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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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fortan (nach den Concilien von Constan; und Basel) nur noch äußerlich
gegenüberstanden. Alles das ist in kurzen Umrissen der Hauptpersonen und
der von ihnen geschaffnen Situationen ausgeführt. Doch ist lediglich das
Mittelalter eingehend behandelt, und von der Urzeit des Papstthums sowie
von den Jahrhunderten nach Sixtus dem Fünften wird nur das Nöthigste
kurz erwähnt -- mit Recht, da wir in Betreff der neueren Zeit in Rankes
Werk gründliche und reichliche Belehrung finden, das mittelalterliche Papst'
thun aber noch keine Darstellung gefunden hat, die genügte.

Sollen wir gewissen Partien des Buches den Borzug geben, so find es
die Kapitel, welche den Kampf des Papstthums mit dem Kaiserthum unter
den Hohenstaufen und das endliche Unterliegen des letzteren mit dem Unter¬
gange dieses Geschlechts schildern, dessen größter Vertreter, Friedrich der Zweite,
seiner Zeit wie in andern Dingen auch hierin voraus, allen Ernstes daran
dachte, die Herrschaft Roms durch eine unter dem Kaiser stehende Staats¬
kirche zu ersetzen. Nächst diesen Abschnitten bieten das meiste Interesse für
die Gegenwart diejenigen, welche uns den siegreichen Kampf Frankreichs, der
nach dem Zerfall des Kaiserreichs im Vordergrund stehenden Macht, mit
Bonifacius dem Achten darstellen. Deutschland und Italien befanden sich
in einem Zustande unerträglicher Auflösung, wie ihn der Sieg kirchlicher
Politik über den Staat stets zur Folge hatte und haben würde. Da vergalt
den Päpsten, welche diesen Zustand herbeigeführt hatten, Philipp der Schöne,
was sie dadurch nicht blos an den betreffenden Völkern und Fürsten, sondern
an ihrem eignen Interesse verbrochen, in gründlichster Weise. Sie hatten das
Kaiserthum nicht zertrümmern, wohl aber es sich dienstbar machen, bevorzugte
Mitregenten desselben werden wollen. Als es mit Hülfe Frankreichs zer'
trümmert war, besaß der Papst keinen Schutz mehr, und als er den Kampf
mit Philipp wagte, mußte er unterliegen, und für lange Zeit trat das
Gegentheil von dem ein, was Gregor und Innocenz erstrebt hatten. Das
Papstthum ging in's Exil nach Avignon und wurde von den französische"
Königen abhängiger, als es seit den Ottonen je von den Kaisern
Wesen war.


Caroline Herschel's Memoiren und Briefwechsel (1750 -- 1848). A"s
dem Englischen von A. Scheibe. Berlin, Verlag von Wilhelm Herz, 1877-

Caroline Herschel ist die Schwester des Astronomen Wilhelm Herschel-
ihre Briefe und Denkwürdigketten aber sind in gewissem Grade eine Lebens¬
beschreibung dieses epochemachenden Entdeckers in der Sternenwelt, wenigstens
vortreffliche Beiträge zu einer guten Biographie desselben, die noch geschrieben
werden soll, und so ist die hier gebotene Uebersetzung, da wir auch In Caroline
selbst einer ungewöhnlichen Frau begegnen, von doppeltem Interesse. Viele


fortan (nach den Concilien von Constan; und Basel) nur noch äußerlich
gegenüberstanden. Alles das ist in kurzen Umrissen der Hauptpersonen und
der von ihnen geschaffnen Situationen ausgeführt. Doch ist lediglich das
Mittelalter eingehend behandelt, und von der Urzeit des Papstthums sowie
von den Jahrhunderten nach Sixtus dem Fünften wird nur das Nöthigste
kurz erwähnt — mit Recht, da wir in Betreff der neueren Zeit in Rankes
Werk gründliche und reichliche Belehrung finden, das mittelalterliche Papst'
thun aber noch keine Darstellung gefunden hat, die genügte.

Sollen wir gewissen Partien des Buches den Borzug geben, so find es
die Kapitel, welche den Kampf des Papstthums mit dem Kaiserthum unter
den Hohenstaufen und das endliche Unterliegen des letzteren mit dem Unter¬
gange dieses Geschlechts schildern, dessen größter Vertreter, Friedrich der Zweite,
seiner Zeit wie in andern Dingen auch hierin voraus, allen Ernstes daran
dachte, die Herrschaft Roms durch eine unter dem Kaiser stehende Staats¬
kirche zu ersetzen. Nächst diesen Abschnitten bieten das meiste Interesse für
die Gegenwart diejenigen, welche uns den siegreichen Kampf Frankreichs, der
nach dem Zerfall des Kaiserreichs im Vordergrund stehenden Macht, mit
Bonifacius dem Achten darstellen. Deutschland und Italien befanden sich
in einem Zustande unerträglicher Auflösung, wie ihn der Sieg kirchlicher
Politik über den Staat stets zur Folge hatte und haben würde. Da vergalt
den Päpsten, welche diesen Zustand herbeigeführt hatten, Philipp der Schöne,
was sie dadurch nicht blos an den betreffenden Völkern und Fürsten, sondern
an ihrem eignen Interesse verbrochen, in gründlichster Weise. Sie hatten das
Kaiserthum nicht zertrümmern, wohl aber es sich dienstbar machen, bevorzugte
Mitregenten desselben werden wollen. Als es mit Hülfe Frankreichs zer'
trümmert war, besaß der Papst keinen Schutz mehr, und als er den Kampf
mit Philipp wagte, mußte er unterliegen, und für lange Zeit trat das
Gegentheil von dem ein, was Gregor und Innocenz erstrebt hatten. Das
Papstthum ging in's Exil nach Avignon und wurde von den französische"
Königen abhängiger, als es seit den Ottonen je von den Kaisern
Wesen war.


Caroline Herschel's Memoiren und Briefwechsel (1750 — 1848). A»s
dem Englischen von A. Scheibe. Berlin, Verlag von Wilhelm Herz, 1877-

Caroline Herschel ist die Schwester des Astronomen Wilhelm Herschel-
ihre Briefe und Denkwürdigketten aber sind in gewissem Grade eine Lebens¬
beschreibung dieses epochemachenden Entdeckers in der Sternenwelt, wenigstens
vortreffliche Beiträge zu einer guten Biographie desselben, die noch geschrieben
werden soll, und so ist die hier gebotene Uebersetzung, da wir auch In Caroline
selbst einer ungewöhnlichen Frau begegnen, von doppeltem Interesse. Viele


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/360>, abgerufen am 29.04.2024.