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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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voll seinem Fenster aus zu, wenn seine Lieblinge aus dem Stalle geführt
wurden. Im Essen und Trinken war er stets sehr enthaltsam, doch liebte er
eine gute Cigarre und machte gern eine Partie Whist.

Von seiner Wohlthätigkeit ist, wie dies sonst bei reichen Amerikanern wohl
zu geschehen Pflegt, nicht viel in die Öffentlichkeit gedrungen; auch sein Testa¬
ment enthält in dieser Beziehung nichts Erwähnenswerthes. Er kaufte und
verschenkte eine Kirche, "tke Ltiurcck "5 tre 8t,rg,nZ"r8", mit der ausdrücklichen
Bestimmung, daß darin kein religiöses Sektenwesen getrieben werde; er selbst
gehörte keiner bestimmten Glaubenssekte an. Auch gründete er zu Nashville
im Staate Tennessee eine höhere Schule, die sogenannte "Vg,nasi'bitt Uni-
versitz". In seinem Testamente hat er die Mitglieder seiner Familie (er hatte
vier Söhne und neun Töchter) und viele seiner treuen Diener reichlich bedacht;
sein ältester Sohn William H. Vanderbilt erbte das Meiste und wird wahr¬
scheinlich alles seinem Vater in der Präsidentschaft der "Newyork Central-Eisen-
bcchn" nachfolgen. Sein hinterlassenes Vermögen wird auf 70 bis 100 Mil¬
lionen Dollars geschätzt.

Die sterblichen Ueberreste des Commodore Cornelius Vauderbilt wurden
mit Vermeidung alles Pompes auf dem Morovian-Friedhofe bei Neu' Dorp
.
Rud. Doehn. auf Skalen Island beigesetzt.




Me Keichstagswahl in Iayern.

Wenn der große Wahlkampf des 10. Januar ganz Deutschland aufgeregt
und durchzuckt hat, so hat er besonders unser Bayern mächtig bewegt. Sind
wir doch so recht der Mikrokosmos des ganzen großen Reichs: nur die Polen
und Protest-Elsässer fehlen uns, sonst haben wir all die großen, aufs Aeußerste
gespannten Gegensätze des Reichstages aufs Schönste in und bei einander. Und
diese Gegensätze standen sich bei unsern Wahlen so schroff gegenüber, wie es
nur sein konnte. Auch wir haben der Überraschungen und Enttäuschungen,
wenn wir nämlich Namens der liberalen Partei reden, genng zu verzeichnen.
"So haben wir es uns doch nicht gedacht!" heißt's an dem und jenem Orte,
aber meist war der, der es nicht so, d. h. nicht an den Sieg der Sozialdemo¬
kraten oder der Conservativen da oder dort gedacht hatte, der ehrsame Philister,
der immer hinter dem Bierkrug zu kannegießern versteht, am Tag der Wahl
aber meint, daß es auf seine Stimme gerade nicht ankomme, und hübsch zu


voll seinem Fenster aus zu, wenn seine Lieblinge aus dem Stalle geführt
wurden. Im Essen und Trinken war er stets sehr enthaltsam, doch liebte er
eine gute Cigarre und machte gern eine Partie Whist.

Von seiner Wohlthätigkeit ist, wie dies sonst bei reichen Amerikanern wohl
zu geschehen Pflegt, nicht viel in die Öffentlichkeit gedrungen; auch sein Testa¬
ment enthält in dieser Beziehung nichts Erwähnenswerthes. Er kaufte und
verschenkte eine Kirche, „tke Ltiurcck «5 tre 8t,rg,nZ«r8", mit der ausdrücklichen
Bestimmung, daß darin kein religiöses Sektenwesen getrieben werde; er selbst
gehörte keiner bestimmten Glaubenssekte an. Auch gründete er zu Nashville
im Staate Tennessee eine höhere Schule, die sogenannte „Vg,nasi'bitt Uni-
versitz". In seinem Testamente hat er die Mitglieder seiner Familie (er hatte
vier Söhne und neun Töchter) und viele seiner treuen Diener reichlich bedacht;
sein ältester Sohn William H. Vanderbilt erbte das Meiste und wird wahr¬
scheinlich alles seinem Vater in der Präsidentschaft der „Newyork Central-Eisen-
bcchn" nachfolgen. Sein hinterlassenes Vermögen wird auf 70 bis 100 Mil¬
lionen Dollars geschätzt.

Die sterblichen Ueberreste des Commodore Cornelius Vauderbilt wurden
mit Vermeidung alles Pompes auf dem Morovian-Friedhofe bei Neu' Dorp
.
Rud. Doehn. auf Skalen Island beigesetzt.




Me Keichstagswahl in Iayern.

Wenn der große Wahlkampf des 10. Januar ganz Deutschland aufgeregt
und durchzuckt hat, so hat er besonders unser Bayern mächtig bewegt. Sind
wir doch so recht der Mikrokosmos des ganzen großen Reichs: nur die Polen
und Protest-Elsässer fehlen uns, sonst haben wir all die großen, aufs Aeußerste
gespannten Gegensätze des Reichstages aufs Schönste in und bei einander. Und
diese Gegensätze standen sich bei unsern Wahlen so schroff gegenüber, wie es
nur sein konnte. Auch wir haben der Überraschungen und Enttäuschungen,
wenn wir nämlich Namens der liberalen Partei reden, genng zu verzeichnen.
„So haben wir es uns doch nicht gedacht!" heißt's an dem und jenem Orte,
aber meist war der, der es nicht so, d. h. nicht an den Sieg der Sozialdemo¬
kraten oder der Conservativen da oder dort gedacht hatte, der ehrsame Philister,
der immer hinter dem Bierkrug zu kannegießern versteht, am Tag der Wahl
aber meint, daß es auf seine Stimme gerade nicht ankomme, und hübsch zu


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[0316] voll seinem Fenster aus zu, wenn seine Lieblinge aus dem Stalle geführt wurden. Im Essen und Trinken war er stets sehr enthaltsam, doch liebte er eine gute Cigarre und machte gern eine Partie Whist. Von seiner Wohlthätigkeit ist, wie dies sonst bei reichen Amerikanern wohl zu geschehen Pflegt, nicht viel in die Öffentlichkeit gedrungen; auch sein Testa¬ ment enthält in dieser Beziehung nichts Erwähnenswerthes. Er kaufte und verschenkte eine Kirche, „tke Ltiurcck «5 tre 8t,rg,nZ«r8", mit der ausdrücklichen Bestimmung, daß darin kein religiöses Sektenwesen getrieben werde; er selbst gehörte keiner bestimmten Glaubenssekte an. Auch gründete er zu Nashville im Staate Tennessee eine höhere Schule, die sogenannte „Vg,nasi'bitt Uni- versitz". In seinem Testamente hat er die Mitglieder seiner Familie (er hatte vier Söhne und neun Töchter) und viele seiner treuen Diener reichlich bedacht; sein ältester Sohn William H. Vanderbilt erbte das Meiste und wird wahr¬ scheinlich alles seinem Vater in der Präsidentschaft der „Newyork Central-Eisen- bcchn" nachfolgen. Sein hinterlassenes Vermögen wird auf 70 bis 100 Mil¬ lionen Dollars geschätzt. Die sterblichen Ueberreste des Commodore Cornelius Vauderbilt wurden mit Vermeidung alles Pompes auf dem Morovian-Friedhofe bei Neu' Dorp . Rud. Doehn. auf Skalen Island beigesetzt. Me Keichstagswahl in Iayern. Wenn der große Wahlkampf des 10. Januar ganz Deutschland aufgeregt und durchzuckt hat, so hat er besonders unser Bayern mächtig bewegt. Sind wir doch so recht der Mikrokosmos des ganzen großen Reichs: nur die Polen und Protest-Elsässer fehlen uns, sonst haben wir all die großen, aufs Aeußerste gespannten Gegensätze des Reichstages aufs Schönste in und bei einander. Und diese Gegensätze standen sich bei unsern Wahlen so schroff gegenüber, wie es nur sein konnte. Auch wir haben der Überraschungen und Enttäuschungen, wenn wir nämlich Namens der liberalen Partei reden, genng zu verzeichnen. „So haben wir es uns doch nicht gedacht!" heißt's an dem und jenem Orte, aber meist war der, der es nicht so, d. h. nicht an den Sieg der Sozialdemo¬ kraten oder der Conservativen da oder dort gedacht hatte, der ehrsame Philister, der immer hinter dem Bierkrug zu kannegießern versteht, am Tag der Wahl aber meint, daß es auf seine Stimme gerade nicht ankomme, und hübsch zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/316>, abgerufen am 04.05.2024.