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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Wenn es den betreffenden Candidaten höflichst empfiehlt, bet ihren Penaten
zu bleiben. --

Die Weinernte -- um auch darüber zum Schluß noch ein Wörtchen
hinzu zu fügen -- ist seit Eintritt der kalten Witterung so ziemlich in allen
Cantonen des Elsasses und Lothringens beendet. Sie ist etwas besser und
reichlicher ausgefallen, als man anfangs, beispielsweise noch im September
^ches Jahres erwartete, übersteigt jedoch nicht das Maß einer Drittelsernte
Mittlerer Qualität. Das vorige Weinjahr war unbedingt ein in Bezug auf
Qualität und Qantität weit ergiebigeres, als das heurige. Doch kann man
ohne allzu übertriebene Ansprüche sich auch mit dem 1876er "Neuen" zufrieden
erklären.




Herbstliche Aeiseglossen.
i.

"Wann soll man reisen?" Unsere Bädeker. Berlepsch u. s. w. lehren
uns mit dankenswerther Beflissenheit, wie wir am zweckmäßigsten reisen;
über das Wann" schweigen sie. Es ist ja selbstverständlich; man reist
eben in der ..schönen Jahreszeit." Aber welches ist diese? Die Poesie be¬
hauptet: der Frühling, die prosaische Praxis entscheidet sich für den Sommer ;
wer's machen kann.' benutzt beide. Zwar wird der fromme Glaube auf
manche harte Probe gestellt. Welcher Bewohner norddeutscher Städte hatte
nie am lieblichen Pfingstfest im Harz oder im Thüringer Walde, in der
Sächsischen Schweiz oder im Riesengebirge das Lied vom "wunderschönen
Wtonat Mai" gesungen, derweil er hinter dem warmen Ofen der Waldschenke
die erstarrten Glieder mit heilsamem Grog wieder zu beleben bemüht war!
ner hätte nie in den Hundstagen das unbändige Vergnügen genossen, auf
^ Höhe des Rigi Tage. ja. wenn er's aushielt, Wochen lang im frostigen
^bel zu sitzen, das Berner Oberland, die Gotthardstraße. das Engadin bei
°ndlos strömendem Regen, wenn nicht im Schneegestöber, zu durchfliegen!
Aber gereist muß werden, denn mit der Tag- und Nachtgleiche des September
^ es nach allgemeiner Uebereinstimmung mit der "schönen Jahreszeit" un¬
widerruflich zu Ende.

Beklagenswert!) der Mann, den harte Pflicht in den Dunstkreis der
Großstadt gebannt, bis die Sonne den Erdgebornen die Strahlen bereits


Wenn es den betreffenden Candidaten höflichst empfiehlt, bet ihren Penaten
zu bleiben. —

Die Weinernte — um auch darüber zum Schluß noch ein Wörtchen
hinzu zu fügen — ist seit Eintritt der kalten Witterung so ziemlich in allen
Cantonen des Elsasses und Lothringens beendet. Sie ist etwas besser und
reichlicher ausgefallen, als man anfangs, beispielsweise noch im September
^ches Jahres erwartete, übersteigt jedoch nicht das Maß einer Drittelsernte
Mittlerer Qualität. Das vorige Weinjahr war unbedingt ein in Bezug auf
Qualität und Qantität weit ergiebigeres, als das heurige. Doch kann man
ohne allzu übertriebene Ansprüche sich auch mit dem 1876er „Neuen" zufrieden
erklären.




Herbstliche Aeiseglossen.
i.

„Wann soll man reisen?" Unsere Bädeker. Berlepsch u. s. w. lehren
uns mit dankenswerther Beflissenheit, wie wir am zweckmäßigsten reisen;
über das Wann" schweigen sie. Es ist ja selbstverständlich; man reist
eben in der ..schönen Jahreszeit." Aber welches ist diese? Die Poesie be¬
hauptet: der Frühling, die prosaische Praxis entscheidet sich für den Sommer ;
wer's machen kann.' benutzt beide. Zwar wird der fromme Glaube auf
manche harte Probe gestellt. Welcher Bewohner norddeutscher Städte hatte
nie am lieblichen Pfingstfest im Harz oder im Thüringer Walde, in der
Sächsischen Schweiz oder im Riesengebirge das Lied vom „wunderschönen
Wtonat Mai" gesungen, derweil er hinter dem warmen Ofen der Waldschenke
die erstarrten Glieder mit heilsamem Grog wieder zu beleben bemüht war!
ner hätte nie in den Hundstagen das unbändige Vergnügen genossen, auf
^ Höhe des Rigi Tage. ja. wenn er's aushielt, Wochen lang im frostigen
^bel zu sitzen, das Berner Oberland, die Gotthardstraße. das Engadin bei
°ndlos strömendem Regen, wenn nicht im Schneegestöber, zu durchfliegen!
Aber gereist muß werden, denn mit der Tag- und Nachtgleiche des September
^ es nach allgemeiner Uebereinstimmung mit der „schönen Jahreszeit" un¬
widerruflich zu Ende.

Beklagenswert!) der Mann, den harte Pflicht in den Dunstkreis der
Großstadt gebannt, bis die Sonne den Erdgebornen die Strahlen bereits


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[0351] Wenn es den betreffenden Candidaten höflichst empfiehlt, bet ihren Penaten zu bleiben. — Die Weinernte — um auch darüber zum Schluß noch ein Wörtchen hinzu zu fügen — ist seit Eintritt der kalten Witterung so ziemlich in allen Cantonen des Elsasses und Lothringens beendet. Sie ist etwas besser und reichlicher ausgefallen, als man anfangs, beispielsweise noch im September ^ches Jahres erwartete, übersteigt jedoch nicht das Maß einer Drittelsernte Mittlerer Qualität. Das vorige Weinjahr war unbedingt ein in Bezug auf Qualität und Qantität weit ergiebigeres, als das heurige. Doch kann man ohne allzu übertriebene Ansprüche sich auch mit dem 1876er „Neuen" zufrieden erklären. Herbstliche Aeiseglossen. i. „Wann soll man reisen?" Unsere Bädeker. Berlepsch u. s. w. lehren uns mit dankenswerther Beflissenheit, wie wir am zweckmäßigsten reisen; über das Wann" schweigen sie. Es ist ja selbstverständlich; man reist eben in der ..schönen Jahreszeit." Aber welches ist diese? Die Poesie be¬ hauptet: der Frühling, die prosaische Praxis entscheidet sich für den Sommer ; wer's machen kann.' benutzt beide. Zwar wird der fromme Glaube auf manche harte Probe gestellt. Welcher Bewohner norddeutscher Städte hatte nie am lieblichen Pfingstfest im Harz oder im Thüringer Walde, in der Sächsischen Schweiz oder im Riesengebirge das Lied vom „wunderschönen Wtonat Mai" gesungen, derweil er hinter dem warmen Ofen der Waldschenke die erstarrten Glieder mit heilsamem Grog wieder zu beleben bemüht war! ner hätte nie in den Hundstagen das unbändige Vergnügen genossen, auf ^ Höhe des Rigi Tage. ja. wenn er's aushielt, Wochen lang im frostigen ^bel zu sitzen, das Berner Oberland, die Gotthardstraße. das Engadin bei °ndlos strömendem Regen, wenn nicht im Schneegestöber, zu durchfliegen! Aber gereist muß werden, denn mit der Tag- und Nachtgleiche des September ^ es nach allgemeiner Uebereinstimmung mit der „schönen Jahreszeit" un¬ widerruflich zu Ende. Beklagenswert!) der Mann, den harte Pflicht in den Dunstkreis der Großstadt gebannt, bis die Sonne den Erdgebornen die Strahlen bereits

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/351>, abgerufen am 29.04.2024.