Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Paulus Diaconus von Felix Dahn. 1. Abtheilung. Des Paulus Diaconus
Leben und Schriften. Leipzig, Verlag von Breitkopf und Härtel. 1876.

Diese Schrift beginnt eine Reihe "Langobardischer Studien", die sich
dem Verfasser bei den Vorarbeiten zur Geschichte und Verfassung der Lango¬
barden in der Gesamtdarstellung des germanischen Königthums nothwendig
gemacht haben, und trägt einen vorwiegend polemischen Charakter. Die bis¬
herige Forschung über Paul schloß mit den Aufsätzen Bethmann's in Pertz'
Archiv ab. Auch unsere Abhandlung geht von ihnen aus, gelangt aber in
vielen Einzelnheiten zu andern Ergebnissen, wie sie denn z. B. für eine große
Anzahl der von Bethmann dem Paulus zugeschriebenen Schriften die Uner-
weislichkeit der Verfasserschaft darthut. Die vorliegende Untersuchung weicht
zunächst darin von der Bethmann'schen ab, daß sie den Begriff "Quellen"
anders als diese versteht, d. h. nicht der Methode folgt, "späte, durch Jahr¬
hunderte von Paul getrennte Ueberlieferungen als Quellen zu verwerthen,
während sie doch nur eine durch Sage, Gelehrtenfabel und Localpatriotismus
bewußt und unbewußt getrübte Literatur heißen dürfen. Was im dreizehnten
Jahrhundert Alberich, im zwölften Sigebert, zu Ende des zehnten der Saler-
nitaner über Paul schrieben, hat keine größere Glaubwürdigkeit, als was
die Literatur des siebzehnten Jahrhunderts aussagt; denn an mündliche ge¬
schichtliche Ueberlieferung neben den gleichzeitigen Schriftquellen ist nicht zu
denken; das Mündliche wird schon Mitte des neunten Jahrhunderts Sage
und Dichtung, mit den gleichzeitigen Zeugnissen endigen die "Quellen." Der
zweite Fehler Bethmann's bestand darin, daß er bei Ueberlieferungen der
Sage oder Kunstdichtung nach Abzug des gar zu handgreiflich Erfundenen
und Abenteuerlichen den Rest für Geschichte ansah, und auch gegen dieses
Verfahren hatte die vorliegende Abhandlung Einspruch zu thun und seine
irrthümlichen Ergebnisse als solche zu bezeichnen. Häufig mußte es bet dieser
bloßen Negation der Annahmen Bethmann's bleiben, weil die Quellen nichts
Positives ergeben. Aber es wäre willkommen zu heißen gewesen, wenn der
Verfasser am Schlüsse seiner Untersuchung aus dem, was wirklich über den
Geschichtschreiber der Langobarden feststeht, ein Bild zusammengestellt hätte.
Wie die Sache steht, liegen die Materialien zu einem solchem zu weit aus¬
einander. Dankenswert!) ist der die Schrift beschließende Abdruck der kleinen
Gedichte und Briefe von und an Paul, die bisher nach allen Richtungen hin
zerstreut waren.




Verantwortlicher Redakteur: or. Haus Blum in Leipzig.
Verlag von M. L. Hrrvia in Leipzig, -- Druck von Hüthel " Herrmonn in vcivzia-
Paulus Diaconus von Felix Dahn. 1. Abtheilung. Des Paulus Diaconus
Leben und Schriften. Leipzig, Verlag von Breitkopf und Härtel. 1876.

Diese Schrift beginnt eine Reihe „Langobardischer Studien", die sich
dem Verfasser bei den Vorarbeiten zur Geschichte und Verfassung der Lango¬
barden in der Gesamtdarstellung des germanischen Königthums nothwendig
gemacht haben, und trägt einen vorwiegend polemischen Charakter. Die bis¬
herige Forschung über Paul schloß mit den Aufsätzen Bethmann's in Pertz'
Archiv ab. Auch unsere Abhandlung geht von ihnen aus, gelangt aber in
vielen Einzelnheiten zu andern Ergebnissen, wie sie denn z. B. für eine große
Anzahl der von Bethmann dem Paulus zugeschriebenen Schriften die Uner-
weislichkeit der Verfasserschaft darthut. Die vorliegende Untersuchung weicht
zunächst darin von der Bethmann'schen ab, daß sie den Begriff „Quellen"
anders als diese versteht, d. h. nicht der Methode folgt, „späte, durch Jahr¬
hunderte von Paul getrennte Ueberlieferungen als Quellen zu verwerthen,
während sie doch nur eine durch Sage, Gelehrtenfabel und Localpatriotismus
bewußt und unbewußt getrübte Literatur heißen dürfen. Was im dreizehnten
Jahrhundert Alberich, im zwölften Sigebert, zu Ende des zehnten der Saler-
nitaner über Paul schrieben, hat keine größere Glaubwürdigkeit, als was
die Literatur des siebzehnten Jahrhunderts aussagt; denn an mündliche ge¬
schichtliche Ueberlieferung neben den gleichzeitigen Schriftquellen ist nicht zu
denken; das Mündliche wird schon Mitte des neunten Jahrhunderts Sage
und Dichtung, mit den gleichzeitigen Zeugnissen endigen die „Quellen." Der
zweite Fehler Bethmann's bestand darin, daß er bei Ueberlieferungen der
Sage oder Kunstdichtung nach Abzug des gar zu handgreiflich Erfundenen
und Abenteuerlichen den Rest für Geschichte ansah, und auch gegen dieses
Verfahren hatte die vorliegende Abhandlung Einspruch zu thun und seine
irrthümlichen Ergebnisse als solche zu bezeichnen. Häufig mußte es bet dieser
bloßen Negation der Annahmen Bethmann's bleiben, weil die Quellen nichts
Positives ergeben. Aber es wäre willkommen zu heißen gewesen, wenn der
Verfasser am Schlüsse seiner Untersuchung aus dem, was wirklich über den
Geschichtschreiber der Langobarden feststeht, ein Bild zusammengestellt hätte.
Wie die Sache steht, liegen die Materialien zu einem solchem zu weit aus¬
einander. Dankenswert!) ist der die Schrift beschließende Abdruck der kleinen
Gedichte und Briefe von und an Paul, die bisher nach allen Richtungen hin
zerstreut waren.




Verantwortlicher Redakteur: or. Haus Blum in Leipzig.
Verlag von M. L. Hrrvia in Leipzig, — Druck von Hüthel « Herrmonn in vcivzia-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0244" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/136883"/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Paulus Diaconus von Felix Dahn.  1. Abtheilung. Des Paulus Diaconus<lb/>
Leben und Schriften.  Leipzig, Verlag von Breitkopf und Härtel. 1876.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_684"> Diese Schrift beginnt eine Reihe &#x201E;Langobardischer Studien", die sich<lb/>
dem Verfasser bei den Vorarbeiten zur Geschichte und Verfassung der Lango¬<lb/>
barden in der Gesamtdarstellung des germanischen Königthums nothwendig<lb/>
gemacht haben, und trägt einen vorwiegend polemischen Charakter. Die bis¬<lb/>
herige Forschung über Paul schloß mit den Aufsätzen Bethmann's in Pertz'<lb/>
Archiv ab. Auch unsere Abhandlung geht von ihnen aus, gelangt aber in<lb/>
vielen Einzelnheiten zu andern Ergebnissen, wie sie denn z. B. für eine große<lb/>
Anzahl der von Bethmann dem Paulus zugeschriebenen Schriften die Uner-<lb/>
weislichkeit der Verfasserschaft darthut. Die vorliegende Untersuchung weicht<lb/>
zunächst darin von der Bethmann'schen ab, daß sie den Begriff &#x201E;Quellen"<lb/>
anders als diese versteht, d. h. nicht der Methode folgt, &#x201E;späte, durch Jahr¬<lb/>
hunderte von Paul getrennte Ueberlieferungen als Quellen zu verwerthen,<lb/>
während sie doch nur eine durch Sage, Gelehrtenfabel und Localpatriotismus<lb/>
bewußt und unbewußt getrübte Literatur heißen dürfen. Was im dreizehnten<lb/>
Jahrhundert Alberich, im zwölften Sigebert, zu Ende des zehnten der Saler-<lb/>
nitaner über Paul schrieben, hat keine größere Glaubwürdigkeit, als was<lb/>
die Literatur des siebzehnten Jahrhunderts aussagt; denn an mündliche ge¬<lb/>
schichtliche Ueberlieferung neben den gleichzeitigen Schriftquellen ist nicht zu<lb/>
denken; das Mündliche wird schon Mitte des neunten Jahrhunderts Sage<lb/>
und Dichtung, mit den gleichzeitigen Zeugnissen endigen die &#x201E;Quellen." Der<lb/>
zweite Fehler Bethmann's bestand darin, daß er bei Ueberlieferungen der<lb/>
Sage oder Kunstdichtung nach Abzug des gar zu handgreiflich Erfundenen<lb/>
und Abenteuerlichen den Rest für Geschichte ansah, und auch gegen dieses<lb/>
Verfahren hatte die vorliegende Abhandlung Einspruch zu thun und seine<lb/>
irrthümlichen Ergebnisse als solche zu bezeichnen. Häufig mußte es bet dieser<lb/>
bloßen Negation der Annahmen Bethmann's bleiben, weil die Quellen nichts<lb/>
Positives ergeben. Aber es wäre willkommen zu heißen gewesen, wenn der<lb/>
Verfasser am Schlüsse seiner Untersuchung aus dem, was wirklich über den<lb/>
Geschichtschreiber der Langobarden feststeht, ein Bild zusammengestellt hätte.<lb/>
Wie die Sache steht, liegen die Materialien zu einem solchem zu weit aus¬<lb/>
einander. Dankenswert!) ist der die Schrift beschließende Abdruck der kleinen<lb/>
Gedichte und Briefe von und an Paul, die bisher nach allen Richtungen hin<lb/>
zerstreut waren.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <note type="byline"> Verantwortlicher Redakteur: or. Haus Blum in Leipzig.<lb/>
Verlag von M. L. Hrrvia in Leipzig, &#x2014; Druck von Hüthel « Herrmonn in vcivzia-</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0244] Paulus Diaconus von Felix Dahn. 1. Abtheilung. Des Paulus Diaconus Leben und Schriften. Leipzig, Verlag von Breitkopf und Härtel. 1876. Diese Schrift beginnt eine Reihe „Langobardischer Studien", die sich dem Verfasser bei den Vorarbeiten zur Geschichte und Verfassung der Lango¬ barden in der Gesamtdarstellung des germanischen Königthums nothwendig gemacht haben, und trägt einen vorwiegend polemischen Charakter. Die bis¬ herige Forschung über Paul schloß mit den Aufsätzen Bethmann's in Pertz' Archiv ab. Auch unsere Abhandlung geht von ihnen aus, gelangt aber in vielen Einzelnheiten zu andern Ergebnissen, wie sie denn z. B. für eine große Anzahl der von Bethmann dem Paulus zugeschriebenen Schriften die Uner- weislichkeit der Verfasserschaft darthut. Die vorliegende Untersuchung weicht zunächst darin von der Bethmann'schen ab, daß sie den Begriff „Quellen" anders als diese versteht, d. h. nicht der Methode folgt, „späte, durch Jahr¬ hunderte von Paul getrennte Ueberlieferungen als Quellen zu verwerthen, während sie doch nur eine durch Sage, Gelehrtenfabel und Localpatriotismus bewußt und unbewußt getrübte Literatur heißen dürfen. Was im dreizehnten Jahrhundert Alberich, im zwölften Sigebert, zu Ende des zehnten der Saler- nitaner über Paul schrieben, hat keine größere Glaubwürdigkeit, als was die Literatur des siebzehnten Jahrhunderts aussagt; denn an mündliche ge¬ schichtliche Ueberlieferung neben den gleichzeitigen Schriftquellen ist nicht zu denken; das Mündliche wird schon Mitte des neunten Jahrhunderts Sage und Dichtung, mit den gleichzeitigen Zeugnissen endigen die „Quellen." Der zweite Fehler Bethmann's bestand darin, daß er bei Ueberlieferungen der Sage oder Kunstdichtung nach Abzug des gar zu handgreiflich Erfundenen und Abenteuerlichen den Rest für Geschichte ansah, und auch gegen dieses Verfahren hatte die vorliegende Abhandlung Einspruch zu thun und seine irrthümlichen Ergebnisse als solche zu bezeichnen. Häufig mußte es bet dieser bloßen Negation der Annahmen Bethmann's bleiben, weil die Quellen nichts Positives ergeben. Aber es wäre willkommen zu heißen gewesen, wenn der Verfasser am Schlüsse seiner Untersuchung aus dem, was wirklich über den Geschichtschreiber der Langobarden feststeht, ein Bild zusammengestellt hätte. Wie die Sache steht, liegen die Materialien zu einem solchem zu weit aus¬ einander. Dankenswert!) ist der die Schrift beschließende Abdruck der kleinen Gedichte und Briefe von und an Paul, die bisher nach allen Richtungen hin zerstreut waren. Verantwortlicher Redakteur: or. Haus Blum in Leipzig. Verlag von M. L. Hrrvia in Leipzig, — Druck von Hüthel « Herrmonn in vcivzia-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/244
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/244>, abgerufen am 29.04.2024.