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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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empfindet, wo er seine Ehre wieder gewinnt, wenn ihn die Zuversicht erfüllt,
daß auch der Kleinste und niedrigste ein Gegenstand der Liebe und der Ehre
Gottes sei. Auch nicht das Christenthum wendet sich gegen die Triebkraft
der wahren Ehre, sonst wäre es unbegreiflich, daß erst seit der christlichen
Zeit und nur in christlichen Ländern eine Lebens- und Naturfreude, ein frei-
hätiger Individualismus erwachte, wie er anderwärts nie lebendig war. Nicht
das Christenthum, sondern nur die mittelalterliche Form desselben, nur
die unvollkommnen Formen der Kirchen eiferten dagegen. Solche Verzerrungen
der Idee der Kleinheit des Menschen gegenüber dem Unendlichen, solche Mi߬
erscheinungen, wie die Entehrung des menschlichen Selbst in mittelalterlichen
Kasteiungen und Peinigungen, solche Carricaturen der Demuth wie sie ein
Pietismus gebar, kommen allerwärts vor, und finden sich noch gräßlicher in
orientalischen Religionen, namentlich den indischen. Und wenn im Hinblick
auf solche Verzerrungen Hartmann, Büchner und andere Christenthumsver¬
ächter sagen, die Ehre die das Christenthum gebe, indem es jedem Einzelnen
Fortdauer verspreche, erzeuge nur Hochmuth, und es sei vernünftiger und
sittlicher, sich demüthig zu bescheiden und des Aufhebens nicht werth zu achten,
sondern mit dem Nachruhm sich zu begnügen, so erscheint mir diese Demuth
noch widriger wie die des Pietismus, denn es ist eine Demuth hinter welcher
sich nur die Schriftstellereitelkeit verbirgt.

So wenig nach seinen idealistischen Vertretern der Materialismus, so
wenig ist nach seinen materialistischen Vertretern das Christenthum zu be¬
urtheilen. Ueber aller historisch gewordenen Wirklichkeit stehen als treibende
Mächte die Ideen, nach deren vollkommnerer Verwirklichung gerungen wird.
Ehre dem Menschen, der seine Ehre findet in der möglichst reinen Verwirk¬
lichung des Idealen! Ehre aber vor Allem unserem Lazarus, weil er die
sittliche Natur der Ehre nachwies, weil er sie als Wesensbestandtheil der
Seele erkannte und weil er hinwies, daß der Mensch erst zum Menschen
wird, wenn er mit seiner Ehre eine bleibende Werthschätzun g sicherringt!




Ale Sprengung des Felsenriffes "Keil Kate" im Kafen
von Kew-MorK.

Die Jngenieurwissenschasten haben mit der gewaltigen Entwickelung
aller übrigen Wissenschaften stetig Schritt gehalten. Die Fortschritte welche


empfindet, wo er seine Ehre wieder gewinnt, wenn ihn die Zuversicht erfüllt,
daß auch der Kleinste und niedrigste ein Gegenstand der Liebe und der Ehre
Gottes sei. Auch nicht das Christenthum wendet sich gegen die Triebkraft
der wahren Ehre, sonst wäre es unbegreiflich, daß erst seit der christlichen
Zeit und nur in christlichen Ländern eine Lebens- und Naturfreude, ein frei-
hätiger Individualismus erwachte, wie er anderwärts nie lebendig war. Nicht
das Christenthum, sondern nur die mittelalterliche Form desselben, nur
die unvollkommnen Formen der Kirchen eiferten dagegen. Solche Verzerrungen
der Idee der Kleinheit des Menschen gegenüber dem Unendlichen, solche Mi߬
erscheinungen, wie die Entehrung des menschlichen Selbst in mittelalterlichen
Kasteiungen und Peinigungen, solche Carricaturen der Demuth wie sie ein
Pietismus gebar, kommen allerwärts vor, und finden sich noch gräßlicher in
orientalischen Religionen, namentlich den indischen. Und wenn im Hinblick
auf solche Verzerrungen Hartmann, Büchner und andere Christenthumsver¬
ächter sagen, die Ehre die das Christenthum gebe, indem es jedem Einzelnen
Fortdauer verspreche, erzeuge nur Hochmuth, und es sei vernünftiger und
sittlicher, sich demüthig zu bescheiden und des Aufhebens nicht werth zu achten,
sondern mit dem Nachruhm sich zu begnügen, so erscheint mir diese Demuth
noch widriger wie die des Pietismus, denn es ist eine Demuth hinter welcher
sich nur die Schriftstellereitelkeit verbirgt.

So wenig nach seinen idealistischen Vertretern der Materialismus, so
wenig ist nach seinen materialistischen Vertretern das Christenthum zu be¬
urtheilen. Ueber aller historisch gewordenen Wirklichkeit stehen als treibende
Mächte die Ideen, nach deren vollkommnerer Verwirklichung gerungen wird.
Ehre dem Menschen, der seine Ehre findet in der möglichst reinen Verwirk¬
lichung des Idealen! Ehre aber vor Allem unserem Lazarus, weil er die
sittliche Natur der Ehre nachwies, weil er sie als Wesensbestandtheil der
Seele erkannte und weil er hinwies, daß der Mensch erst zum Menschen
wird, wenn er mit seiner Ehre eine bleibende Werthschätzun g sicherringt!




Ale Sprengung des Felsenriffes „Keil Kate" im Kafen
von Kew-MorK.

Die Jngenieurwissenschasten haben mit der gewaltigen Entwickelung
aller übrigen Wissenschaften stetig Schritt gehalten. Die Fortschritte welche


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[0236] empfindet, wo er seine Ehre wieder gewinnt, wenn ihn die Zuversicht erfüllt, daß auch der Kleinste und niedrigste ein Gegenstand der Liebe und der Ehre Gottes sei. Auch nicht das Christenthum wendet sich gegen die Triebkraft der wahren Ehre, sonst wäre es unbegreiflich, daß erst seit der christlichen Zeit und nur in christlichen Ländern eine Lebens- und Naturfreude, ein frei- hätiger Individualismus erwachte, wie er anderwärts nie lebendig war. Nicht das Christenthum, sondern nur die mittelalterliche Form desselben, nur die unvollkommnen Formen der Kirchen eiferten dagegen. Solche Verzerrungen der Idee der Kleinheit des Menschen gegenüber dem Unendlichen, solche Mi߬ erscheinungen, wie die Entehrung des menschlichen Selbst in mittelalterlichen Kasteiungen und Peinigungen, solche Carricaturen der Demuth wie sie ein Pietismus gebar, kommen allerwärts vor, und finden sich noch gräßlicher in orientalischen Religionen, namentlich den indischen. Und wenn im Hinblick auf solche Verzerrungen Hartmann, Büchner und andere Christenthumsver¬ ächter sagen, die Ehre die das Christenthum gebe, indem es jedem Einzelnen Fortdauer verspreche, erzeuge nur Hochmuth, und es sei vernünftiger und sittlicher, sich demüthig zu bescheiden und des Aufhebens nicht werth zu achten, sondern mit dem Nachruhm sich zu begnügen, so erscheint mir diese Demuth noch widriger wie die des Pietismus, denn es ist eine Demuth hinter welcher sich nur die Schriftstellereitelkeit verbirgt. So wenig nach seinen idealistischen Vertretern der Materialismus, so wenig ist nach seinen materialistischen Vertretern das Christenthum zu be¬ urtheilen. Ueber aller historisch gewordenen Wirklichkeit stehen als treibende Mächte die Ideen, nach deren vollkommnerer Verwirklichung gerungen wird. Ehre dem Menschen, der seine Ehre findet in der möglichst reinen Verwirk¬ lichung des Idealen! Ehre aber vor Allem unserem Lazarus, weil er die sittliche Natur der Ehre nachwies, weil er sie als Wesensbestandtheil der Seele erkannte und weil er hinwies, daß der Mensch erst zum Menschen wird, wenn er mit seiner Ehre eine bleibende Werthschätzun g sicherringt! Ale Sprengung des Felsenriffes „Keil Kate" im Kafen von Kew-MorK. Die Jngenieurwissenschasten haben mit der gewaltigen Entwickelung aller übrigen Wissenschaften stetig Schritt gehalten. Die Fortschritte welche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/236>, abgerufen am 29.04.2024.