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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Sachsen-Koburg-Gotha, Reuß-Greiz-Schleiz-Lobenstein und andere Grund- und
Eckpfeiler der deutschen Sonderbündelei in ihrer völkersittigenden, kulturfördern¬
den Bedeutung uicht mehr gewürdigt werden. Das an der Hand selbsterlebter
Geschichte herangereifte Geschlecht der Neuzeit hat kein Verständniß für solche
Gemüthsergüsse. Ihm steht fest, daß, wie v. Treitschke schon im Jahr 1865
in seinem Aufsatz "die Parteien und die Herzogthümer" gesagt hat, die schöpfe¬
rischen politischen Kräfte unserer Nation heute nur noch im Reiche und in dem
preußischen Staate wirksam sind, und daß -- fügen wir hinzu -- die Einzel¬
staaten ihre jetzige und künftige Aufgabe um so treuer erfüllen, je fester und
energischer sie sich in das mit Preußen verwachsene, von Preußen geführte
Reich einfügen. Es ergibt sich von selbst, daß von solchem Standpunkt aus
die Bedeutung der Partikularstaaten nicht mehr als eine solche erachtet wird,
deren Haus- und Familienereignisse die Augen der Welt auf sich lenken. Wenn
aber das badische Volk in diesen Tagen mit innigen Wünschen seines Fürsten
gedenkt, so mag es dies thun in dem freudigen Bewußtsein, daß der Fürst,
dem die Wünsche gelten, in seinem innersten Wollen und Streben einig geht
mit jenem das Geschehene rückhaltlos anerkennenden und bejahenden politischen
Denken und Handeln der Besten im Reich der Deutschen. Und eben dieses
vor allem auch ist es, was dem Regierungsjubiläum des badischen Großher¬
zogs eine Antheilnahme aus weiteren Kreisen des deutschen Volkes zu¬
wendet. Nicht minder aber werden manche gerne ihre Blicke einer Periode
des innerbadischen Staatslebens zuwenden, die unter der Regierung des
Jubilars die reichsten Segnungen freiheitlicher Entwickelung ausge¬
gossen hat über das frische, kräftige Volk des paradiesisch schönen Landes.
Nicht ein ins einzelne ausgeführtes Bild will sich dem geneigten Leser in den
nachstehenden Zeilen darbieten, wohl aber eine Skizze, die in andeutenden Um¬
rissen das innerbadische Staatsleben charakterisirt, wie es unter der Regierung
des Großherzogs Friedrich sich gestaltet hat, und die des ferneren die Arbeit
zu würdigen sucht, welche Baden unter dieses seines Fürsten Führung für die
deutsche Sache geleistet hat in ausdauerndem treuem Bemühen.

In trüben Tagen deutscher Geschichte stieg am 24. April 1852 Großherzog
Leopold von Baden nach zweiundzwanzigjähriger Regierung zu Grabe und über¬
nahm der Zweitälteste Sohn des Hauses, Prinz Friedrich Wilhelm Ludwig,
an Stelle des infolge schweren körperlichen und geistigen Leidens regierungs¬
unfähigen Erbgroßherzogs als Prinzregent die Regierung, welche er, noch z"
Lebzeiten des unheilbar kranken Bruders (5. September 1856) mit der Gro߬
herzoglichen Würde bekleidet, zum Heil des Landes, zum Segen des deutschen
Volkes nunmehr fünfundzwanzig Jahre führt. Harte Prüfungen, schwere Er¬
fahrungen, so konnte jeder tiefer Blickende mit Gewißheit ahnen, würden dem


Sachsen-Koburg-Gotha, Reuß-Greiz-Schleiz-Lobenstein und andere Grund- und
Eckpfeiler der deutschen Sonderbündelei in ihrer völkersittigenden, kulturfördern¬
den Bedeutung uicht mehr gewürdigt werden. Das an der Hand selbsterlebter
Geschichte herangereifte Geschlecht der Neuzeit hat kein Verständniß für solche
Gemüthsergüsse. Ihm steht fest, daß, wie v. Treitschke schon im Jahr 1865
in seinem Aufsatz „die Parteien und die Herzogthümer" gesagt hat, die schöpfe¬
rischen politischen Kräfte unserer Nation heute nur noch im Reiche und in dem
preußischen Staate wirksam sind, und daß — fügen wir hinzu — die Einzel¬
staaten ihre jetzige und künftige Aufgabe um so treuer erfüllen, je fester und
energischer sie sich in das mit Preußen verwachsene, von Preußen geführte
Reich einfügen. Es ergibt sich von selbst, daß von solchem Standpunkt aus
die Bedeutung der Partikularstaaten nicht mehr als eine solche erachtet wird,
deren Haus- und Familienereignisse die Augen der Welt auf sich lenken. Wenn
aber das badische Volk in diesen Tagen mit innigen Wünschen seines Fürsten
gedenkt, so mag es dies thun in dem freudigen Bewußtsein, daß der Fürst,
dem die Wünsche gelten, in seinem innersten Wollen und Streben einig geht
mit jenem das Geschehene rückhaltlos anerkennenden und bejahenden politischen
Denken und Handeln der Besten im Reich der Deutschen. Und eben dieses
vor allem auch ist es, was dem Regierungsjubiläum des badischen Großher¬
zogs eine Antheilnahme aus weiteren Kreisen des deutschen Volkes zu¬
wendet. Nicht minder aber werden manche gerne ihre Blicke einer Periode
des innerbadischen Staatslebens zuwenden, die unter der Regierung des
Jubilars die reichsten Segnungen freiheitlicher Entwickelung ausge¬
gossen hat über das frische, kräftige Volk des paradiesisch schönen Landes.
Nicht ein ins einzelne ausgeführtes Bild will sich dem geneigten Leser in den
nachstehenden Zeilen darbieten, wohl aber eine Skizze, die in andeutenden Um¬
rissen das innerbadische Staatsleben charakterisirt, wie es unter der Regierung
des Großherzogs Friedrich sich gestaltet hat, und die des ferneren die Arbeit
zu würdigen sucht, welche Baden unter dieses seines Fürsten Führung für die
deutsche Sache geleistet hat in ausdauerndem treuem Bemühen.

In trüben Tagen deutscher Geschichte stieg am 24. April 1852 Großherzog
Leopold von Baden nach zweiundzwanzigjähriger Regierung zu Grabe und über¬
nahm der Zweitälteste Sohn des Hauses, Prinz Friedrich Wilhelm Ludwig,
an Stelle des infolge schweren körperlichen und geistigen Leidens regierungs¬
unfähigen Erbgroßherzogs als Prinzregent die Regierung, welche er, noch z«
Lebzeiten des unheilbar kranken Bruders (5. September 1856) mit der Gro߬
herzoglichen Würde bekleidet, zum Heil des Landes, zum Segen des deutschen
Volkes nunmehr fünfundzwanzig Jahre führt. Harte Prüfungen, schwere Er¬
fahrungen, so konnte jeder tiefer Blickende mit Gewißheit ahnen, würden dem


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[0166] Sachsen-Koburg-Gotha, Reuß-Greiz-Schleiz-Lobenstein und andere Grund- und Eckpfeiler der deutschen Sonderbündelei in ihrer völkersittigenden, kulturfördern¬ den Bedeutung uicht mehr gewürdigt werden. Das an der Hand selbsterlebter Geschichte herangereifte Geschlecht der Neuzeit hat kein Verständniß für solche Gemüthsergüsse. Ihm steht fest, daß, wie v. Treitschke schon im Jahr 1865 in seinem Aufsatz „die Parteien und die Herzogthümer" gesagt hat, die schöpfe¬ rischen politischen Kräfte unserer Nation heute nur noch im Reiche und in dem preußischen Staate wirksam sind, und daß — fügen wir hinzu — die Einzel¬ staaten ihre jetzige und künftige Aufgabe um so treuer erfüllen, je fester und energischer sie sich in das mit Preußen verwachsene, von Preußen geführte Reich einfügen. Es ergibt sich von selbst, daß von solchem Standpunkt aus die Bedeutung der Partikularstaaten nicht mehr als eine solche erachtet wird, deren Haus- und Familienereignisse die Augen der Welt auf sich lenken. Wenn aber das badische Volk in diesen Tagen mit innigen Wünschen seines Fürsten gedenkt, so mag es dies thun in dem freudigen Bewußtsein, daß der Fürst, dem die Wünsche gelten, in seinem innersten Wollen und Streben einig geht mit jenem das Geschehene rückhaltlos anerkennenden und bejahenden politischen Denken und Handeln der Besten im Reich der Deutschen. Und eben dieses vor allem auch ist es, was dem Regierungsjubiläum des badischen Großher¬ zogs eine Antheilnahme aus weiteren Kreisen des deutschen Volkes zu¬ wendet. Nicht minder aber werden manche gerne ihre Blicke einer Periode des innerbadischen Staatslebens zuwenden, die unter der Regierung des Jubilars die reichsten Segnungen freiheitlicher Entwickelung ausge¬ gossen hat über das frische, kräftige Volk des paradiesisch schönen Landes. Nicht ein ins einzelne ausgeführtes Bild will sich dem geneigten Leser in den nachstehenden Zeilen darbieten, wohl aber eine Skizze, die in andeutenden Um¬ rissen das innerbadische Staatsleben charakterisirt, wie es unter der Regierung des Großherzogs Friedrich sich gestaltet hat, und die des ferneren die Arbeit zu würdigen sucht, welche Baden unter dieses seines Fürsten Führung für die deutsche Sache geleistet hat in ausdauerndem treuem Bemühen. In trüben Tagen deutscher Geschichte stieg am 24. April 1852 Großherzog Leopold von Baden nach zweiundzwanzigjähriger Regierung zu Grabe und über¬ nahm der Zweitälteste Sohn des Hauses, Prinz Friedrich Wilhelm Ludwig, an Stelle des infolge schweren körperlichen und geistigen Leidens regierungs¬ unfähigen Erbgroßherzogs als Prinzregent die Regierung, welche er, noch z« Lebzeiten des unheilbar kranken Bruders (5. September 1856) mit der Gro߬ herzoglichen Würde bekleidet, zum Heil des Landes, zum Segen des deutschen Volkes nunmehr fünfundzwanzig Jahre führt. Harte Prüfungen, schwere Er¬ fahrungen, so konnte jeder tiefer Blickende mit Gewißheit ahnen, würden dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/166>, abgerufen am 17.06.2024.