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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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und die feierliche Bestattung stattfindet, da sind es wiederum die Frauen,
welche dem Todten die letzten Liebes- und Abschiedsworte zurufen. "Großes
Leid, sagt Andromache, hast du uns allen mit deinem Tode zugefügt, am
meisten aber mir; denn du hast mir nicht vom Sterbelager die Hand entgegen¬
gestreckt, noch mir ein letztes Liebeswort gesagt, an das ich in allen Tagen
meines Kummers mich erinnern könnte". Auch Hekabe, die Mutter, und
Helena beklagen den Todten, und die dienenden Frauen erheben die laute
Todtenklage. "Also feierten sie die Bestattung des reisigen Hektor." --

Wenn wir nun aus dem Gebiete poetischer Ueberlieferungen in die ge¬
schichtliche Zeit übergehen, aus der uns sichere Zeugnisse überliefert sind, so
tritt uns ein auffallender Unterschied in der Stellung der Frauen bei den
einzelnen Volksstämmen der Griechen entgegen. Den bedeutenden und inte¬
ressanten Gegensatz zwischen dem dorischen und ionischen Volkscharakter, wie
er sich in Sprache, Sitte, Architektur, Musik und Lebenseinrichtungen äußert,
mit allen seinen Folgen hier zu entwickeln muß ich mir versagen. Ich be¬
gnüge mich diejenigen Seiten hervorzuheben, welche für unser Thema aus¬
schlaggebend sind, und beschränke mich wie unsere Quellen im Ganzen ans die
Hauptrepräsentanten beider Stämme, die Spartaner und Athener.




Witz und Kumor im deutschen DolKsthum.

Deutscher Bolkshmnor. Bon Moritz Busch. Leipzig, Verlag von Fr. W. Grunow, 1877.

Der Kern oder sagen wir der Keim dieses Buches, mit dem eine Lücke in
unserer Literatur ausgefüllt wird, ist ein Aufsatz, den dieses Blatt in der
Karnevalswoche des vorigen Jahres vom Verfasser brachte. Derselbe hatte
dort zeigen können, daß den Deutschen die Gabe und Gelegenheit, einen guten
Spaß machen zu können, zu allen Zeiten sast ebenso viel werth gewesen ist
als die Fähigkeit, ein gut Stück Arbeit liefern zu können. Dieser Artikel hatte
sich dann zusehends durch neue Gesichtspunkte und Beispiele erweitert, und so
hatte sich zuletzt so viel Material ergötzlichster Art zusammengefunden, daß die kurzen
Absätze jener Abhandlung zu ebenso vielen Kapiteln wurden und bas Ganze
sich in einen stattlichen Band von 352 Seiten verwandelte. "Ich suchte weiter",
sagt Busch in den einleitenden Worten, "und entdeckte mehr und mehr von
jenem liebenswerthen Zuge im Charakter unseres Volkes, ging über die Grenze
und verglich das dort Gefundene mit dem Heimischen und kam dabei zu dem


und die feierliche Bestattung stattfindet, da sind es wiederum die Frauen,
welche dem Todten die letzten Liebes- und Abschiedsworte zurufen. „Großes
Leid, sagt Andromache, hast du uns allen mit deinem Tode zugefügt, am
meisten aber mir; denn du hast mir nicht vom Sterbelager die Hand entgegen¬
gestreckt, noch mir ein letztes Liebeswort gesagt, an das ich in allen Tagen
meines Kummers mich erinnern könnte". Auch Hekabe, die Mutter, und
Helena beklagen den Todten, und die dienenden Frauen erheben die laute
Todtenklage. „Also feierten sie die Bestattung des reisigen Hektor." —

Wenn wir nun aus dem Gebiete poetischer Ueberlieferungen in die ge¬
schichtliche Zeit übergehen, aus der uns sichere Zeugnisse überliefert sind, so
tritt uns ein auffallender Unterschied in der Stellung der Frauen bei den
einzelnen Volksstämmen der Griechen entgegen. Den bedeutenden und inte¬
ressanten Gegensatz zwischen dem dorischen und ionischen Volkscharakter, wie
er sich in Sprache, Sitte, Architektur, Musik und Lebenseinrichtungen äußert,
mit allen seinen Folgen hier zu entwickeln muß ich mir versagen. Ich be¬
gnüge mich diejenigen Seiten hervorzuheben, welche für unser Thema aus¬
schlaggebend sind, und beschränke mich wie unsere Quellen im Ganzen ans die
Hauptrepräsentanten beider Stämme, die Spartaner und Athener.




Witz und Kumor im deutschen DolKsthum.

Deutscher Bolkshmnor. Bon Moritz Busch. Leipzig, Verlag von Fr. W. Grunow, 1877.

Der Kern oder sagen wir der Keim dieses Buches, mit dem eine Lücke in
unserer Literatur ausgefüllt wird, ist ein Aufsatz, den dieses Blatt in der
Karnevalswoche des vorigen Jahres vom Verfasser brachte. Derselbe hatte
dort zeigen können, daß den Deutschen die Gabe und Gelegenheit, einen guten
Spaß machen zu können, zu allen Zeiten sast ebenso viel werth gewesen ist
als die Fähigkeit, ein gut Stück Arbeit liefern zu können. Dieser Artikel hatte
sich dann zusehends durch neue Gesichtspunkte und Beispiele erweitert, und so
hatte sich zuletzt so viel Material ergötzlichster Art zusammengefunden, daß die kurzen
Absätze jener Abhandlung zu ebenso vielen Kapiteln wurden und bas Ganze
sich in einen stattlichen Band von 352 Seiten verwandelte. „Ich suchte weiter",
sagt Busch in den einleitenden Worten, „und entdeckte mehr und mehr von
jenem liebenswerthen Zuge im Charakter unseres Volkes, ging über die Grenze
und verglich das dort Gefundene mit dem Heimischen und kam dabei zu dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/217>, abgerufen am 26.05.2024.