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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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machte in jener Zeit zu den Umgestaltungen in Frankreich und Belgien so¬
wie zum Zollverein einnahmen. Ur. 2, "Preußen und das System der
Großmächte" betitelt, ist der Wiederabdruck einer 1849 erschienenen Flugschrift,
die durch die treffende und klare Darlegung, mit der sie schon damals das
nothwendige Programm der preußischen Politik in Betreff der deutschen Frage
aufstellte und entwickelte, in weiten Kreisen Sensation erregte. Die dritte
Abhandlung sodann, "Zur Geschichte der deutschen Partei in Deutschland"
behandelt eine Episode aus der Geschichte des Fürstenbundes und beleuchtet
vorzüglich den Einfluß, den Karl August von Weimar hier übte. Der
folgende Aufsatz: "Ein historischer Beitrag zur Lehre von den Congressen"
führt uns in die Zeit nach dem spanischen Erbfolgekriege zurück, wo die
Diplomatie an die Stelle der Entscheidung politischer Fragen durch Kriege,
die Entscheidung auf Congressen zu setzen bemüht war, was mit dem Auf¬
treten Friedrichs des Großen ein Ende nahm. Der nächstfolgende weist mit
Hülfe von Pariser Documenten nach, daß der bekannte Nymphenburger
Vertrag, angeblich 1741 zwischen Frankreich und Bayern abgeschlossen, niemals
existirt hat, sondern eine Fälschung ist. In der sechsten Abhandlung wird
die gewöhnliche Ansicht, als sei der Gedanke der Eroberung Schlesiens Frie-
drtch dem Großen plötzlich gekommen, zurückgewiesen und dargethan, daß
dieser schon vor dem Ableben des Kaisers nicht sowohl die aussichtslose
jülich'sche Succesion als vielmehr Schlesien, mit dem die sächsischen
Könige von Polen ihre Kurlande zu verbinden wünschten, im Auge
hatte, und daß er für diesen Preis Oesterreich gegen die der pragmatischen
Sanction feindlichen Mächte zu unterstützen bereit war. daß man aber in
Wien andere Absichten verfolgte. Der siebente Aufsatz geht wieder in etwas
frühere Zeiten zurück, indem er uns mit dem im Wiener Vertrag von
1719 abgeschlossnen, von Georg dem Ersten von England angeregten Bünd¬
nisse Oesterreichs, Großbritanniens und Sachsen-Polens bekannt macht, welches
auf die Bekriegung und Verkleinerung Preußens für den Fall abzielte, daß
dieses der Erwerbung Mecklenburgs durch Hannover nicht zustimmen sollte --
ein Bündniß, welches nach wenigen Monaten sich auflößte, als nach dem Tode
Karls des Zwölften England den Beistand Preußens bedürfte, um den Frieden
zu Stande zu bringen. Die beiden andern Aufsätze sind nur für Historiker von
Fach bestimmt. Der eine gibt eine Charakteristik Pufendorfs, des Geschichts¬
schreibers Friedrich Wilhelms des großen Kurfürsten, der andere beschäftigt
sich mit der jültch'schen Erbfolgefrage, deren Phasen der Verfasser bei Be¬
trachtung einer dieselbe behandelnden Flugschrift, des Stralendorff'schen Gut¬
achtens, vor uns entwickelt. Alle diese Gegenstände sind mit dem Talente
für Auflösung und Klärung auch der verwickeltsten und dunkelsten Fragen


machte in jener Zeit zu den Umgestaltungen in Frankreich und Belgien so¬
wie zum Zollverein einnahmen. Ur. 2, „Preußen und das System der
Großmächte" betitelt, ist der Wiederabdruck einer 1849 erschienenen Flugschrift,
die durch die treffende und klare Darlegung, mit der sie schon damals das
nothwendige Programm der preußischen Politik in Betreff der deutschen Frage
aufstellte und entwickelte, in weiten Kreisen Sensation erregte. Die dritte
Abhandlung sodann, „Zur Geschichte der deutschen Partei in Deutschland"
behandelt eine Episode aus der Geschichte des Fürstenbundes und beleuchtet
vorzüglich den Einfluß, den Karl August von Weimar hier übte. Der
folgende Aufsatz: „Ein historischer Beitrag zur Lehre von den Congressen"
führt uns in die Zeit nach dem spanischen Erbfolgekriege zurück, wo die
Diplomatie an die Stelle der Entscheidung politischer Fragen durch Kriege,
die Entscheidung auf Congressen zu setzen bemüht war, was mit dem Auf¬
treten Friedrichs des Großen ein Ende nahm. Der nächstfolgende weist mit
Hülfe von Pariser Documenten nach, daß der bekannte Nymphenburger
Vertrag, angeblich 1741 zwischen Frankreich und Bayern abgeschlossen, niemals
existirt hat, sondern eine Fälschung ist. In der sechsten Abhandlung wird
die gewöhnliche Ansicht, als sei der Gedanke der Eroberung Schlesiens Frie-
drtch dem Großen plötzlich gekommen, zurückgewiesen und dargethan, daß
dieser schon vor dem Ableben des Kaisers nicht sowohl die aussichtslose
jülich'sche Succesion als vielmehr Schlesien, mit dem die sächsischen
Könige von Polen ihre Kurlande zu verbinden wünschten, im Auge
hatte, und daß er für diesen Preis Oesterreich gegen die der pragmatischen
Sanction feindlichen Mächte zu unterstützen bereit war. daß man aber in
Wien andere Absichten verfolgte. Der siebente Aufsatz geht wieder in etwas
frühere Zeiten zurück, indem er uns mit dem im Wiener Vertrag von
1719 abgeschlossnen, von Georg dem Ersten von England angeregten Bünd¬
nisse Oesterreichs, Großbritanniens und Sachsen-Polens bekannt macht, welches
auf die Bekriegung und Verkleinerung Preußens für den Fall abzielte, daß
dieses der Erwerbung Mecklenburgs durch Hannover nicht zustimmen sollte —
ein Bündniß, welches nach wenigen Monaten sich auflößte, als nach dem Tode
Karls des Zwölften England den Beistand Preußens bedürfte, um den Frieden
zu Stande zu bringen. Die beiden andern Aufsätze sind nur für Historiker von
Fach bestimmt. Der eine gibt eine Charakteristik Pufendorfs, des Geschichts¬
schreibers Friedrich Wilhelms des großen Kurfürsten, der andere beschäftigt
sich mit der jültch'schen Erbfolgefrage, deren Phasen der Verfasser bei Be¬
trachtung einer dieselbe behandelnden Flugschrift, des Stralendorff'schen Gut¬
achtens, vor uns entwickelt. Alle diese Gegenstände sind mit dem Talente
für Auflösung und Klärung auch der verwickeltsten und dunkelsten Fragen


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[0163] machte in jener Zeit zu den Umgestaltungen in Frankreich und Belgien so¬ wie zum Zollverein einnahmen. Ur. 2, „Preußen und das System der Großmächte" betitelt, ist der Wiederabdruck einer 1849 erschienenen Flugschrift, die durch die treffende und klare Darlegung, mit der sie schon damals das nothwendige Programm der preußischen Politik in Betreff der deutschen Frage aufstellte und entwickelte, in weiten Kreisen Sensation erregte. Die dritte Abhandlung sodann, „Zur Geschichte der deutschen Partei in Deutschland" behandelt eine Episode aus der Geschichte des Fürstenbundes und beleuchtet vorzüglich den Einfluß, den Karl August von Weimar hier übte. Der folgende Aufsatz: „Ein historischer Beitrag zur Lehre von den Congressen" führt uns in die Zeit nach dem spanischen Erbfolgekriege zurück, wo die Diplomatie an die Stelle der Entscheidung politischer Fragen durch Kriege, die Entscheidung auf Congressen zu setzen bemüht war, was mit dem Auf¬ treten Friedrichs des Großen ein Ende nahm. Der nächstfolgende weist mit Hülfe von Pariser Documenten nach, daß der bekannte Nymphenburger Vertrag, angeblich 1741 zwischen Frankreich und Bayern abgeschlossen, niemals existirt hat, sondern eine Fälschung ist. In der sechsten Abhandlung wird die gewöhnliche Ansicht, als sei der Gedanke der Eroberung Schlesiens Frie- drtch dem Großen plötzlich gekommen, zurückgewiesen und dargethan, daß dieser schon vor dem Ableben des Kaisers nicht sowohl die aussichtslose jülich'sche Succesion als vielmehr Schlesien, mit dem die sächsischen Könige von Polen ihre Kurlande zu verbinden wünschten, im Auge hatte, und daß er für diesen Preis Oesterreich gegen die der pragmatischen Sanction feindlichen Mächte zu unterstützen bereit war. daß man aber in Wien andere Absichten verfolgte. Der siebente Aufsatz geht wieder in etwas frühere Zeiten zurück, indem er uns mit dem im Wiener Vertrag von 1719 abgeschlossnen, von Georg dem Ersten von England angeregten Bünd¬ nisse Oesterreichs, Großbritanniens und Sachsen-Polens bekannt macht, welches auf die Bekriegung und Verkleinerung Preußens für den Fall abzielte, daß dieses der Erwerbung Mecklenburgs durch Hannover nicht zustimmen sollte — ein Bündniß, welches nach wenigen Monaten sich auflößte, als nach dem Tode Karls des Zwölften England den Beistand Preußens bedürfte, um den Frieden zu Stande zu bringen. Die beiden andern Aufsätze sind nur für Historiker von Fach bestimmt. Der eine gibt eine Charakteristik Pufendorfs, des Geschichts¬ schreibers Friedrich Wilhelms des großen Kurfürsten, der andere beschäftigt sich mit der jültch'schen Erbfolgefrage, deren Phasen der Verfasser bei Be¬ trachtung einer dieselbe behandelnden Flugschrift, des Stralendorff'schen Gut¬ achtens, vor uns entwickelt. Alle diese Gegenstände sind mit dem Talente für Auflösung und Klärung auch der verwickeltsten und dunkelsten Fragen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/163>, abgerufen am 16.05.2024.