden kann. Jetzt geht eine Gesetzgebung von der Centralgewalt aus; da¬ mals bildete sich ein Usus. der von den Landesherren in freierer oder be¬ schränkterer Weise sanctionirt wurde — wie es ja nach der politischen Lage

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/147>, abgerufen am 18.05.2024.