Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

kostet. Die Fabriken verkaufen natürlich nur per Mille, und sie geben
für jede Ordre von zehntausend Stück fünf Prozent Rabatt; sonst erhält der
Kaufmann in der Regel keine weitere Vergünstigung. Echte Havanna-Cigarren
im Einzelnen zu bekommen, hält in Havanna selbst schwer, und dann muß
Man sie enorm hoch bezahlen. Die Kreolen der Städte rauchen niemals
Cigarren oder, wie sie es nennen, "Tabanvs puros", sondern wie die auf
Cuba eingewanderten Altspanier Cigarillos, Papiercigarren. Sie überlassen
jenen Genuß den Bauern im Innern und den in der Stadt verweilenden
Nordeuropäern und Nordamerikanern, consumiren aber dafür eine gewaltige
Menge von Cigaretten. Jedes zehnte oder zwölfte Haus zeigt einen Laden,
Mo diese zu haben sind, und das bedeutendste Geschäft in diesem Artikel, die
königliche Fabrik La Honradez, arbeitet mit tausend Chinesen und producirt
täglich gegen dritthalb Millionen Stück und daneben noch Cigarren und
Schnupftabake.

Die Vegas der Vuelta d'Abajo beschäftigen 60 bis 70.000 Menschen fast
ausschließlich mit dem Tabaksbau. Dieser District erzeugte 1836 circa
^0.000 Ballen zu 120 bis 140 Pfund. 1843 schon 130.000 und in den
ätzten Jahren zwischen 150,00 und 180,000 Ballen. Bei guten Ernten ge¬
hörte davon etwa 1 Procent der ersten Blätterqualität an. Der große
Unterschied zwischen den importirten Havanna-Cigarren und denen, die sich
Havanna-Cigarren nennen, weil sie aus Blättern bestehen, die aus der Ha¬
vanna bezogen sind, erklärt sich lediglich daraus, daß man die feinsten Blätter
dicht exportirt, also nicht, wie behauptet wird, auch daraus, daß selbst diese
^ Europa verarbeitet erheblich geringere Waare liefern, als wenn sie in der
Havanna gleich frisch in Cigarren verwandelt werden. Die Ursache davon
soll darin zu suchen sein, daß der Tabak, auch wenn er zur Versendung über
See noch so sorgfältig verpackt werde, auf der Reise einer Gährung unter¬
lege, die ihm einen bedeutenden Theil seines Aromas benehme, und daß
Rest davon bei der Cigarrenfabrikation nochmals vermindert werde, m-
ein die Blätter wiederum angefeuchtet werden müssen. Fachmänner lächeln
^er diesen Aberglauben. Die feinsten Blätter werden einfach deshalb nicht
^portirt, weil der europäische Fabrikant sie nicht bestellt, und dieser wieder
estellt sie nicht, weil ihm niemand seine Cigarren mit so hohem Preise be¬
fahlen würde, als er dann verlangen müßte. Schon eine nicht importirte
'Karre für 180 Mark würde auf unfreundliche Gesichter stoßen und von
^oben Leuten als Unverschämtheit bezeichnet werden. Woher aber schreibt
H diese Geringschätzung? Davon, daß man anfänglich die Cigarrenfabri-
^"on nicht so gut verstanden, also nicht so feine Arbeit geliefert hat, als in
Havanna. Daß dies jetzt noch der Fall sei, wird kein Sachverständiger
hupten wollen.


kostet. Die Fabriken verkaufen natürlich nur per Mille, und sie geben
für jede Ordre von zehntausend Stück fünf Prozent Rabatt; sonst erhält der
Kaufmann in der Regel keine weitere Vergünstigung. Echte Havanna-Cigarren
im Einzelnen zu bekommen, hält in Havanna selbst schwer, und dann muß
Man sie enorm hoch bezahlen. Die Kreolen der Städte rauchen niemals
Cigarren oder, wie sie es nennen, „Tabanvs puros", sondern wie die auf
Cuba eingewanderten Altspanier Cigarillos, Papiercigarren. Sie überlassen
jenen Genuß den Bauern im Innern und den in der Stadt verweilenden
Nordeuropäern und Nordamerikanern, consumiren aber dafür eine gewaltige
Menge von Cigaretten. Jedes zehnte oder zwölfte Haus zeigt einen Laden,
Mo diese zu haben sind, und das bedeutendste Geschäft in diesem Artikel, die
königliche Fabrik La Honradez, arbeitet mit tausend Chinesen und producirt
täglich gegen dritthalb Millionen Stück und daneben noch Cigarren und
Schnupftabake.

Die Vegas der Vuelta d'Abajo beschäftigen 60 bis 70.000 Menschen fast
ausschließlich mit dem Tabaksbau. Dieser District erzeugte 1836 circa
^0.000 Ballen zu 120 bis 140 Pfund. 1843 schon 130.000 und in den
ätzten Jahren zwischen 150,00 und 180,000 Ballen. Bei guten Ernten ge¬
hörte davon etwa 1 Procent der ersten Blätterqualität an. Der große
Unterschied zwischen den importirten Havanna-Cigarren und denen, die sich
Havanna-Cigarren nennen, weil sie aus Blättern bestehen, die aus der Ha¬
vanna bezogen sind, erklärt sich lediglich daraus, daß man die feinsten Blätter
dicht exportirt, also nicht, wie behauptet wird, auch daraus, daß selbst diese
^ Europa verarbeitet erheblich geringere Waare liefern, als wenn sie in der
Havanna gleich frisch in Cigarren verwandelt werden. Die Ursache davon
soll darin zu suchen sein, daß der Tabak, auch wenn er zur Versendung über
See noch so sorgfältig verpackt werde, auf der Reise einer Gährung unter¬
lege, die ihm einen bedeutenden Theil seines Aromas benehme, und daß
Rest davon bei der Cigarrenfabrikation nochmals vermindert werde, m-
ein die Blätter wiederum angefeuchtet werden müssen. Fachmänner lächeln
^er diesen Aberglauben. Die feinsten Blätter werden einfach deshalb nicht
^portirt, weil der europäische Fabrikant sie nicht bestellt, und dieser wieder
estellt sie nicht, weil ihm niemand seine Cigarren mit so hohem Preise be¬
fahlen würde, als er dann verlangen müßte. Schon eine nicht importirte
'Karre für 180 Mark würde auf unfreundliche Gesichter stoßen und von
^oben Leuten als Unverschämtheit bezeichnet werden. Woher aber schreibt
H diese Geringschätzung? Davon, daß man anfänglich die Cigarrenfabri-
^"on nicht so gut verstanden, also nicht so feine Arbeit geliefert hat, als in
Havanna. Daß dies jetzt noch der Fall sei, wird kein Sachverständiger
hupten wollen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0395" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137034"/>
          <p xml:id="ID_1253" prev="#ID_1252"> kostet. Die Fabriken verkaufen natürlich nur per Mille, und sie geben<lb/>
für jede Ordre von zehntausend Stück fünf Prozent Rabatt; sonst erhält der<lb/>
Kaufmann in der Regel keine weitere Vergünstigung. Echte Havanna-Cigarren<lb/>
im Einzelnen zu bekommen, hält in Havanna selbst schwer, und dann muß<lb/>
Man sie enorm hoch bezahlen. Die Kreolen der Städte rauchen niemals<lb/>
Cigarren oder, wie sie es nennen, &#x201E;Tabanvs puros", sondern wie die auf<lb/>
Cuba eingewanderten Altspanier Cigarillos, Papiercigarren. Sie überlassen<lb/>
jenen Genuß den Bauern im Innern und den in der Stadt verweilenden<lb/>
Nordeuropäern und Nordamerikanern, consumiren aber dafür eine gewaltige<lb/>
Menge von Cigaretten. Jedes zehnte oder zwölfte Haus zeigt einen Laden,<lb/>
Mo diese zu haben sind, und das bedeutendste Geschäft in diesem Artikel, die<lb/>
königliche Fabrik La Honradez, arbeitet mit tausend Chinesen und producirt<lb/>
täglich gegen dritthalb Millionen Stück und daneben noch Cigarren und<lb/>
Schnupftabake.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1254"> Die Vegas der Vuelta d'Abajo beschäftigen 60 bis 70.000 Menschen fast<lb/>
ausschließlich mit dem Tabaksbau.  Dieser District erzeugte 1836 circa<lb/>
^0.000 Ballen zu 120 bis 140 Pfund. 1843 schon 130.000 und in den<lb/>
ätzten Jahren zwischen 150,00 und 180,000 Ballen.  Bei guten Ernten ge¬<lb/>
hörte davon etwa 1 Procent der ersten Blätterqualität an. Der große<lb/>
Unterschied zwischen den importirten Havanna-Cigarren und denen, die sich<lb/>
Havanna-Cigarren nennen, weil sie aus Blättern bestehen, die aus der Ha¬<lb/>
vanna bezogen sind, erklärt sich lediglich daraus, daß man die feinsten Blätter<lb/>
dicht exportirt, also nicht, wie behauptet wird, auch daraus, daß selbst diese<lb/>
^ Europa verarbeitet erheblich geringere Waare liefern, als wenn sie in der<lb/>
Havanna gleich frisch in Cigarren verwandelt werden.  Die Ursache davon<lb/>
soll darin zu suchen sein, daß der Tabak, auch wenn er zur Versendung über<lb/>
See noch so sorgfältig verpackt werde, auf der Reise einer Gährung unter¬<lb/>
lege, die ihm einen bedeutenden Theil seines Aromas benehme, und daß<lb/>
Rest davon bei der Cigarrenfabrikation nochmals vermindert werde, m-<lb/>
ein die Blätter wiederum angefeuchtet werden müssen.  Fachmänner lächeln<lb/>
^er diesen Aberglauben.  Die feinsten Blätter werden einfach deshalb nicht<lb/>
^portirt, weil der europäische Fabrikant sie nicht bestellt, und dieser wieder<lb/>
estellt sie nicht, weil ihm niemand seine Cigarren mit so hohem Preise be¬<lb/>
fahlen würde, als er dann verlangen müßte.  Schon eine nicht importirte<lb/>
'Karre für 180 Mark würde auf unfreundliche Gesichter stoßen und von<lb/>
^oben Leuten als Unverschämtheit bezeichnet werden.  Woher aber schreibt<lb/>
H diese Geringschätzung? Davon, daß man anfänglich die Cigarrenfabri-<lb/>
^"on nicht so gut verstanden, also nicht so feine Arbeit geliefert hat, als in<lb/>
Havanna. Daß dies jetzt noch der Fall sei, wird kein Sachverständiger<lb/>
hupten wollen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0395] kostet. Die Fabriken verkaufen natürlich nur per Mille, und sie geben für jede Ordre von zehntausend Stück fünf Prozent Rabatt; sonst erhält der Kaufmann in der Regel keine weitere Vergünstigung. Echte Havanna-Cigarren im Einzelnen zu bekommen, hält in Havanna selbst schwer, und dann muß Man sie enorm hoch bezahlen. Die Kreolen der Städte rauchen niemals Cigarren oder, wie sie es nennen, „Tabanvs puros", sondern wie die auf Cuba eingewanderten Altspanier Cigarillos, Papiercigarren. Sie überlassen jenen Genuß den Bauern im Innern und den in der Stadt verweilenden Nordeuropäern und Nordamerikanern, consumiren aber dafür eine gewaltige Menge von Cigaretten. Jedes zehnte oder zwölfte Haus zeigt einen Laden, Mo diese zu haben sind, und das bedeutendste Geschäft in diesem Artikel, die königliche Fabrik La Honradez, arbeitet mit tausend Chinesen und producirt täglich gegen dritthalb Millionen Stück und daneben noch Cigarren und Schnupftabake. Die Vegas der Vuelta d'Abajo beschäftigen 60 bis 70.000 Menschen fast ausschließlich mit dem Tabaksbau. Dieser District erzeugte 1836 circa ^0.000 Ballen zu 120 bis 140 Pfund. 1843 schon 130.000 und in den ätzten Jahren zwischen 150,00 und 180,000 Ballen. Bei guten Ernten ge¬ hörte davon etwa 1 Procent der ersten Blätterqualität an. Der große Unterschied zwischen den importirten Havanna-Cigarren und denen, die sich Havanna-Cigarren nennen, weil sie aus Blättern bestehen, die aus der Ha¬ vanna bezogen sind, erklärt sich lediglich daraus, daß man die feinsten Blätter dicht exportirt, also nicht, wie behauptet wird, auch daraus, daß selbst diese ^ Europa verarbeitet erheblich geringere Waare liefern, als wenn sie in der Havanna gleich frisch in Cigarren verwandelt werden. Die Ursache davon soll darin zu suchen sein, daß der Tabak, auch wenn er zur Versendung über See noch so sorgfältig verpackt werde, auf der Reise einer Gährung unter¬ lege, die ihm einen bedeutenden Theil seines Aromas benehme, und daß Rest davon bei der Cigarrenfabrikation nochmals vermindert werde, m- ein die Blätter wiederum angefeuchtet werden müssen. Fachmänner lächeln ^er diesen Aberglauben. Die feinsten Blätter werden einfach deshalb nicht ^portirt, weil der europäische Fabrikant sie nicht bestellt, und dieser wieder estellt sie nicht, weil ihm niemand seine Cigarren mit so hohem Preise be¬ fahlen würde, als er dann verlangen müßte. Schon eine nicht importirte 'Karre für 180 Mark würde auf unfreundliche Gesichter stoßen und von ^oben Leuten als Unverschämtheit bezeichnet werden. Woher aber schreibt H diese Geringschätzung? Davon, daß man anfänglich die Cigarrenfabri- ^"on nicht so gut verstanden, also nicht so feine Arbeit geliefert hat, als in Havanna. Daß dies jetzt noch der Fall sei, wird kein Sachverständiger hupten wollen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/395
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/395>, abgerufen am 16.05.2024.