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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Ile fünfundzwanzig Kegentenjahre des Hroszherzogs
von Jaden.

Wenn in unseren Tagen ein deutscher Partikularstaat, dessen Bodenfläche
sich ans ein Areal von 278 Quadratmeilen beschränkt und dessen Einwohner-
Zahl sich auf rund 1^ Millionen beziffert, das Negierungsjnbiläum seines
Fürsten feiert, so wäre es Thorheit, die Begeisterung des deutschen Volkes für
solche Freude aufrufen zu wollen. Vollends aber müßte man allen Ernstes
an den gesunden Sinnen dessen zweifeln, der sich berechtigt glaubte, in euro¬
päische Kreisen auf Antheilnahme an dem Ereignis; rechnen zu dürfen. Auch

jenen nicht ganz 300 Quadratmeilen uoch l000 hinzugefügt siud und die
Einwohnerzahl die des fünftgrößten der deutschen Einzelstaaten um das Krei¬
sche übersteigt, würde doch unter allen Umständen das Negierungsjnbiläum
des Fürsten nimmermehr zu eiuer politischen Aktion des deutschen Volkes oder
gar zu einem wenn auch nur leise accompagnirten Feste der europäischen Völ¬
kerschaften und Kabinette aufgebauscht werden können. Das Deutschland der
Jetztzeit feiert die Jahrestage seines Kaisers und die Jubiläen Seines Hauses,
und Europa sendet seine Wünsche in das Berliner Königs- und Kaiserschloß,
3the seine Sympathien, seine Antipathien nicht für oder gegen eine der zwei-
"ndzwanzig Residenzen deutscher Fürsten kund, sondern die deutsche Welt- und
Kaiserstadt ist's, nach der es hoffend oder fürchtend, segnend oder grollend aus-
sHaut. Das ist so gekommen im Gang der Geschichte, die richtend ihres heili¬
gen Amtes waltet und das Volk der Deutschen eben , jetzt auf wunderbaren
Segenswegen dem Ziele seiner Einheit und seiner europäischen Machtstellung
"ah und näher geführt hat. Die Bedeutung der deutschen Einzelstaaten ist in
dem denkenden Theil unseres Volkes rasch gesunken, so rasch, daß gar manche,
die in der Gemüthlichkeit der Kleinstaaterei die politischen Kinderschuhe nicht
austreten konnten, der in Riesenschritten vorwärts drängenden Entwickelung nicht
Zu folgen vermochten. Mögen sie nachhinken, klagend und jammernd, daß


Grenzboten II. 1877. S1
Ile fünfundzwanzig Kegentenjahre des Hroszherzogs
von Jaden.

Wenn in unseren Tagen ein deutscher Partikularstaat, dessen Bodenfläche
sich ans ein Areal von 278 Quadratmeilen beschränkt und dessen Einwohner-
Zahl sich auf rund 1^ Millionen beziffert, das Negierungsjnbiläum seines
Fürsten feiert, so wäre es Thorheit, die Begeisterung des deutschen Volkes für
solche Freude aufrufen zu wollen. Vollends aber müßte man allen Ernstes
an den gesunden Sinnen dessen zweifeln, der sich berechtigt glaubte, in euro¬
päische Kreisen auf Antheilnahme an dem Ereignis; rechnen zu dürfen. Auch

jenen nicht ganz 300 Quadratmeilen uoch l000 hinzugefügt siud und die
Einwohnerzahl die des fünftgrößten der deutschen Einzelstaaten um das Krei¬
sche übersteigt, würde doch unter allen Umständen das Negierungsjnbiläum
des Fürsten nimmermehr zu eiuer politischen Aktion des deutschen Volkes oder
gar zu einem wenn auch nur leise accompagnirten Feste der europäischen Völ¬
kerschaften und Kabinette aufgebauscht werden können. Das Deutschland der
Jetztzeit feiert die Jahrestage seines Kaisers und die Jubiläen Seines Hauses,
und Europa sendet seine Wünsche in das Berliner Königs- und Kaiserschloß,
3the seine Sympathien, seine Antipathien nicht für oder gegen eine der zwei-
"ndzwanzig Residenzen deutscher Fürsten kund, sondern die deutsche Welt- und
Kaiserstadt ist's, nach der es hoffend oder fürchtend, segnend oder grollend aus-
sHaut. Das ist so gekommen im Gang der Geschichte, die richtend ihres heili¬
gen Amtes waltet und das Volk der Deutschen eben , jetzt auf wunderbaren
Segenswegen dem Ziele seiner Einheit und seiner europäischen Machtstellung
"ah und näher geführt hat. Die Bedeutung der deutschen Einzelstaaten ist in
dem denkenden Theil unseres Volkes rasch gesunken, so rasch, daß gar manche,
die in der Gemüthlichkeit der Kleinstaaterei die politischen Kinderschuhe nicht
austreten konnten, der in Riesenschritten vorwärts drängenden Entwickelung nicht
Zu folgen vermochten. Mögen sie nachhinken, klagend und jammernd, daß


Grenzboten II. 1877. S1
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[0165] Ile fünfundzwanzig Kegentenjahre des Hroszherzogs von Jaden. Wenn in unseren Tagen ein deutscher Partikularstaat, dessen Bodenfläche sich ans ein Areal von 278 Quadratmeilen beschränkt und dessen Einwohner- Zahl sich auf rund 1^ Millionen beziffert, das Negierungsjnbiläum seines Fürsten feiert, so wäre es Thorheit, die Begeisterung des deutschen Volkes für solche Freude aufrufen zu wollen. Vollends aber müßte man allen Ernstes an den gesunden Sinnen dessen zweifeln, der sich berechtigt glaubte, in euro¬ päische Kreisen auf Antheilnahme an dem Ereignis; rechnen zu dürfen. Auch jenen nicht ganz 300 Quadratmeilen uoch l000 hinzugefügt siud und die Einwohnerzahl die des fünftgrößten der deutschen Einzelstaaten um das Krei¬ sche übersteigt, würde doch unter allen Umständen das Negierungsjnbiläum des Fürsten nimmermehr zu eiuer politischen Aktion des deutschen Volkes oder gar zu einem wenn auch nur leise accompagnirten Feste der europäischen Völ¬ kerschaften und Kabinette aufgebauscht werden können. Das Deutschland der Jetztzeit feiert die Jahrestage seines Kaisers und die Jubiläen Seines Hauses, und Europa sendet seine Wünsche in das Berliner Königs- und Kaiserschloß, 3the seine Sympathien, seine Antipathien nicht für oder gegen eine der zwei- "ndzwanzig Residenzen deutscher Fürsten kund, sondern die deutsche Welt- und Kaiserstadt ist's, nach der es hoffend oder fürchtend, segnend oder grollend aus- sHaut. Das ist so gekommen im Gang der Geschichte, die richtend ihres heili¬ gen Amtes waltet und das Volk der Deutschen eben , jetzt auf wunderbaren Segenswegen dem Ziele seiner Einheit und seiner europäischen Machtstellung "ah und näher geführt hat. Die Bedeutung der deutschen Einzelstaaten ist in dem denkenden Theil unseres Volkes rasch gesunken, so rasch, daß gar manche, die in der Gemüthlichkeit der Kleinstaaterei die politischen Kinderschuhe nicht austreten konnten, der in Riesenschritten vorwärts drängenden Entwickelung nicht Zu folgen vermochten. Mögen sie nachhinken, klagend und jammernd, daß Grenzboten II. 1877. S1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/165>, abgerufen am 26.05.2024.