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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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lassen solle." Hieraus scheint hervorzugehen, daß die Platten nach vollendetem
Guß zunächst polirt wurden, daß dann jedenfalls der Hofmaler die zu gravirenden
Figuren und Inschriften darauf vorzeichnete und diese nun vom Goldschmied
mit dem Meißel ausgeschlagen wurden, hierauf die Vertiefungen mit einer
schwarzen Harzmasse ausgefüllt und endlich das Ganze nochmals polirt
wurde. Dabei wird stets der Unterschied festgehalten, daß die Portraitfigur
und alle Ornamente wie beim Kupferstich einfach eingravirt, die Buchstaben
dagegen wie beim Holzschnitt rings umschritten wurden, so daß sie erhaben
stehen blieben.

Die Entstehungszeit der auf Tafel 13 wiedergegebenen fünf alten Holz¬
bilder und der auf Tafel 14 abgebildeten schmiedeeisernen Thür läßt sich nicht
Präcisiren; die ersteren stammen jedenfalls zum Theil noch aus dem 15. Jahr¬
hundert: auf dem Saume des Palltums der in der Mitte stehenden Christus¬
figur läuft das ?ater "ostvr um, was dem Herausgeber natürlich nicht ein¬
gefallen ist zu lesen. Die Gitterthür, von welcher Andreae bemerkt, daß sie
"ehemals den Kreuzgang geschmückt" habe, dürfte auf keinen Fall viel älter
sein, als die an der Begräbnißkapelle befindlichen Gitter.




Dom deutschen Ueichstag.

Das parlamentarische Ereignis? der Woche war die Rede des Reichskanzlers
in der Sitzung vom 5. Dezember. Was sonst in dieser Woche vorgekommen:
zweite und dritte Lesungen verschiedener Theile der Haushaltsgesetze und der¬
gleichen darf übergangen werden. Auch die Sitzungen vom 27. November
bis 2. Dezember will ich heute nur kurz berühren. Gegenstand dieser letzteren
Berathungen ist die zweite Lesung der Strafprozeßordnung gewesen. Auch
hier hat man gegen die Regierungsvorlage Aenderungen beschlossen, welche,
obwohl nicht so bedeutend wie diejenigen im Gerichtsverfassungsgesetz, das
Schicksal der Justizgesetze gefährden müssen. Von solchen Aenderungen mache
ich nur die Befreiung der Aerzte von der Zeugnißpflicht namhaft, die eine
wahre Ungeheuerlichkeit ist. Man könnte zuweilen in Versuchung kommen,
unseren Reichsboten zuzurufen, daß sie ein Gesetz zum Schutz der Gesellschaft
zu machen haben, nicht aber ein Gesetz, dessen Bestimmung etwa durch den
Titel zu bezeichnen wäre: "Zur größeren Bequemlichkeit der Herren Mörder."


lassen solle." Hieraus scheint hervorzugehen, daß die Platten nach vollendetem
Guß zunächst polirt wurden, daß dann jedenfalls der Hofmaler die zu gravirenden
Figuren und Inschriften darauf vorzeichnete und diese nun vom Goldschmied
mit dem Meißel ausgeschlagen wurden, hierauf die Vertiefungen mit einer
schwarzen Harzmasse ausgefüllt und endlich das Ganze nochmals polirt
wurde. Dabei wird stets der Unterschied festgehalten, daß die Portraitfigur
und alle Ornamente wie beim Kupferstich einfach eingravirt, die Buchstaben
dagegen wie beim Holzschnitt rings umschritten wurden, so daß sie erhaben
stehen blieben.

Die Entstehungszeit der auf Tafel 13 wiedergegebenen fünf alten Holz¬
bilder und der auf Tafel 14 abgebildeten schmiedeeisernen Thür läßt sich nicht
Präcisiren; die ersteren stammen jedenfalls zum Theil noch aus dem 15. Jahr¬
hundert: auf dem Saume des Palltums der in der Mitte stehenden Christus¬
figur läuft das ?ater »ostvr um, was dem Herausgeber natürlich nicht ein¬
gefallen ist zu lesen. Die Gitterthür, von welcher Andreae bemerkt, daß sie
„ehemals den Kreuzgang geschmückt" habe, dürfte auf keinen Fall viel älter
sein, als die an der Begräbnißkapelle befindlichen Gitter.




Dom deutschen Ueichstag.

Das parlamentarische Ereignis? der Woche war die Rede des Reichskanzlers
in der Sitzung vom 5. Dezember. Was sonst in dieser Woche vorgekommen:
zweite und dritte Lesungen verschiedener Theile der Haushaltsgesetze und der¬
gleichen darf übergangen werden. Auch die Sitzungen vom 27. November
bis 2. Dezember will ich heute nur kurz berühren. Gegenstand dieser letzteren
Berathungen ist die zweite Lesung der Strafprozeßordnung gewesen. Auch
hier hat man gegen die Regierungsvorlage Aenderungen beschlossen, welche,
obwohl nicht so bedeutend wie diejenigen im Gerichtsverfassungsgesetz, das
Schicksal der Justizgesetze gefährden müssen. Von solchen Aenderungen mache
ich nur die Befreiung der Aerzte von der Zeugnißpflicht namhaft, die eine
wahre Ungeheuerlichkeit ist. Man könnte zuweilen in Versuchung kommen,
unseren Reichsboten zuzurufen, daß sie ein Gesetz zum Schutz der Gesellschaft
zu machen haben, nicht aber ein Gesetz, dessen Bestimmung etwa durch den
Titel zu bezeichnen wäre: „Zur größeren Bequemlichkeit der Herren Mörder."


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[0475] lassen solle." Hieraus scheint hervorzugehen, daß die Platten nach vollendetem Guß zunächst polirt wurden, daß dann jedenfalls der Hofmaler die zu gravirenden Figuren und Inschriften darauf vorzeichnete und diese nun vom Goldschmied mit dem Meißel ausgeschlagen wurden, hierauf die Vertiefungen mit einer schwarzen Harzmasse ausgefüllt und endlich das Ganze nochmals polirt wurde. Dabei wird stets der Unterschied festgehalten, daß die Portraitfigur und alle Ornamente wie beim Kupferstich einfach eingravirt, die Buchstaben dagegen wie beim Holzschnitt rings umschritten wurden, so daß sie erhaben stehen blieben. Die Entstehungszeit der auf Tafel 13 wiedergegebenen fünf alten Holz¬ bilder und der auf Tafel 14 abgebildeten schmiedeeisernen Thür läßt sich nicht Präcisiren; die ersteren stammen jedenfalls zum Theil noch aus dem 15. Jahr¬ hundert: auf dem Saume des Palltums der in der Mitte stehenden Christus¬ figur läuft das ?ater »ostvr um, was dem Herausgeber natürlich nicht ein¬ gefallen ist zu lesen. Die Gitterthür, von welcher Andreae bemerkt, daß sie „ehemals den Kreuzgang geschmückt" habe, dürfte auf keinen Fall viel älter sein, als die an der Begräbnißkapelle befindlichen Gitter. Dom deutschen Ueichstag. Das parlamentarische Ereignis? der Woche war die Rede des Reichskanzlers in der Sitzung vom 5. Dezember. Was sonst in dieser Woche vorgekommen: zweite und dritte Lesungen verschiedener Theile der Haushaltsgesetze und der¬ gleichen darf übergangen werden. Auch die Sitzungen vom 27. November bis 2. Dezember will ich heute nur kurz berühren. Gegenstand dieser letzteren Berathungen ist die zweite Lesung der Strafprozeßordnung gewesen. Auch hier hat man gegen die Regierungsvorlage Aenderungen beschlossen, welche, obwohl nicht so bedeutend wie diejenigen im Gerichtsverfassungsgesetz, das Schicksal der Justizgesetze gefährden müssen. Von solchen Aenderungen mache ich nur die Befreiung der Aerzte von der Zeugnißpflicht namhaft, die eine wahre Ungeheuerlichkeit ist. Man könnte zuweilen in Versuchung kommen, unseren Reichsboten zuzurufen, daß sie ein Gesetz zum Schutz der Gesellschaft zu machen haben, nicht aber ein Gesetz, dessen Bestimmung etwa durch den Titel zu bezeichnen wäre: „Zur größeren Bequemlichkeit der Herren Mörder."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/475>, abgerufen am 29.04.2024.