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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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des Mädchenspuks in allen Modeformen, welche die Anmuth der weiblichen
Gestalt verunstalten, zum Vorschein kommt. Der unschuldigste Spuk der
Mädchen ist ohne Zweifel derjenige, den sie in den Köpfen junger Leute
veranlassen. Das schönste Gegenstück pathologischer Martergeschichten aber
ist der weibliche Heroismus.




Münchner Briefe.

Es wäre längst vielleicht angezeigt gewesen, die "Münchner Briefe" wie¬
der aufzunehmen, da doch der bayrische Landtag, dessen sie ja schon mehr
als einmal gedachten, nun schon volle vier Monate hier zusammensitzt und,
wenn, mit Herrn Jörg zu reden, auch nicht "Europa, so doch wenigstens das
Reich" auch etwas "in den Saal in der Prannersgasse schaut". Aber eben
von diesem Landtage zu schreiben, das ist uns bisher hart angekommen, denn
trauriger, hoffnungsloser, man dürfte fast sagen kläglicher, hat sich selten
eine parlamentarische Geschäftserledigung angelassen, als die, welche der der-
malige Budgetlandtag seine Arbeiten nennt. Nichts geht vorwärts, kein
Referat wird so bald fertig gestellt, als es geschehen könnte, schon das dritte
provisorische Steuergesetz, welches die Regierung in die Lage setzt, wenigstens
das Große des Staatshaushalts fortführen zu können, steht in Aussicht --
das Budget wird aber nicht zum Abschluß gebracht. So ist die Lage Ende
Juni, so wird sie vielleicht auch noch Mitte Juli sein. Ebenso lang saß
der Landtag im Jahr 1870 zusammen, aber da kam doch wenigstens das
reinigende Kriegsgewitter, das die drohenden schwarzen Wolken verjagte und
Klarheit in die Parteisituation brachte, -- wie aber jetzt in das wieder dicht
zusammengeballte finstere Gewölk ein es verscheuchender oder wenigstens aus¬
einanderjagender frischer Luftzug fahren soll, ist schwer zu sagen.

Im October vor. Jahres wurde bekanntlich wegen des Zusammentritts
des Reichstags der Landtag vertagt. Er war in seiner kurzen Arbeit gerade
.so weit gekommen, das Budget unter die Referenten zu vertheilen, obwohl
dieselben es noch nicht einmal gedruckt mit nach Hause nehmen konnten,
und dann die famose Adreßangelegenheit, über die wir seiner Zeit eingehend
geschrieben haben, zum Abschluß zu bringen. Dieser Abschluß war nicht, wie
der große Politiker von der Traußnitz, Herr Jörg, gehofft hatte, der Sturz
des Ministeriums und die Reconstruirung Bayerns aus ultramontan-partiku-


des Mädchenspuks in allen Modeformen, welche die Anmuth der weiblichen
Gestalt verunstalten, zum Vorschein kommt. Der unschuldigste Spuk der
Mädchen ist ohne Zweifel derjenige, den sie in den Köpfen junger Leute
veranlassen. Das schönste Gegenstück pathologischer Martergeschichten aber
ist der weibliche Heroismus.




Münchner Briefe.

Es wäre längst vielleicht angezeigt gewesen, die „Münchner Briefe" wie¬
der aufzunehmen, da doch der bayrische Landtag, dessen sie ja schon mehr
als einmal gedachten, nun schon volle vier Monate hier zusammensitzt und,
wenn, mit Herrn Jörg zu reden, auch nicht „Europa, so doch wenigstens das
Reich" auch etwas „in den Saal in der Prannersgasse schaut". Aber eben
von diesem Landtage zu schreiben, das ist uns bisher hart angekommen, denn
trauriger, hoffnungsloser, man dürfte fast sagen kläglicher, hat sich selten
eine parlamentarische Geschäftserledigung angelassen, als die, welche der der-
malige Budgetlandtag seine Arbeiten nennt. Nichts geht vorwärts, kein
Referat wird so bald fertig gestellt, als es geschehen könnte, schon das dritte
provisorische Steuergesetz, welches die Regierung in die Lage setzt, wenigstens
das Große des Staatshaushalts fortführen zu können, steht in Aussicht —
das Budget wird aber nicht zum Abschluß gebracht. So ist die Lage Ende
Juni, so wird sie vielleicht auch noch Mitte Juli sein. Ebenso lang saß
der Landtag im Jahr 1870 zusammen, aber da kam doch wenigstens das
reinigende Kriegsgewitter, das die drohenden schwarzen Wolken verjagte und
Klarheit in die Parteisituation brachte, — wie aber jetzt in das wieder dicht
zusammengeballte finstere Gewölk ein es verscheuchender oder wenigstens aus¬
einanderjagender frischer Luftzug fahren soll, ist schwer zu sagen.

Im October vor. Jahres wurde bekanntlich wegen des Zusammentritts
des Reichstags der Landtag vertagt. Er war in seiner kurzen Arbeit gerade
.so weit gekommen, das Budget unter die Referenten zu vertheilen, obwohl
dieselben es noch nicht einmal gedruckt mit nach Hause nehmen konnten,
und dann die famose Adreßangelegenheit, über die wir seiner Zeit eingehend
geschrieben haben, zum Abschluß zu bringen. Dieser Abschluß war nicht, wie
der große Politiker von der Traußnitz, Herr Jörg, gehofft hatte, der Sturz
des Ministeriums und die Reconstruirung Bayerns aus ultramontan-partiku-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/34>, abgerufen am 26.04.2024.