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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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traurige Zustand der Protestanten und Griechisch - Orthodoxen eine der Ver¬
anlassungen zu der Politik wurde, welche die erste Theilung Polens herbei¬
führte. Von Leontowitsch, dem Abt eines rechtgläubigen Klosters in Wilna,
erging an die russische Regierung die erste kategorische Aufforderung in Be¬
treff der Wiedererwerbung des sogenannten westlichen Rußland, und sie kam
nicht von einem Diplomaten, sondern aus der Mitte des Volkes. Klagen
auf Klagen über "das Elend, welches die Rechtgläubigen in Polen erdulden
müßten", immer neue Beschwerden des eifrigen Abtes über ihre gewaltthätige
Verfolgung liefen in Petersburg ein, und Katharina, die zu Anfang ihrer
Negierung noch keineswegs fest auf ihrem Throne saß. konnte sich auf keinem
andern Wege rascher die volle Sympathie ihrer Unterthanen erwerben, als
indem sie sich der Rechte und Interessen der Glaubensgenossen des russischen
Volks in Polen mit Nachdruck annahm. Sie hat die Ideen, die Leontowitsch
ihr zuerst nahelegte, erfolgreich durchgeführt; er selbst aber versank von 1762
an in Vergessenheit. Der fünfte und größte Artikel bespricht die Verhand¬
lungen, durch welche sich Kaunitz, der österreichische Staatskanzler, lange vor
dem Ableben des kinderlosen Kurfürsten Max Josef mit dem kurpfälzischen Hofe
und dann mit Preußen über eine Erwerbung Bayerns für Oesterreich zu verstän¬
digen versuchte, ein Zweck, den er bekanntlich nicht erreichte, und der zum bayeri¬
schen Erbfolgekriege führte. Den Rest des Hefts nehmen Literaturberichte ein.


Zukunftsmedicin oder Anleitung, sich selbst der beste Arzt zu sein, d. h. Krank¬
heiten zu vermeiden. Von G. Hygin Voigt. 1. Heft.
Leipzig. Alfred Krüger, 1876.

Das Ganze wird sich in acht Höslen vollenden und auch eine Anzahl
Aufsätze enthalten, die an sich interessanten Inhalts, aber nicht gerade in
naher Beziehung zu der Frage stehen, auf welche Weise man Krankheiten am
Besten vermeidet. Wenigstens wüßten wir nicht, wie "das Leben des Kopfes
nach der Enthauptung" und "die Nahrungsmittel des Geistes" (der Verfasser
meint damit Schule und Presse) sich damit in Verbindung bringen ließen.
Auch das erste Heft bringt einen derartigen Artikel: "Die Verzückung der
Seele im Haschisch-Rausch", aber wir nehmen es damit nicht genau, da der¬
selbe ein höchst interessantes Experiment nach sehr sorgfältigen Beobachtungen
mittheilt. Auch die weiteren Aufsätze des Heftes -- Ein Blick in den lebenden
Magen -- Das Wasser als Heilmittel -- Das medicinische Papstthum --
Eine Magenpredigt -- Die Wiedergeburt der thierischen Seele -- sind meist
von Interesse. Doch stört einigermaßen der hier hin und wieder angeschlagne
witzelnde Ton, zumal keineswegs alle Witze gelungen sind.




Verantwortlicher Redakteur- or. Haus Blum in Leipzig.
Verlag von K. L. Hrrdig in Leipzig. -- Druck von Hüthcl Herrmau" in Leipzig.

traurige Zustand der Protestanten und Griechisch - Orthodoxen eine der Ver¬
anlassungen zu der Politik wurde, welche die erste Theilung Polens herbei¬
führte. Von Leontowitsch, dem Abt eines rechtgläubigen Klosters in Wilna,
erging an die russische Regierung die erste kategorische Aufforderung in Be¬
treff der Wiedererwerbung des sogenannten westlichen Rußland, und sie kam
nicht von einem Diplomaten, sondern aus der Mitte des Volkes. Klagen
auf Klagen über „das Elend, welches die Rechtgläubigen in Polen erdulden
müßten", immer neue Beschwerden des eifrigen Abtes über ihre gewaltthätige
Verfolgung liefen in Petersburg ein, und Katharina, die zu Anfang ihrer
Negierung noch keineswegs fest auf ihrem Throne saß. konnte sich auf keinem
andern Wege rascher die volle Sympathie ihrer Unterthanen erwerben, als
indem sie sich der Rechte und Interessen der Glaubensgenossen des russischen
Volks in Polen mit Nachdruck annahm. Sie hat die Ideen, die Leontowitsch
ihr zuerst nahelegte, erfolgreich durchgeführt; er selbst aber versank von 1762
an in Vergessenheit. Der fünfte und größte Artikel bespricht die Verhand¬
lungen, durch welche sich Kaunitz, der österreichische Staatskanzler, lange vor
dem Ableben des kinderlosen Kurfürsten Max Josef mit dem kurpfälzischen Hofe
und dann mit Preußen über eine Erwerbung Bayerns für Oesterreich zu verstän¬
digen versuchte, ein Zweck, den er bekanntlich nicht erreichte, und der zum bayeri¬
schen Erbfolgekriege führte. Den Rest des Hefts nehmen Literaturberichte ein.


Zukunftsmedicin oder Anleitung, sich selbst der beste Arzt zu sein, d. h. Krank¬
heiten zu vermeiden. Von G. Hygin Voigt. 1. Heft.
Leipzig. Alfred Krüger, 1876.

Das Ganze wird sich in acht Höslen vollenden und auch eine Anzahl
Aufsätze enthalten, die an sich interessanten Inhalts, aber nicht gerade in
naher Beziehung zu der Frage stehen, auf welche Weise man Krankheiten am
Besten vermeidet. Wenigstens wüßten wir nicht, wie „das Leben des Kopfes
nach der Enthauptung" und „die Nahrungsmittel des Geistes" (der Verfasser
meint damit Schule und Presse) sich damit in Verbindung bringen ließen.
Auch das erste Heft bringt einen derartigen Artikel: „Die Verzückung der
Seele im Haschisch-Rausch", aber wir nehmen es damit nicht genau, da der¬
selbe ein höchst interessantes Experiment nach sehr sorgfältigen Beobachtungen
mittheilt. Auch die weiteren Aufsätze des Heftes — Ein Blick in den lebenden
Magen — Das Wasser als Heilmittel — Das medicinische Papstthum —
Eine Magenpredigt — Die Wiedergeburt der thierischen Seele — sind meist
von Interesse. Doch stört einigermaßen der hier hin und wieder angeschlagne
witzelnde Ton, zumal keineswegs alle Witze gelungen sind.




Verantwortlicher Redakteur- or. Haus Blum in Leipzig.
Verlag von K. L. Hrrdig in Leipzig. — Druck von Hüthcl Herrmau« in Leipzig.
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[0284] traurige Zustand der Protestanten und Griechisch - Orthodoxen eine der Ver¬ anlassungen zu der Politik wurde, welche die erste Theilung Polens herbei¬ führte. Von Leontowitsch, dem Abt eines rechtgläubigen Klosters in Wilna, erging an die russische Regierung die erste kategorische Aufforderung in Be¬ treff der Wiedererwerbung des sogenannten westlichen Rußland, und sie kam nicht von einem Diplomaten, sondern aus der Mitte des Volkes. Klagen auf Klagen über „das Elend, welches die Rechtgläubigen in Polen erdulden müßten", immer neue Beschwerden des eifrigen Abtes über ihre gewaltthätige Verfolgung liefen in Petersburg ein, und Katharina, die zu Anfang ihrer Negierung noch keineswegs fest auf ihrem Throne saß. konnte sich auf keinem andern Wege rascher die volle Sympathie ihrer Unterthanen erwerben, als indem sie sich der Rechte und Interessen der Glaubensgenossen des russischen Volks in Polen mit Nachdruck annahm. Sie hat die Ideen, die Leontowitsch ihr zuerst nahelegte, erfolgreich durchgeführt; er selbst aber versank von 1762 an in Vergessenheit. Der fünfte und größte Artikel bespricht die Verhand¬ lungen, durch welche sich Kaunitz, der österreichische Staatskanzler, lange vor dem Ableben des kinderlosen Kurfürsten Max Josef mit dem kurpfälzischen Hofe und dann mit Preußen über eine Erwerbung Bayerns für Oesterreich zu verstän¬ digen versuchte, ein Zweck, den er bekanntlich nicht erreichte, und der zum bayeri¬ schen Erbfolgekriege führte. Den Rest des Hefts nehmen Literaturberichte ein. Zukunftsmedicin oder Anleitung, sich selbst der beste Arzt zu sein, d. h. Krank¬ heiten zu vermeiden. Von G. Hygin Voigt. 1. Heft. Leipzig. Alfred Krüger, 1876. Das Ganze wird sich in acht Höslen vollenden und auch eine Anzahl Aufsätze enthalten, die an sich interessanten Inhalts, aber nicht gerade in naher Beziehung zu der Frage stehen, auf welche Weise man Krankheiten am Besten vermeidet. Wenigstens wüßten wir nicht, wie „das Leben des Kopfes nach der Enthauptung" und „die Nahrungsmittel des Geistes" (der Verfasser meint damit Schule und Presse) sich damit in Verbindung bringen ließen. Auch das erste Heft bringt einen derartigen Artikel: „Die Verzückung der Seele im Haschisch-Rausch", aber wir nehmen es damit nicht genau, da der¬ selbe ein höchst interessantes Experiment nach sehr sorgfältigen Beobachtungen mittheilt. Auch die weiteren Aufsätze des Heftes — Ein Blick in den lebenden Magen — Das Wasser als Heilmittel — Das medicinische Papstthum — Eine Magenpredigt — Die Wiedergeburt der thierischen Seele — sind meist von Interesse. Doch stört einigermaßen der hier hin und wieder angeschlagne witzelnde Ton, zumal keineswegs alle Witze gelungen sind. Verantwortlicher Redakteur- or. Haus Blum in Leipzig. Verlag von K. L. Hrrdig in Leipzig. — Druck von Hüthcl Herrmau« in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/284>, abgerufen am 07.05.2024.