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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Die Anfertigung von Cigarren wurde Anfangs (wenn wir von den im
ersten Artikel erwähnten indianischen Glimmstengeln absehen) in Spanien be¬
trieben. In Deutschland begann man hiermit sowie mit dem Genusse dieses
Fabrikats, vor dem die Pfeife jetzt selbst in den untersten Ständen vielfach
geflohen ist, erst kurz vor Anfang des laufenden Jahrhunderts, und zwar
war Hamburg die erste Stadt, welche Cigarren machte und rauchte. Dann
fand dieser Industriezweig mit dieser Sitte in Bremen Eingang und
außerordentliche Verbreitung. Im deutschen Binnenlande folgte (um das Jahr
182S) zuerst Leipzig nach, dem dann Berlin und Magdeburg Concurrenz
machten. Gegenwärtig befinden sich auch in Hannover. Osnabrück, Braun¬
schweig, sowie in Minden. Hanau, Mannheim und Heidelberg große Cigarren¬
fabriken. Doch werden hier größtentheils einheimische Tabake zu jenen
Sorten verarbeitet, die der Volkswitz als "LstiÄMuros" (nur im Freien zu
rauchen) oder "Dos Ämigos" (Freundschaftscigarren) bezeichnet. Daß sich die
damit gemeinten üblen Eigenschaften auf Einlage von Nuß-, Kastanien- oder
Rhabarberblättern zurückführen lassen, wollen wir nicht glauben. Die Natur
hat wohl hier schon genug gethan.




Dom deutschen Keichstag.

Am 17. November hat der Reichstag die Berathung der drei großen
Justizgesetze begonnen, und hat in täglichen Sitzungen bis zum vorgestrigen
Tage das Gerichtsverfassungsgesetz und die Civilproeeßordnung ausschließlich'
der Einführungsgesetze erledigt. Die Annahme der Civilproceßordnung er¬
folgte am 18. November im Ganzen. In der nächsten Woche wird voraus'
sichtlich auch die zweite Lesung der Strafproceßordnung beendigt werden. --
Man könnte diese Sachlage als eine recht hoffnungsvolle für das Gelingen
der drei Justizgesetze ansehen. Leider ist dieser günstige Stand nur scheinbar
Die Bundesregierungen hatten, so viel man hört, beim Zusammentritt des
Reichstages sich schlüssig gemacht über die Punkte, welche in den Anträgen
der Justizcommission des Reichtages für definitiv unannehmbar erkannt
wurden. Eine Zusammenstellung dieser Punkte ist dem Reichstag auf den !w
vorigen Brief erwähnten Wunsch mehrerer Mitglieder zugestellt worden, aller'
dings aber ist in dieser Zusammenstellung nur kenntlich 'gemacht, was die
Bundesregierungen beim Zusammentritt des Reichstags gegenüber der CoM'


Die Anfertigung von Cigarren wurde Anfangs (wenn wir von den im
ersten Artikel erwähnten indianischen Glimmstengeln absehen) in Spanien be¬
trieben. In Deutschland begann man hiermit sowie mit dem Genusse dieses
Fabrikats, vor dem die Pfeife jetzt selbst in den untersten Ständen vielfach
geflohen ist, erst kurz vor Anfang des laufenden Jahrhunderts, und zwar
war Hamburg die erste Stadt, welche Cigarren machte und rauchte. Dann
fand dieser Industriezweig mit dieser Sitte in Bremen Eingang und
außerordentliche Verbreitung. Im deutschen Binnenlande folgte (um das Jahr
182S) zuerst Leipzig nach, dem dann Berlin und Magdeburg Concurrenz
machten. Gegenwärtig befinden sich auch in Hannover. Osnabrück, Braun¬
schweig, sowie in Minden. Hanau, Mannheim und Heidelberg große Cigarren¬
fabriken. Doch werden hier größtentheils einheimische Tabake zu jenen
Sorten verarbeitet, die der Volkswitz als „LstiÄMuros" (nur im Freien zu
rauchen) oder „Dos Ämigos" (Freundschaftscigarren) bezeichnet. Daß sich die
damit gemeinten üblen Eigenschaften auf Einlage von Nuß-, Kastanien- oder
Rhabarberblättern zurückführen lassen, wollen wir nicht glauben. Die Natur
hat wohl hier schon genug gethan.




Dom deutschen Keichstag.

Am 17. November hat der Reichstag die Berathung der drei großen
Justizgesetze begonnen, und hat in täglichen Sitzungen bis zum vorgestrigen
Tage das Gerichtsverfassungsgesetz und die Civilproeeßordnung ausschließlich'
der Einführungsgesetze erledigt. Die Annahme der Civilproceßordnung er¬
folgte am 18. November im Ganzen. In der nächsten Woche wird voraus'
sichtlich auch die zweite Lesung der Strafproceßordnung beendigt werden. —
Man könnte diese Sachlage als eine recht hoffnungsvolle für das Gelingen
der drei Justizgesetze ansehen. Leider ist dieser günstige Stand nur scheinbar
Die Bundesregierungen hatten, so viel man hört, beim Zusammentritt des
Reichstages sich schlüssig gemacht über die Punkte, welche in den Anträgen
der Justizcommission des Reichtages für definitiv unannehmbar erkannt
wurden. Eine Zusammenstellung dieser Punkte ist dem Reichstag auf den !w
vorigen Brief erwähnten Wunsch mehrerer Mitglieder zugestellt worden, aller'
dings aber ist in dieser Zusammenstellung nur kenntlich 'gemacht, was die
Bundesregierungen beim Zusammentritt des Reichstags gegenüber der CoM'


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[0396] Die Anfertigung von Cigarren wurde Anfangs (wenn wir von den im ersten Artikel erwähnten indianischen Glimmstengeln absehen) in Spanien be¬ trieben. In Deutschland begann man hiermit sowie mit dem Genusse dieses Fabrikats, vor dem die Pfeife jetzt selbst in den untersten Ständen vielfach geflohen ist, erst kurz vor Anfang des laufenden Jahrhunderts, und zwar war Hamburg die erste Stadt, welche Cigarren machte und rauchte. Dann fand dieser Industriezweig mit dieser Sitte in Bremen Eingang und außerordentliche Verbreitung. Im deutschen Binnenlande folgte (um das Jahr 182S) zuerst Leipzig nach, dem dann Berlin und Magdeburg Concurrenz machten. Gegenwärtig befinden sich auch in Hannover. Osnabrück, Braun¬ schweig, sowie in Minden. Hanau, Mannheim und Heidelberg große Cigarren¬ fabriken. Doch werden hier größtentheils einheimische Tabake zu jenen Sorten verarbeitet, die der Volkswitz als „LstiÄMuros" (nur im Freien zu rauchen) oder „Dos Ämigos" (Freundschaftscigarren) bezeichnet. Daß sich die damit gemeinten üblen Eigenschaften auf Einlage von Nuß-, Kastanien- oder Rhabarberblättern zurückführen lassen, wollen wir nicht glauben. Die Natur hat wohl hier schon genug gethan. Dom deutschen Keichstag. Am 17. November hat der Reichstag die Berathung der drei großen Justizgesetze begonnen, und hat in täglichen Sitzungen bis zum vorgestrigen Tage das Gerichtsverfassungsgesetz und die Civilproeeßordnung ausschließlich' der Einführungsgesetze erledigt. Die Annahme der Civilproceßordnung er¬ folgte am 18. November im Ganzen. In der nächsten Woche wird voraus' sichtlich auch die zweite Lesung der Strafproceßordnung beendigt werden. — Man könnte diese Sachlage als eine recht hoffnungsvolle für das Gelingen der drei Justizgesetze ansehen. Leider ist dieser günstige Stand nur scheinbar Die Bundesregierungen hatten, so viel man hört, beim Zusammentritt des Reichstages sich schlüssig gemacht über die Punkte, welche in den Anträgen der Justizcommission des Reichtages für definitiv unannehmbar erkannt wurden. Eine Zusammenstellung dieser Punkte ist dem Reichstag auf den !w vorigen Brief erwähnten Wunsch mehrerer Mitglieder zugestellt worden, aller' dings aber ist in dieser Zusammenstellung nur kenntlich 'gemacht, was die Bundesregierungen beim Zusammentritt des Reichstags gegenüber der CoM'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/396>, abgerufen am 29.04.2024.