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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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leugnen, ihnen sogar die deutsche Sprache abzustreiten, da sie nur einen
Dialekt redeten. So dreister Entstellung der Wahrheit konnte man nur
das Schweigen der Verachtung entgegensetzen: kein Sachse hat sich soweit
entwürdigt, Helfy nur eine Sylbe zu erwiedern/) Doch was kam es hier auf
A^umente an! Selten ist eine parlamentarische Verhandlung so sehr
Spiegelfechterei gewesen als diese; die Annahme des Gesetzentwurfes war von
vorneherein beschlossne Sache und sie erfolgte am 24. März mit allen Stim¬
men gegen die der Sachsen und des Abgeordneten Decani. Diese ver¬
ließen hierauf den Berathungssaal. Die Spezialdebatte, die nun
erfolgte, ging rasch vorüber, ohne daß Wesentliches im Entwürfe geändert
worden wäre. Im Fluge hat dann auch am 27. März das Oberhaus ihn
angenommen; ein einziger Magnat, Baron Dionys Eötvös, sprach, ebenso
staatsmännisch wie gerecht, dagegen.

Eine mit Hunderten von Unterschriften bedeckte Adresse des Sachsenvolkes
an seine gesetzestreuen Vertreter bewies, daß es hinter seinen Abgeordneten
stehe und auf seine Rechte nicht verzichte, in Erwartung besserer Zeiten.
Auch wir Deutschen im Reiche hoffen, daß sie kommen werden; wir hoffen
zugleich, daß unsere tapferen Landsleute, die Mongolensturm und Türkennoth
überstanden haben, auch diesem Stoße nicht weichen werden, sondern ihr
Volksthum behaupten, trotz aller magyarischen Gewaltstreiche. Unsere Sym¬
pathien, die sie allein beanspruchen, sind ihnen sicher, so gewiß derselbe nati¬
onale Geist an der Elbe wie an den Karpathen lebt.


Otto Kaemmel.


Kuba und die gereinigten Staaten.
Ein Stück geheimer Geschichte.

Immer wieder taucht in Amerika die Frage nach der Möglichkeit der
Erwerbung Cubas durch die Vereinigten Staaten auf. Sie ist ein Haupt¬
punkt in der auswärtigen Politik des jetzigen Präsidenten, sie wird dieselbe
Stelle unter seinen Nachfolgern einnehmen, und sie spielt ihre Rolle schon
seit länger als einem halben Jahrhundert. Die Insel liegt so nahe bei dem
Gebiete der Union, und ihre Lage ist im Hinblick auf den Handel im Golf



") Die Ausfalle des Sachsen Fabritms gegen seine Landsleute übergehen wir, weil
wir meinen, er könne der deutschen Presse dafür dankbar sein, wenn sie sie nicht erwähnt.

leugnen, ihnen sogar die deutsche Sprache abzustreiten, da sie nur einen
Dialekt redeten. So dreister Entstellung der Wahrheit konnte man nur
das Schweigen der Verachtung entgegensetzen: kein Sachse hat sich soweit
entwürdigt, Helfy nur eine Sylbe zu erwiedern/) Doch was kam es hier auf
A^umente an! Selten ist eine parlamentarische Verhandlung so sehr
Spiegelfechterei gewesen als diese; die Annahme des Gesetzentwurfes war von
vorneherein beschlossne Sache und sie erfolgte am 24. März mit allen Stim¬
men gegen die der Sachsen und des Abgeordneten Decani. Diese ver¬
ließen hierauf den Berathungssaal. Die Spezialdebatte, die nun
erfolgte, ging rasch vorüber, ohne daß Wesentliches im Entwürfe geändert
worden wäre. Im Fluge hat dann auch am 27. März das Oberhaus ihn
angenommen; ein einziger Magnat, Baron Dionys Eötvös, sprach, ebenso
staatsmännisch wie gerecht, dagegen.

Eine mit Hunderten von Unterschriften bedeckte Adresse des Sachsenvolkes
an seine gesetzestreuen Vertreter bewies, daß es hinter seinen Abgeordneten
stehe und auf seine Rechte nicht verzichte, in Erwartung besserer Zeiten.
Auch wir Deutschen im Reiche hoffen, daß sie kommen werden; wir hoffen
zugleich, daß unsere tapferen Landsleute, die Mongolensturm und Türkennoth
überstanden haben, auch diesem Stoße nicht weichen werden, sondern ihr
Volksthum behaupten, trotz aller magyarischen Gewaltstreiche. Unsere Sym¬
pathien, die sie allein beanspruchen, sind ihnen sicher, so gewiß derselbe nati¬
onale Geist an der Elbe wie an den Karpathen lebt.


Otto Kaemmel.


Kuba und die gereinigten Staaten.
Ein Stück geheimer Geschichte.

Immer wieder taucht in Amerika die Frage nach der Möglichkeit der
Erwerbung Cubas durch die Vereinigten Staaten auf. Sie ist ein Haupt¬
punkt in der auswärtigen Politik des jetzigen Präsidenten, sie wird dieselbe
Stelle unter seinen Nachfolgern einnehmen, und sie spielt ihre Rolle schon
seit länger als einem halben Jahrhundert. Die Insel liegt so nahe bei dem
Gebiete der Union, und ihre Lage ist im Hinblick auf den Handel im Golf



") Die Ausfalle des Sachsen Fabritms gegen seine Landsleute übergehen wir, weil
wir meinen, er könne der deutschen Presse dafür dankbar sein, wenn sie sie nicht erwähnt.
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[0496] leugnen, ihnen sogar die deutsche Sprache abzustreiten, da sie nur einen Dialekt redeten. So dreister Entstellung der Wahrheit konnte man nur das Schweigen der Verachtung entgegensetzen: kein Sachse hat sich soweit entwürdigt, Helfy nur eine Sylbe zu erwiedern/) Doch was kam es hier auf A^umente an! Selten ist eine parlamentarische Verhandlung so sehr Spiegelfechterei gewesen als diese; die Annahme des Gesetzentwurfes war von vorneherein beschlossne Sache und sie erfolgte am 24. März mit allen Stim¬ men gegen die der Sachsen und des Abgeordneten Decani. Diese ver¬ ließen hierauf den Berathungssaal. Die Spezialdebatte, die nun erfolgte, ging rasch vorüber, ohne daß Wesentliches im Entwürfe geändert worden wäre. Im Fluge hat dann auch am 27. März das Oberhaus ihn angenommen; ein einziger Magnat, Baron Dionys Eötvös, sprach, ebenso staatsmännisch wie gerecht, dagegen. Eine mit Hunderten von Unterschriften bedeckte Adresse des Sachsenvolkes an seine gesetzestreuen Vertreter bewies, daß es hinter seinen Abgeordneten stehe und auf seine Rechte nicht verzichte, in Erwartung besserer Zeiten. Auch wir Deutschen im Reiche hoffen, daß sie kommen werden; wir hoffen zugleich, daß unsere tapferen Landsleute, die Mongolensturm und Türkennoth überstanden haben, auch diesem Stoße nicht weichen werden, sondern ihr Volksthum behaupten, trotz aller magyarischen Gewaltstreiche. Unsere Sym¬ pathien, die sie allein beanspruchen, sind ihnen sicher, so gewiß derselbe nati¬ onale Geist an der Elbe wie an den Karpathen lebt. Otto Kaemmel. Kuba und die gereinigten Staaten. Ein Stück geheimer Geschichte. Immer wieder taucht in Amerika die Frage nach der Möglichkeit der Erwerbung Cubas durch die Vereinigten Staaten auf. Sie ist ein Haupt¬ punkt in der auswärtigen Politik des jetzigen Präsidenten, sie wird dieselbe Stelle unter seinen Nachfolgern einnehmen, und sie spielt ihre Rolle schon seit länger als einem halben Jahrhundert. Die Insel liegt so nahe bei dem Gebiete der Union, und ihre Lage ist im Hinblick auf den Handel im Golf ") Die Ausfalle des Sachsen Fabritms gegen seine Landsleute übergehen wir, weil wir meinen, er könne der deutschen Presse dafür dankbar sein, wenn sie sie nicht erwähnt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/496>, abgerufen am 26.04.2024.