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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Dom deutschen Ueichstag.

Nach Besprechung einer Jnterpellation in Betreff der Strandung des
Dampfers "Deutschland" beschäftigte sich am 13. Dezember der Reichstag mit
den drei Gesetzentwürfen: 1. Ueber das Urheberrecht an Werken der bilden¬
den Kunst. 2. Ueber den Schutz der Photographien gegen unbefugte Nach¬
bildung auf mechanischem Wege. 3. Ueber das Urheberrecht an Mustern und
Modellen. Die Einzelheiten der Vorlagen und die wenigen vom Reichstag
beschlossenen Aenderungen beschäftigen uns hier nicht. Bei der dritten Lesung
der erwähnten Gesetzentwürfe, welche ebenfalls in dieser Woche erfolgte, ent¬
wickelte der Abgeordnete A. Reichensperger in einem vortrefflichen Vortrag die
Gründe des niedrigen Standes der deutschen Kunstindustrie, die mit dem
bisher mangelnden Schutz der Erfindung bei weitem nicht erschöpft sind
und daher mit dem Eintreten dieses Schutzes auch nicht beseitigt wer¬
den. Wie wohlthuend ist es doch, ein Mitglied derjenigen Partei, die in
einer nun schon langen palamentarischen Vergangenheit fast nur als Gegnerin
der Reichsparteien aufgetreten, über eine vaterländische Angelegenheit, die
freilich nicht politischer Natur ist, mit solcher Sachkenntniß sprechen zu hören.
Der einsichtsvolle Vortrag wurde vom ganzen Hause mit Aufmerksamkeit ent¬
gegengenommen. Man kann nicht umhin zu bedauern, daß man mit Männern
in Feindschaft leben muß, wenn auch nur in politischer, deren Kräfte für
gute vaterländische Werke so wohl zu gebrauchen wären. Wer und was da¬
ran Schuld ist, darüber ließe sich eine Weihnachtsbetrachtung anstellen, die
wir unterdrücken müssen. Uebrigens finden wir, daß auch der eingehende
Vortrag Reichensperger's wenigsten? Einen Grund für den wenig befriedigenden
Stand des deutschen Kunstgewerbes übersehen hat, auf den wir wohl Anlaß
erhalten werden, zurückzukommen.

Bei der ersten Lesung der Strafgesetznovelle beschloß der Reichstag, eine
Anzahl Artikel einer Commission zu überweisen, die Einzelberathung der
übrigen Artikel sogleich im Plenum vorzunehmen. Diese Einzelberathung oder
zweite Lesung begann am 14. Dezember. Man begann mit den Artikeln,
welche Ausländern, die im Ausland gegen Deutschland Hochverrath, Münz¬
verbrechen oder gegen deutsche Staatsbürger Handlungen begehen, welche das
deutsche Gesetz bestraft, mit denselben Strafen wie den Inländer bedroht.
Der Ausländer kann natürlich wegen solcher Handlungen nur verfolgt wer¬
den, wenn er sich in den Bereich der deutschen Strafjustiz begiebt. Es ist
nicht die Rede davon, den fremden Mörder eines Deutschen im Ausland dort
durch deutsche Beamte aufgreifen zu lassen, wie einzelne Abgeordnete sich einge-


Dom deutschen Ueichstag.

Nach Besprechung einer Jnterpellation in Betreff der Strandung des
Dampfers „Deutschland" beschäftigte sich am 13. Dezember der Reichstag mit
den drei Gesetzentwürfen: 1. Ueber das Urheberrecht an Werken der bilden¬
den Kunst. 2. Ueber den Schutz der Photographien gegen unbefugte Nach¬
bildung auf mechanischem Wege. 3. Ueber das Urheberrecht an Mustern und
Modellen. Die Einzelheiten der Vorlagen und die wenigen vom Reichstag
beschlossenen Aenderungen beschäftigen uns hier nicht. Bei der dritten Lesung
der erwähnten Gesetzentwürfe, welche ebenfalls in dieser Woche erfolgte, ent¬
wickelte der Abgeordnete A. Reichensperger in einem vortrefflichen Vortrag die
Gründe des niedrigen Standes der deutschen Kunstindustrie, die mit dem
bisher mangelnden Schutz der Erfindung bei weitem nicht erschöpft sind
und daher mit dem Eintreten dieses Schutzes auch nicht beseitigt wer¬
den. Wie wohlthuend ist es doch, ein Mitglied derjenigen Partei, die in
einer nun schon langen palamentarischen Vergangenheit fast nur als Gegnerin
der Reichsparteien aufgetreten, über eine vaterländische Angelegenheit, die
freilich nicht politischer Natur ist, mit solcher Sachkenntniß sprechen zu hören.
Der einsichtsvolle Vortrag wurde vom ganzen Hause mit Aufmerksamkeit ent¬
gegengenommen. Man kann nicht umhin zu bedauern, daß man mit Männern
in Feindschaft leben muß, wenn auch nur in politischer, deren Kräfte für
gute vaterländische Werke so wohl zu gebrauchen wären. Wer und was da¬
ran Schuld ist, darüber ließe sich eine Weihnachtsbetrachtung anstellen, die
wir unterdrücken müssen. Uebrigens finden wir, daß auch der eingehende
Vortrag Reichensperger's wenigsten? Einen Grund für den wenig befriedigenden
Stand des deutschen Kunstgewerbes übersehen hat, auf den wir wohl Anlaß
erhalten werden, zurückzukommen.

Bei der ersten Lesung der Strafgesetznovelle beschloß der Reichstag, eine
Anzahl Artikel einer Commission zu überweisen, die Einzelberathung der
übrigen Artikel sogleich im Plenum vorzunehmen. Diese Einzelberathung oder
zweite Lesung begann am 14. Dezember. Man begann mit den Artikeln,
welche Ausländern, die im Ausland gegen Deutschland Hochverrath, Münz¬
verbrechen oder gegen deutsche Staatsbürger Handlungen begehen, welche das
deutsche Gesetz bestraft, mit denselben Strafen wie den Inländer bedroht.
Der Ausländer kann natürlich wegen solcher Handlungen nur verfolgt wer¬
den, wenn er sich in den Bereich der deutschen Strafjustiz begiebt. Es ist
nicht die Rede davon, den fremden Mörder eines Deutschen im Ausland dort
durch deutsche Beamte aufgreifen zu lassen, wie einzelne Abgeordnete sich einge-


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[0516] Dom deutschen Ueichstag. Nach Besprechung einer Jnterpellation in Betreff der Strandung des Dampfers „Deutschland" beschäftigte sich am 13. Dezember der Reichstag mit den drei Gesetzentwürfen: 1. Ueber das Urheberrecht an Werken der bilden¬ den Kunst. 2. Ueber den Schutz der Photographien gegen unbefugte Nach¬ bildung auf mechanischem Wege. 3. Ueber das Urheberrecht an Mustern und Modellen. Die Einzelheiten der Vorlagen und die wenigen vom Reichstag beschlossenen Aenderungen beschäftigen uns hier nicht. Bei der dritten Lesung der erwähnten Gesetzentwürfe, welche ebenfalls in dieser Woche erfolgte, ent¬ wickelte der Abgeordnete A. Reichensperger in einem vortrefflichen Vortrag die Gründe des niedrigen Standes der deutschen Kunstindustrie, die mit dem bisher mangelnden Schutz der Erfindung bei weitem nicht erschöpft sind und daher mit dem Eintreten dieses Schutzes auch nicht beseitigt wer¬ den. Wie wohlthuend ist es doch, ein Mitglied derjenigen Partei, die in einer nun schon langen palamentarischen Vergangenheit fast nur als Gegnerin der Reichsparteien aufgetreten, über eine vaterländische Angelegenheit, die freilich nicht politischer Natur ist, mit solcher Sachkenntniß sprechen zu hören. Der einsichtsvolle Vortrag wurde vom ganzen Hause mit Aufmerksamkeit ent¬ gegengenommen. Man kann nicht umhin zu bedauern, daß man mit Männern in Feindschaft leben muß, wenn auch nur in politischer, deren Kräfte für gute vaterländische Werke so wohl zu gebrauchen wären. Wer und was da¬ ran Schuld ist, darüber ließe sich eine Weihnachtsbetrachtung anstellen, die wir unterdrücken müssen. Uebrigens finden wir, daß auch der eingehende Vortrag Reichensperger's wenigsten? Einen Grund für den wenig befriedigenden Stand des deutschen Kunstgewerbes übersehen hat, auf den wir wohl Anlaß erhalten werden, zurückzukommen. Bei der ersten Lesung der Strafgesetznovelle beschloß der Reichstag, eine Anzahl Artikel einer Commission zu überweisen, die Einzelberathung der übrigen Artikel sogleich im Plenum vorzunehmen. Diese Einzelberathung oder zweite Lesung begann am 14. Dezember. Man begann mit den Artikeln, welche Ausländern, die im Ausland gegen Deutschland Hochverrath, Münz¬ verbrechen oder gegen deutsche Staatsbürger Handlungen begehen, welche das deutsche Gesetz bestraft, mit denselben Strafen wie den Inländer bedroht. Der Ausländer kann natürlich wegen solcher Handlungen nur verfolgt wer¬ den, wenn er sich in den Bereich der deutschen Strafjustiz begiebt. Es ist nicht die Rede davon, den fremden Mörder eines Deutschen im Ausland dort durch deutsche Beamte aufgreifen zu lassen, wie einzelne Abgeordnete sich einge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/516>, abgerufen am 05.05.2024.