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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Die Versicherung des Ministers Hofmann in der dritten Sitzung des
Deutschen Reichstages, daß durch die beabsichtigte Reorganisation einzelner
Abtheilungen des Reichskanzleramtes die Verwaltung Elsaß-Lothringens in
keiner Weise berührt werde, hat hier die in Folge der an die betreffende Denk¬
schrift angeknüpften Discussion in zahlreichen Preßorganen erzeugte Aufregung
einigermaßen beschwichtigt. War doch von nichts Geringerem die Rede, als
von der Schöpfung eines elsaß-lothringischen Ministeriums in Berlin. Das
sollte nach der Ansicht des "Elsässer Journals" und seiner Anhänger die
nothwendige direkte oder indirekte Folge jener Reorganisation der obersten
Reichsämter sein.

Das genannte Blatt hat diesem Gegenstande und seiner Ausführung in
jüngster Zeit eine ganze Serie von Artikeln gewidmet und will sich auch heute
noch nicht von seiner jedenfalls irrigen Ansicht trotz jener bündigen Erklärung
bekehren. In einem dieser Artikel wird sogar die etwas bedenkliche Theorie
und sicherlich frühreife Idee eines neuen Particular-Staates Elsaß-Lothringen
allen Ernstes vertreten und vertheidigt. Wir glauben mit gutem Grunde
bezweifeln zu dürfen, daß die darin ausgesprochene Politik mit den Be¬
strebungen und Ansichten der Mehrheit der altelsässtsch-liberalen Partei, wie
sich namentlich im "Landesausschusse" vertreten findet, harmonirt. Welche
Art Verfassung dieser neue Kleinstaat haben soll, -- ob eine monarchische
"der demokratisch . republikanische -- darüber ist man sich denn auch wohl
"°es nicht recht klar in jenem Lager.

Jedenfalls aber erstrebt man vorläufig ziemlich allgemein im Lande eine
Süßere Dezentralisation und Unabhängigkeit von den Berliner Bureau's.
Und diese Tendenz ist den Elsaß-Lothringern, wenn sie in vernünftiger Weise
^n Tage tritt, kaum zu verdenken. Selbst ein maßgebender Theil der überrhei-
"löcher liberalen Presse kann nicht umhin, dieses Streben in seinem Princip
^kommen gerechtfertigt zu finden. Entspricht es doch der deutschen Anschau¬
ung in diesem Punkte und althergebrachten Traditionen, wie sie mehr oder
^niger in allen deutschen Ländern und Provinzen maßgebend sind. Natürlich
M es dabei, Maß und Ziel zu halten und in dem Streben nach Reformen
'"l Einzelnen nicht das allgemeine Wohl aus dem Auge zu verlieren.

Hand in Hand geht damit die gewiß ebenso berechtigte Agitation für
°le Erweiterung der Befugnisse des L antes" Ausschuss es. Es ist der
sehnlichste und schon wiederholt ausgesprochene Wunsch aller Elsässer, denen
"^n in diesen Dingen ein competentes Urtheil zutrauen darf, möglichst bald
"us ihrem parlamentarischen Embryo sich eine wirkliche und ordentliche


Grenzl'oder lo. 187". 44

Die Versicherung des Ministers Hofmann in der dritten Sitzung des
Deutschen Reichstages, daß durch die beabsichtigte Reorganisation einzelner
Abtheilungen des Reichskanzleramtes die Verwaltung Elsaß-Lothringens in
keiner Weise berührt werde, hat hier die in Folge der an die betreffende Denk¬
schrift angeknüpften Discussion in zahlreichen Preßorganen erzeugte Aufregung
einigermaßen beschwichtigt. War doch von nichts Geringerem die Rede, als
von der Schöpfung eines elsaß-lothringischen Ministeriums in Berlin. Das
sollte nach der Ansicht des „Elsässer Journals" und seiner Anhänger die
nothwendige direkte oder indirekte Folge jener Reorganisation der obersten
Reichsämter sein.

Das genannte Blatt hat diesem Gegenstande und seiner Ausführung in
jüngster Zeit eine ganze Serie von Artikeln gewidmet und will sich auch heute
noch nicht von seiner jedenfalls irrigen Ansicht trotz jener bündigen Erklärung
bekehren. In einem dieser Artikel wird sogar die etwas bedenkliche Theorie
und sicherlich frühreife Idee eines neuen Particular-Staates Elsaß-Lothringen
allen Ernstes vertreten und vertheidigt. Wir glauben mit gutem Grunde
bezweifeln zu dürfen, daß die darin ausgesprochene Politik mit den Be¬
strebungen und Ansichten der Mehrheit der altelsässtsch-liberalen Partei, wie
sich namentlich im „Landesausschusse" vertreten findet, harmonirt. Welche
Art Verfassung dieser neue Kleinstaat haben soll, — ob eine monarchische
"der demokratisch . republikanische — darüber ist man sich denn auch wohl
"°es nicht recht klar in jenem Lager.

Jedenfalls aber erstrebt man vorläufig ziemlich allgemein im Lande eine
Süßere Dezentralisation und Unabhängigkeit von den Berliner Bureau's.
Und diese Tendenz ist den Elsaß-Lothringern, wenn sie in vernünftiger Weise
^n Tage tritt, kaum zu verdenken. Selbst ein maßgebender Theil der überrhei-
"löcher liberalen Presse kann nicht umhin, dieses Streben in seinem Princip
^kommen gerechtfertigt zu finden. Entspricht es doch der deutschen Anschau¬
ung in diesem Punkte und althergebrachten Traditionen, wie sie mehr oder
^niger in allen deutschen Ländern und Provinzen maßgebend sind. Natürlich
M es dabei, Maß und Ziel zu halten und in dem Streben nach Reformen
'"l Einzelnen nicht das allgemeine Wohl aus dem Auge zu verlieren.

Hand in Hand geht damit die gewiß ebenso berechtigte Agitation für
°le Erweiterung der Befugnisse des L antes» Ausschuss es. Es ist der
sehnlichste und schon wiederholt ausgesprochene Wunsch aller Elsässer, denen
"^n in diesen Dingen ein competentes Urtheil zutrauen darf, möglichst bald
"us ihrem parlamentarischen Embryo sich eine wirkliche und ordentliche


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[0349] Die Versicherung des Ministers Hofmann in der dritten Sitzung des Deutschen Reichstages, daß durch die beabsichtigte Reorganisation einzelner Abtheilungen des Reichskanzleramtes die Verwaltung Elsaß-Lothringens in keiner Weise berührt werde, hat hier die in Folge der an die betreffende Denk¬ schrift angeknüpften Discussion in zahlreichen Preßorganen erzeugte Aufregung einigermaßen beschwichtigt. War doch von nichts Geringerem die Rede, als von der Schöpfung eines elsaß-lothringischen Ministeriums in Berlin. Das sollte nach der Ansicht des „Elsässer Journals" und seiner Anhänger die nothwendige direkte oder indirekte Folge jener Reorganisation der obersten Reichsämter sein. Das genannte Blatt hat diesem Gegenstande und seiner Ausführung in jüngster Zeit eine ganze Serie von Artikeln gewidmet und will sich auch heute noch nicht von seiner jedenfalls irrigen Ansicht trotz jener bündigen Erklärung bekehren. In einem dieser Artikel wird sogar die etwas bedenkliche Theorie und sicherlich frühreife Idee eines neuen Particular-Staates Elsaß-Lothringen allen Ernstes vertreten und vertheidigt. Wir glauben mit gutem Grunde bezweifeln zu dürfen, daß die darin ausgesprochene Politik mit den Be¬ strebungen und Ansichten der Mehrheit der altelsässtsch-liberalen Partei, wie sich namentlich im „Landesausschusse" vertreten findet, harmonirt. Welche Art Verfassung dieser neue Kleinstaat haben soll, — ob eine monarchische "der demokratisch . republikanische — darüber ist man sich denn auch wohl "°es nicht recht klar in jenem Lager. Jedenfalls aber erstrebt man vorläufig ziemlich allgemein im Lande eine Süßere Dezentralisation und Unabhängigkeit von den Berliner Bureau's. Und diese Tendenz ist den Elsaß-Lothringern, wenn sie in vernünftiger Weise ^n Tage tritt, kaum zu verdenken. Selbst ein maßgebender Theil der überrhei- "löcher liberalen Presse kann nicht umhin, dieses Streben in seinem Princip ^kommen gerechtfertigt zu finden. Entspricht es doch der deutschen Anschau¬ ung in diesem Punkte und althergebrachten Traditionen, wie sie mehr oder ^niger in allen deutschen Ländern und Provinzen maßgebend sind. Natürlich M es dabei, Maß und Ziel zu halten und in dem Streben nach Reformen '"l Einzelnen nicht das allgemeine Wohl aus dem Auge zu verlieren. Hand in Hand geht damit die gewiß ebenso berechtigte Agitation für °le Erweiterung der Befugnisse des L antes» Ausschuss es. Es ist der sehnlichste und schon wiederholt ausgesprochene Wunsch aller Elsässer, denen "^n in diesen Dingen ein competentes Urtheil zutrauen darf, möglichst bald "us ihrem parlamentarischen Embryo sich eine wirkliche und ordentliche Grenzl'oder lo. 187«. 44

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/349>, abgerufen am 29.04.2024.