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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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daß Konrad II. mit seiner Art, die Kirchenstellen zu vergeben kein Kirchen¬
heiliger sein, und daß die Kirche auf diesem Wege auch nicht aus Konrad ein
Werkzeug für sich zu machen hoffen konnte. Und sie brauchte ein solches wieder
mehr als je.

Die Simonie riß unter Papst Johann XIX. gerade in Rom am meisten
und so tief ein, daß, als er sein schmähliches Wirken endigte, unter seiner Ein¬
wirkung und mit dem Gelde der Tusculaner noch eine schmählichere Wahl
folgte. Der Gras Alberich von Tusculum, der sich einen Pfalzgraf des Lateran
und Consul der Römer nannte, gelang es. durch unglaubliche Summen, die
Wahl seines Sohnes Theophylakt, eines zehnjährigen Knaben, 1033, durch¬
zusetzen, der dann unter dem Namen Benedikt IX. durch die schlimmsten
Bubenstreiche den apostolischen Stuhl schändete. Während seine beiden Brüder
Gregorius und Peter die weltliche Herrschaft für ihn führten, ließ er das geist¬
liche Leben durch sein Beispiel in den allerärgsten Verfall gerathen. Auch die
äußere Gesetzlichkeit und Kirchlichkeit der Cluniacenser und die schwärmerischen
Bußübungen der Schüler Romnald's konnten nichts nützen, da gerade in
Burgund und Italien, wo die eifrigsten Bußprediger ihren Sitz hatten, das
Uebel am schlimmsten war. Konrad II., dem gegenüber der hohe Klerus
mehr und mehr in die Vasallenschaft sank, ließ die Kirche eben möglichst seinen
politischen Zwecken zu Gute kommen.

In dieser Noth wandte sich der Reform betreibende Theil der Kirche
wieder nach Deutschland, wo verhältnißmäßig noch der beste Sinn in der
Kirche herrschte und gewann Niemand geringeres als den Sohn des Kaisers !
Heinrich, der nachmalige III. dieses Namens als Kaiser, desavouirte den
eignen Vater!




Acht- und Schattenbilder aus Koburg-Holda.
i.

Es gab eine Zeit, da das kleine Coburg-Gotha in dem politischen
Leben Deutschlands eine nicht unbedeutende Rolle spielte. Herzog Ernst
genoß -- nicht ohne wirkliches Verdienst -- den Ruf eines vorurtheilslosen,
freisinnigen Fürsten: er verlieh unter Mitwirkung einer aufgeklärten Landes¬
vertretung seinen Staatsangehörigen gute, zeitgemäße Gesetze; er führte, auch
wenn ringsum die Reaction blühte, ein gesetz- und verfassungsmäßiges Regi¬
ment, fern von Willkür und Polizeiwirthschaft; vertriebene Schleswig"Hol¬
steiner. verfassungstreue Opfer eines Hassenpflug und Gemaßregelte des Grafen


daß Konrad II. mit seiner Art, die Kirchenstellen zu vergeben kein Kirchen¬
heiliger sein, und daß die Kirche auf diesem Wege auch nicht aus Konrad ein
Werkzeug für sich zu machen hoffen konnte. Und sie brauchte ein solches wieder
mehr als je.

Die Simonie riß unter Papst Johann XIX. gerade in Rom am meisten
und so tief ein, daß, als er sein schmähliches Wirken endigte, unter seiner Ein¬
wirkung und mit dem Gelde der Tusculaner noch eine schmählichere Wahl
folgte. Der Gras Alberich von Tusculum, der sich einen Pfalzgraf des Lateran
und Consul der Römer nannte, gelang es. durch unglaubliche Summen, die
Wahl seines Sohnes Theophylakt, eines zehnjährigen Knaben, 1033, durch¬
zusetzen, der dann unter dem Namen Benedikt IX. durch die schlimmsten
Bubenstreiche den apostolischen Stuhl schändete. Während seine beiden Brüder
Gregorius und Peter die weltliche Herrschaft für ihn führten, ließ er das geist¬
liche Leben durch sein Beispiel in den allerärgsten Verfall gerathen. Auch die
äußere Gesetzlichkeit und Kirchlichkeit der Cluniacenser und die schwärmerischen
Bußübungen der Schüler Romnald's konnten nichts nützen, da gerade in
Burgund und Italien, wo die eifrigsten Bußprediger ihren Sitz hatten, das
Uebel am schlimmsten war. Konrad II., dem gegenüber der hohe Klerus
mehr und mehr in die Vasallenschaft sank, ließ die Kirche eben möglichst seinen
politischen Zwecken zu Gute kommen.

In dieser Noth wandte sich der Reform betreibende Theil der Kirche
wieder nach Deutschland, wo verhältnißmäßig noch der beste Sinn in der
Kirche herrschte und gewann Niemand geringeres als den Sohn des Kaisers !
Heinrich, der nachmalige III. dieses Namens als Kaiser, desavouirte den
eignen Vater!




Acht- und Schattenbilder aus Koburg-Holda.
i.

Es gab eine Zeit, da das kleine Coburg-Gotha in dem politischen
Leben Deutschlands eine nicht unbedeutende Rolle spielte. Herzog Ernst
genoß — nicht ohne wirkliches Verdienst — den Ruf eines vorurtheilslosen,
freisinnigen Fürsten: er verlieh unter Mitwirkung einer aufgeklärten Landes¬
vertretung seinen Staatsangehörigen gute, zeitgemäße Gesetze; er führte, auch
wenn ringsum die Reaction blühte, ein gesetz- und verfassungsmäßiges Regi¬
ment, fern von Willkür und Polizeiwirthschaft; vertriebene Schleswig»Hol¬
steiner. verfassungstreue Opfer eines Hassenpflug und Gemaßregelte des Grafen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/116>, abgerufen am 05.05.2024.