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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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es die Gewohnheit unachtsamen Lesens und Betrachtens? Oder hätte etwa
das Gewissen des Abwehrenden den Kammerdiener im Kammerjunker gefunden?
Wir hätten bei der unfreundlichen Stellung, die Herr M. zur Wahrheit
einnimmt, fast Neigung, Schlimmeres anzunehmen, nämlich, daß Herr M.
einfach wieder einmal in seinem Interesse bewußt und absichtlich die Unwahr¬
heit gesagt habe.

Im Uebrigen bleibt sowohl was wir in der Promotionssache als was
wir in der Bergl'schen Angelegenheit Andere äußern ließen und selbst äußerten,
einige Nebendinge hinsichtlich der letzteren abgerechnet, nach der M.'schen
Darstellung unverändert bestehen. Herrn M.'s "Abwehr" ist dort ein still¬
schweigendes, hier ein ausdrückliches, wenn auch in allerlei Entschuldigungen
gewickeltes Zugeständniß des Wesentlichen der ihm gemachten Vorwürfe.
Er hat den Freiburgern und Jenensern Dinge vorgeworfen, die nicht wahr
sind, und er hat (beiläufig keineswegs wie Fleischer die Moabitica) den An¬
kauf der pariser Schleudergeschosse empfohlen, die ein Seitenstück zu den
Schwindelfabrikaten der Firma Schapira waren.




Literatur.

Das Bild des Zeus. Von Dr. Ludwig von Sybel. Mit zwei Lichtdruck¬
tafeln. Marburg, Elwcrt'sche Verlagsbuchhandlung. 1876.

Ein Vortrag, den der Archäolog der Marburger Universität, wohl vor
einem größeren Publicum, gehalten hat, aber ein Vortrag, der aus der immer
mehr anschwellenden Masse ähnlicher Erzeugnisse hervorleuchtet, wie ein blanker
Edelstein aus dem Schutt -- eine ganz eigenthümliche Leistung, die ich sofort
auf einem Niedersitz zwei Mal gelesen, um hinter das Geheimniß der Kunst
zu kommen, und ein Meisterstück, man mag es betrachten, von welcher Seite
man will. Neben dem Redner haben zwei Zeusbüsten gestanden, die bekannte
Colossalbüste des Zeus von Otricoli und der weniger bekannte schöne archaische
Kopf des sog. Zeus Talleyrand; beide sind dem Schriftchen in Lichtbrücken
beigegeben. Von dem letzteren Kopfe geht der Redner aus. Er leitet den
Beschauer durch eine eingehende Beschreibung zu genauester Betrachtung des¬
selben an, und da dieser Kopf die Elemente verschiedener Stilperioden in sich
vereinigt, knüpft er daran eine Geschichte und Charakteristik dieser Kunststufen.


es die Gewohnheit unachtsamen Lesens und Betrachtens? Oder hätte etwa
das Gewissen des Abwehrenden den Kammerdiener im Kammerjunker gefunden?
Wir hätten bei der unfreundlichen Stellung, die Herr M. zur Wahrheit
einnimmt, fast Neigung, Schlimmeres anzunehmen, nämlich, daß Herr M.
einfach wieder einmal in seinem Interesse bewußt und absichtlich die Unwahr¬
heit gesagt habe.

Im Uebrigen bleibt sowohl was wir in der Promotionssache als was
wir in der Bergl'schen Angelegenheit Andere äußern ließen und selbst äußerten,
einige Nebendinge hinsichtlich der letzteren abgerechnet, nach der M.'schen
Darstellung unverändert bestehen. Herrn M.'s „Abwehr" ist dort ein still¬
schweigendes, hier ein ausdrückliches, wenn auch in allerlei Entschuldigungen
gewickeltes Zugeständniß des Wesentlichen der ihm gemachten Vorwürfe.
Er hat den Freiburgern und Jenensern Dinge vorgeworfen, die nicht wahr
sind, und er hat (beiläufig keineswegs wie Fleischer die Moabitica) den An¬
kauf der pariser Schleudergeschosse empfohlen, die ein Seitenstück zu den
Schwindelfabrikaten der Firma Schapira waren.




Literatur.

Das Bild des Zeus. Von Dr. Ludwig von Sybel. Mit zwei Lichtdruck¬
tafeln. Marburg, Elwcrt'sche Verlagsbuchhandlung. 1876.

Ein Vortrag, den der Archäolog der Marburger Universität, wohl vor
einem größeren Publicum, gehalten hat, aber ein Vortrag, der aus der immer
mehr anschwellenden Masse ähnlicher Erzeugnisse hervorleuchtet, wie ein blanker
Edelstein aus dem Schutt — eine ganz eigenthümliche Leistung, die ich sofort
auf einem Niedersitz zwei Mal gelesen, um hinter das Geheimniß der Kunst
zu kommen, und ein Meisterstück, man mag es betrachten, von welcher Seite
man will. Neben dem Redner haben zwei Zeusbüsten gestanden, die bekannte
Colossalbüste des Zeus von Otricoli und der weniger bekannte schöne archaische
Kopf des sog. Zeus Talleyrand; beide sind dem Schriftchen in Lichtbrücken
beigegeben. Von dem letzteren Kopfe geht der Redner aus. Er leitet den
Beschauer durch eine eingehende Beschreibung zu genauester Betrachtung des¬
selben an, und da dieser Kopf die Elemente verschiedener Stilperioden in sich
vereinigt, knüpft er daran eine Geschichte und Charakteristik dieser Kunststufen.


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[0043] es die Gewohnheit unachtsamen Lesens und Betrachtens? Oder hätte etwa das Gewissen des Abwehrenden den Kammerdiener im Kammerjunker gefunden? Wir hätten bei der unfreundlichen Stellung, die Herr M. zur Wahrheit einnimmt, fast Neigung, Schlimmeres anzunehmen, nämlich, daß Herr M. einfach wieder einmal in seinem Interesse bewußt und absichtlich die Unwahr¬ heit gesagt habe. Im Uebrigen bleibt sowohl was wir in der Promotionssache als was wir in der Bergl'schen Angelegenheit Andere äußern ließen und selbst äußerten, einige Nebendinge hinsichtlich der letzteren abgerechnet, nach der M.'schen Darstellung unverändert bestehen. Herrn M.'s „Abwehr" ist dort ein still¬ schweigendes, hier ein ausdrückliches, wenn auch in allerlei Entschuldigungen gewickeltes Zugeständniß des Wesentlichen der ihm gemachten Vorwürfe. Er hat den Freiburgern und Jenensern Dinge vorgeworfen, die nicht wahr sind, und er hat (beiläufig keineswegs wie Fleischer die Moabitica) den An¬ kauf der pariser Schleudergeschosse empfohlen, die ein Seitenstück zu den Schwindelfabrikaten der Firma Schapira waren. Literatur. Das Bild des Zeus. Von Dr. Ludwig von Sybel. Mit zwei Lichtdruck¬ tafeln. Marburg, Elwcrt'sche Verlagsbuchhandlung. 1876. Ein Vortrag, den der Archäolog der Marburger Universität, wohl vor einem größeren Publicum, gehalten hat, aber ein Vortrag, der aus der immer mehr anschwellenden Masse ähnlicher Erzeugnisse hervorleuchtet, wie ein blanker Edelstein aus dem Schutt — eine ganz eigenthümliche Leistung, die ich sofort auf einem Niedersitz zwei Mal gelesen, um hinter das Geheimniß der Kunst zu kommen, und ein Meisterstück, man mag es betrachten, von welcher Seite man will. Neben dem Redner haben zwei Zeusbüsten gestanden, die bekannte Colossalbüste des Zeus von Otricoli und der weniger bekannte schöne archaische Kopf des sog. Zeus Talleyrand; beide sind dem Schriftchen in Lichtbrücken beigegeben. Von dem letzteren Kopfe geht der Redner aus. Er leitet den Beschauer durch eine eingehende Beschreibung zu genauester Betrachtung des¬ selben an, und da dieser Kopf die Elemente verschiedener Stilperioden in sich vereinigt, knüpft er daran eine Geschichte und Charakteristik dieser Kunststufen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/43>, abgerufen am 29.04.2024.