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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Das Felsenjoch des Hell Gale, des lang gefürchteten, war gesprengt,
und kein Menschenleben, kein einziges eingestürztes Haus, ja kaum hundert zer¬
brochene Fensterscheiben waren zu beklagen. -- Die Welt ist um einen großen
Erfolg ausdauernden Fleißes und umsichtigen Schaffens reicher. -- Noch ein
Jahr lang wird die Arbeit dauern, die losen Felsentrümmer des früheren
Höllenthors aus der Tiefe zu winden und ganz zu entfernen, so daß vielleicht
schon nach einem Menschenalter von den Schrecken Hellgates nur noch wie
von einer Sage längst vergangener Zeiten gesprochen werden wird.


Rich. Bl.


Literatur.
Preußen am Abschlüsse der ersten Hälfte des neunzehnten Jahr¬
hunderts. Geschichtliche, culturhistorische, politische und statistische
Rückblicke auf das Jahr 1849. Von Ferdinand Fischer.
Berlin, Verlag von G. Reimer. 1876.

An die Ereignisse des Jahres 1849 anknüpfend, schildert dieses Buch
(833 Seiten stark) Preußen, wie es sich bis zu jenem Jahre im Innern ge¬
staltet hatte, sein Culturleben, seine politische Verfassung, sein Verhältniß zu
Deutschland und seine Aussichten in die Zukunft. Jenes Jahr war ein
epochemachendes, indem während desselben die Annahme der octroyirten Ver¬
fassung dem Staate ein neues Fundament gab, und indem die Dynastie durch
das königliche Wort vom 15. Mai offen und ausdrücklich die Verpflichtung
übernahm, nach einem deutschen Einheitsstaats zu streben. Es brachte nach
langjährigem Sehnen und Ringen eine konstitutionelle Verfassung und
eröffnete dadurch zugleich für ganz Deutschland einen neuen Zeitabschnitt mit
anderen Kämpfen und Zielen als den bisherigen. Die Parteibestrebungen
der Gegenwart sind wesentlich andere als die vor einem Vierteljahrhundert,
die Parteileidenschaften von 1849 haben sich längst beruhigt, und so hat der
Verfasser Recht, wenn er meint, daß eine objective Auffassung des damals Er¬
strebten und Geschehenen jetzt möglich sei. Dieser objectiven Auffassung be¬
gegnen wir denn in seiner Darstellung der Dinge und Menschen allenthalben,
und wenn sein Buch selbstverständlich eine Anzahl von Vorgängen, die ihre
Wurzeln in den höheren Sphären des Hofes und der Diplomatie haben, un¬
aufgeklärt läßt, so ist es doch eine sehr dankenswerte Erinnerung an die-


Das Felsenjoch des Hell Gale, des lang gefürchteten, war gesprengt,
und kein Menschenleben, kein einziges eingestürztes Haus, ja kaum hundert zer¬
brochene Fensterscheiben waren zu beklagen. — Die Welt ist um einen großen
Erfolg ausdauernden Fleißes und umsichtigen Schaffens reicher. — Noch ein
Jahr lang wird die Arbeit dauern, die losen Felsentrümmer des früheren
Höllenthors aus der Tiefe zu winden und ganz zu entfernen, so daß vielleicht
schon nach einem Menschenalter von den Schrecken Hellgates nur noch wie
von einer Sage längst vergangener Zeiten gesprochen werden wird.


Rich. Bl.


Literatur.
Preußen am Abschlüsse der ersten Hälfte des neunzehnten Jahr¬
hunderts. Geschichtliche, culturhistorische, politische und statistische
Rückblicke auf das Jahr 1849. Von Ferdinand Fischer.
Berlin, Verlag von G. Reimer. 1876.

An die Ereignisse des Jahres 1849 anknüpfend, schildert dieses Buch
(833 Seiten stark) Preußen, wie es sich bis zu jenem Jahre im Innern ge¬
staltet hatte, sein Culturleben, seine politische Verfassung, sein Verhältniß zu
Deutschland und seine Aussichten in die Zukunft. Jenes Jahr war ein
epochemachendes, indem während desselben die Annahme der octroyirten Ver¬
fassung dem Staate ein neues Fundament gab, und indem die Dynastie durch
das königliche Wort vom 15. Mai offen und ausdrücklich die Verpflichtung
übernahm, nach einem deutschen Einheitsstaats zu streben. Es brachte nach
langjährigem Sehnen und Ringen eine konstitutionelle Verfassung und
eröffnete dadurch zugleich für ganz Deutschland einen neuen Zeitabschnitt mit
anderen Kämpfen und Zielen als den bisherigen. Die Parteibestrebungen
der Gegenwart sind wesentlich andere als die vor einem Vierteljahrhundert,
die Parteileidenschaften von 1849 haben sich längst beruhigt, und so hat der
Verfasser Recht, wenn er meint, daß eine objective Auffassung des damals Er¬
strebten und Geschehenen jetzt möglich sei. Dieser objectiven Auffassung be¬
gegnen wir denn in seiner Darstellung der Dinge und Menschen allenthalben,
und wenn sein Buch selbstverständlich eine Anzahl von Vorgängen, die ihre
Wurzeln in den höheren Sphären des Hofes und der Diplomatie haben, un¬
aufgeklärt läßt, so ist es doch eine sehr dankenswerte Erinnerung an die-


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[0242] Das Felsenjoch des Hell Gale, des lang gefürchteten, war gesprengt, und kein Menschenleben, kein einziges eingestürztes Haus, ja kaum hundert zer¬ brochene Fensterscheiben waren zu beklagen. — Die Welt ist um einen großen Erfolg ausdauernden Fleißes und umsichtigen Schaffens reicher. — Noch ein Jahr lang wird die Arbeit dauern, die losen Felsentrümmer des früheren Höllenthors aus der Tiefe zu winden und ganz zu entfernen, so daß vielleicht schon nach einem Menschenalter von den Schrecken Hellgates nur noch wie von einer Sage längst vergangener Zeiten gesprochen werden wird. Rich. Bl. Literatur. Preußen am Abschlüsse der ersten Hälfte des neunzehnten Jahr¬ hunderts. Geschichtliche, culturhistorische, politische und statistische Rückblicke auf das Jahr 1849. Von Ferdinand Fischer. Berlin, Verlag von G. Reimer. 1876. An die Ereignisse des Jahres 1849 anknüpfend, schildert dieses Buch (833 Seiten stark) Preußen, wie es sich bis zu jenem Jahre im Innern ge¬ staltet hatte, sein Culturleben, seine politische Verfassung, sein Verhältniß zu Deutschland und seine Aussichten in die Zukunft. Jenes Jahr war ein epochemachendes, indem während desselben die Annahme der octroyirten Ver¬ fassung dem Staate ein neues Fundament gab, und indem die Dynastie durch das königliche Wort vom 15. Mai offen und ausdrücklich die Verpflichtung übernahm, nach einem deutschen Einheitsstaats zu streben. Es brachte nach langjährigem Sehnen und Ringen eine konstitutionelle Verfassung und eröffnete dadurch zugleich für ganz Deutschland einen neuen Zeitabschnitt mit anderen Kämpfen und Zielen als den bisherigen. Die Parteibestrebungen der Gegenwart sind wesentlich andere als die vor einem Vierteljahrhundert, die Parteileidenschaften von 1849 haben sich längst beruhigt, und so hat der Verfasser Recht, wenn er meint, daß eine objective Auffassung des damals Er¬ strebten und Geschehenen jetzt möglich sei. Dieser objectiven Auffassung be¬ gegnen wir denn in seiner Darstellung der Dinge und Menschen allenthalben, und wenn sein Buch selbstverständlich eine Anzahl von Vorgängen, die ihre Wurzeln in den höheren Sphären des Hofes und der Diplomatie haben, un¬ aufgeklärt läßt, so ist es doch eine sehr dankenswerte Erinnerung an die-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/242>, abgerufen am 29.04.2024.