Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

behandelt, welches wir bei dem Verfasser der "Geschichte der preußischen Po¬
litik" immer zu finden gewohnt sind, aber auch mit der ihm gleichfalls eigenen
Trockenheit und Nüchternheit, die Menschen und Dinge nur ausnahmsweise
und dann nur kurz schildert und charakterifirt.


Vier Jahre Culturkampf von Dr. Ferdinand Schroeder. Frank¬
furt a. M. Verlag von Zimmer, 1876.

Diese Schrift, welche das 6. Heft des ersten Bandes der "Zeitfragen des
christlichen Volkslebens" bildet, bespricht den vom Titel genannten Streit
vom Standpunkte der Partei der süddeutschen "Reichspost", d. h. der protestan¬
tischen Gegner der Maigesetze, doch in gemäßigter Weife, sieht allerlei traurige
Wirkungen des Kampfes der "Omnipotenz" des Staates mit der nach dem
Verfasser ihm gleichberechtigt nebengeordneten Kirche und prophezeit noch mehr
Unheil. .Wenn die Regierung sagt: wir können nicht einlenken; denn es
handelt sich um die Souveränetät des preußischen Staates, so werden die
Bischöfe antworten: und wir können es nicht; denn es handelt sich um die
Selbständigkeit der Kirche, um die Existenz der römischen Kirche in Deutsch¬
land. Damit kommen wir .nicht weiter. Aber damit würden wir weiter
kommen, wenn jeder Theil nicht zuerst von dem andern erwartete, sondern
bei sich selbst damit anfinge, sich des Volkes jammern zu lassen, die Einen
darum, daß es verwildert, die Andern darum, daß ihm das Brod des Lebens
so theuer wird. Und wenn darin beide wetteiferten, dann würde kaum noch
die Frage entstehen. welcher von beiden Theilen zuerst die Hand zum Frieden
bieten solle." Wir sagen dazu: auch damit kommen wir nicht weiter; denn
das sind allgemeine Redensarten. Der Staat verlangt, daß die Kirche seinen
Zwecken nicht entgegentrete, daß sie sich nur um sich, nur um überirdische,
nicht um weltliche Dinge kümmere; die Kirche hat diesem Verlangen zu ent¬
sprechen, dem Kaiser zu geben was des Kaisers ist, die Macht und Gewalt
in allem, was nicht zum Dogma gehört, und wenn etwas zum Dogma ge-
macht worden ist; was staatsfeindlich ist, so hat sie dem Staate auch dies
zu opfern. Wir dulden die Polygamie der Mormonen nicht, wir dulden
auch keine Mitregierung des Romanismus in staatlichen Angelegenheiten.
Entsteht daraus Schaden für die Kirche, so fällt die Schuld daran nicht dem
Staate, sondern der Herrschsucht Roms und der Verblendung seiner Anhänger
in Deutschland zur Last.




Verantwortlicher Redakteur: or. Haus Blum in Leipzig.
Verlag von K. L. Herbig in Leipzig. -- Druck von Hiithel " Herrumun in Seipzia.

behandelt, welches wir bei dem Verfasser der „Geschichte der preußischen Po¬
litik" immer zu finden gewohnt sind, aber auch mit der ihm gleichfalls eigenen
Trockenheit und Nüchternheit, die Menschen und Dinge nur ausnahmsweise
und dann nur kurz schildert und charakterifirt.


Vier Jahre Culturkampf von Dr. Ferdinand Schroeder. Frank¬
furt a. M. Verlag von Zimmer, 1876.

Diese Schrift, welche das 6. Heft des ersten Bandes der „Zeitfragen des
christlichen Volkslebens" bildet, bespricht den vom Titel genannten Streit
vom Standpunkte der Partei der süddeutschen „Reichspost", d. h. der protestan¬
tischen Gegner der Maigesetze, doch in gemäßigter Weife, sieht allerlei traurige
Wirkungen des Kampfes der „Omnipotenz" des Staates mit der nach dem
Verfasser ihm gleichberechtigt nebengeordneten Kirche und prophezeit noch mehr
Unheil. .Wenn die Regierung sagt: wir können nicht einlenken; denn es
handelt sich um die Souveränetät des preußischen Staates, so werden die
Bischöfe antworten: und wir können es nicht; denn es handelt sich um die
Selbständigkeit der Kirche, um die Existenz der römischen Kirche in Deutsch¬
land. Damit kommen wir .nicht weiter. Aber damit würden wir weiter
kommen, wenn jeder Theil nicht zuerst von dem andern erwartete, sondern
bei sich selbst damit anfinge, sich des Volkes jammern zu lassen, die Einen
darum, daß es verwildert, die Andern darum, daß ihm das Brod des Lebens
so theuer wird. Und wenn darin beide wetteiferten, dann würde kaum noch
die Frage entstehen. welcher von beiden Theilen zuerst die Hand zum Frieden
bieten solle." Wir sagen dazu: auch damit kommen wir nicht weiter; denn
das sind allgemeine Redensarten. Der Staat verlangt, daß die Kirche seinen
Zwecken nicht entgegentrete, daß sie sich nur um sich, nur um überirdische,
nicht um weltliche Dinge kümmere; die Kirche hat diesem Verlangen zu ent¬
sprechen, dem Kaiser zu geben was des Kaisers ist, die Macht und Gewalt
in allem, was nicht zum Dogma gehört, und wenn etwas zum Dogma ge-
macht worden ist; was staatsfeindlich ist, so hat sie dem Staate auch dies
zu opfern. Wir dulden die Polygamie der Mormonen nicht, wir dulden
auch keine Mitregierung des Romanismus in staatlichen Angelegenheiten.
Entsteht daraus Schaden für die Kirche, so fällt die Schuld daran nicht dem
Staate, sondern der Herrschsucht Roms und der Verblendung seiner Anhänger
in Deutschland zur Last.




Verantwortlicher Redakteur: or. Haus Blum in Leipzig.
Verlag von K. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Hiithel » Herrumun in Seipzia.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0164" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/136803"/>
            <p xml:id="ID_432" prev="#ID_431"> behandelt, welches wir bei dem Verfasser der &#x201E;Geschichte der preußischen Po¬<lb/>
litik" immer zu finden gewohnt sind, aber auch mit der ihm gleichfalls eigenen<lb/>
Trockenheit und Nüchternheit, die Menschen und Dinge nur ausnahmsweise<lb/>
und dann nur kurz schildert und charakterifirt.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Vier Jahre Culturkampf von Dr. Ferdinand Schroeder. Frank¬<lb/>
furt a. M. Verlag von Zimmer, 1876.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_433"> Diese Schrift, welche das 6. Heft des ersten Bandes der &#x201E;Zeitfragen des<lb/>
christlichen Volkslebens" bildet, bespricht den vom Titel genannten Streit<lb/>
vom Standpunkte der Partei der süddeutschen &#x201E;Reichspost", d. h. der protestan¬<lb/>
tischen Gegner der Maigesetze, doch in gemäßigter Weife, sieht allerlei traurige<lb/>
Wirkungen des Kampfes der &#x201E;Omnipotenz" des Staates mit der nach dem<lb/>
Verfasser ihm gleichberechtigt nebengeordneten Kirche und prophezeit noch mehr<lb/>
Unheil. .Wenn die Regierung sagt: wir können nicht einlenken; denn es<lb/>
handelt sich um die Souveränetät des preußischen Staates, so werden die<lb/>
Bischöfe antworten: und wir können es nicht; denn es handelt sich um die<lb/>
Selbständigkeit der Kirche, um die Existenz der römischen Kirche in Deutsch¬<lb/>
land. Damit kommen wir .nicht weiter. Aber damit würden wir weiter<lb/>
kommen, wenn jeder Theil nicht zuerst von dem andern erwartete, sondern<lb/>
bei sich selbst damit anfinge, sich des Volkes jammern zu lassen, die Einen<lb/>
darum, daß es verwildert, die Andern darum, daß ihm das Brod des Lebens<lb/>
so theuer wird. Und wenn darin beide wetteiferten, dann würde kaum noch<lb/>
die Frage entstehen. welcher von beiden Theilen zuerst die Hand zum Frieden<lb/>
bieten solle." Wir sagen dazu: auch damit kommen wir nicht weiter; denn<lb/>
das sind allgemeine Redensarten. Der Staat verlangt, daß die Kirche seinen<lb/>
Zwecken nicht entgegentrete, daß sie sich nur um sich, nur um überirdische,<lb/>
nicht um weltliche Dinge kümmere; die Kirche hat diesem Verlangen zu ent¬<lb/>
sprechen, dem Kaiser zu geben was des Kaisers ist, die Macht und Gewalt<lb/>
in allem, was nicht zum Dogma gehört, und wenn etwas zum Dogma ge-<lb/>
macht worden ist; was staatsfeindlich ist, so hat sie dem Staate auch dies<lb/>
zu opfern. Wir dulden die Polygamie der Mormonen nicht, wir dulden<lb/>
auch keine Mitregierung des Romanismus in staatlichen Angelegenheiten.<lb/>
Entsteht daraus Schaden für die Kirche, so fällt die Schuld daran nicht dem<lb/>
Staate, sondern der Herrschsucht Roms und der Verblendung seiner Anhänger<lb/>
in Deutschland zur Last.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <note type="byline"> Verantwortlicher Redakteur: or. Haus Blum in Leipzig.<lb/>
Verlag von K. L. Herbig in Leipzig. &#x2014; Druck von Hiithel » Herrumun in Seipzia.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0164] behandelt, welches wir bei dem Verfasser der „Geschichte der preußischen Po¬ litik" immer zu finden gewohnt sind, aber auch mit der ihm gleichfalls eigenen Trockenheit und Nüchternheit, die Menschen und Dinge nur ausnahmsweise und dann nur kurz schildert und charakterifirt. Vier Jahre Culturkampf von Dr. Ferdinand Schroeder. Frank¬ furt a. M. Verlag von Zimmer, 1876. Diese Schrift, welche das 6. Heft des ersten Bandes der „Zeitfragen des christlichen Volkslebens" bildet, bespricht den vom Titel genannten Streit vom Standpunkte der Partei der süddeutschen „Reichspost", d. h. der protestan¬ tischen Gegner der Maigesetze, doch in gemäßigter Weife, sieht allerlei traurige Wirkungen des Kampfes der „Omnipotenz" des Staates mit der nach dem Verfasser ihm gleichberechtigt nebengeordneten Kirche und prophezeit noch mehr Unheil. .Wenn die Regierung sagt: wir können nicht einlenken; denn es handelt sich um die Souveränetät des preußischen Staates, so werden die Bischöfe antworten: und wir können es nicht; denn es handelt sich um die Selbständigkeit der Kirche, um die Existenz der römischen Kirche in Deutsch¬ land. Damit kommen wir .nicht weiter. Aber damit würden wir weiter kommen, wenn jeder Theil nicht zuerst von dem andern erwartete, sondern bei sich selbst damit anfinge, sich des Volkes jammern zu lassen, die Einen darum, daß es verwildert, die Andern darum, daß ihm das Brod des Lebens so theuer wird. Und wenn darin beide wetteiferten, dann würde kaum noch die Frage entstehen. welcher von beiden Theilen zuerst die Hand zum Frieden bieten solle." Wir sagen dazu: auch damit kommen wir nicht weiter; denn das sind allgemeine Redensarten. Der Staat verlangt, daß die Kirche seinen Zwecken nicht entgegentrete, daß sie sich nur um sich, nur um überirdische, nicht um weltliche Dinge kümmere; die Kirche hat diesem Verlangen zu ent¬ sprechen, dem Kaiser zu geben was des Kaisers ist, die Macht und Gewalt in allem, was nicht zum Dogma gehört, und wenn etwas zum Dogma ge- macht worden ist; was staatsfeindlich ist, so hat sie dem Staate auch dies zu opfern. Wir dulden die Polygamie der Mormonen nicht, wir dulden auch keine Mitregierung des Romanismus in staatlichen Angelegenheiten. Entsteht daraus Schaden für die Kirche, so fällt die Schuld daran nicht dem Staate, sondern der Herrschsucht Roms und der Verblendung seiner Anhänger in Deutschland zur Last. Verantwortlicher Redakteur: or. Haus Blum in Leipzig. Verlag von K. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Hiithel » Herrumun in Seipzia.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/164
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/164>, abgerufen am 29.04.2024.