Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Humor des Volkes selbst einer Anzahl von Satzungen und Bräuchen des
Rechts das Leben gegeben oder ihnen wenigstens einen Zug von sich aufge¬
prägt, und wie er noch deutlicher Einfluß anf gewisse Theile des Ceremoniels
der alten Handwerke und der alten gelehrten Genossenschaften geübt hat --
Schilderungen, die durch Einflechtung des Hanselungsverfahrens der Böttcher,
wie es der Verfasser in diesem Blatte mittheilte, eine farbenreiche Illustration
erhalten.

Das vierzehnte und letzte Kapitel endlich behandelt in Auszügen aus alten
Predigten und vollständigem Abdruck einer solchen den Humor auf der Kanzel.
Wir erhalten eine Auswahl charakteristischer Stellen aus den Leistungen
Abrahams a Sancta Clara, aus einer Missionspredigt, die 1782 in Ottakring
bei Wien gehalten wurde, das Beste aus Jobst Sackmanns berühmter Leichen¬
rede auf den Küster Wichmann, endlich die hochkomische Kirmeßpredigt Pastor
Spörers, eines Zeitgenossen Sackmanns, die mit den Worten: "Heute ist Kirch¬
weih, da essen die Bauern den Hirsebrei" anfängt, woraus man auf das
Weitere schließen möge. Summa Summarum: wir empfehlen das Buch als
ein mit Liebe und Geist geschriebenes, einen Schatz von Komik aller Art ent¬
haltendes und überdies mit höchster Eleganz gekleidetes warm und angelegent¬
lich. Es wird der angenehmste Begleiter ins Bad und in die Sommerfrische,
ein willkommenes Geschenk für alle gemüthlichen und vergnügten Seelen und
als ein Brevier, das gegen Mißmuth und Verdruß aller Art besser als viele
andere hilft, auch Melancholikern und solchen, die dazu neigen, eine werthe
Gabe sein.




Andere Irictionen.

In dem Artikel "Der Reichskanzler auf Urlaub" ist darauf hingewiesen,
daß es anßer der Hofopposition auch andere "Frictionen" gibt, welche den
Fürsten verstimmen und ermüden, seine Kraft aufreiben, seine Wirksamkeit
hemmen und so Veranlassung zu seinem Verlangen nach Entlassung aus seinen
Aemtern gaben. Wir greifen heute davon diejenige heraus, die in dem Ver¬
halten gewisser Kräfte, welche unmittelbar unter ihm -- richtiger gesprochen,
ueben ihm -- thätig sind, zu gewissen bedeutungsvollen Reformwünschen liegt,
welche die Gedanken des Fürsten erfüllen, mit deren Verwirklichung es aber
uicht vorwärts will. Mit andern Worten: der Reichskanzler vermißte, als er
seinen Abschied nachsuchte, namentlich bei dem einen seiner Kollegen die er-


Grenzboten II. 1877. 29

Humor des Volkes selbst einer Anzahl von Satzungen und Bräuchen des
Rechts das Leben gegeben oder ihnen wenigstens einen Zug von sich aufge¬
prägt, und wie er noch deutlicher Einfluß anf gewisse Theile des Ceremoniels
der alten Handwerke und der alten gelehrten Genossenschaften geübt hat —
Schilderungen, die durch Einflechtung des Hanselungsverfahrens der Böttcher,
wie es der Verfasser in diesem Blatte mittheilte, eine farbenreiche Illustration
erhalten.

Das vierzehnte und letzte Kapitel endlich behandelt in Auszügen aus alten
Predigten und vollständigem Abdruck einer solchen den Humor auf der Kanzel.
Wir erhalten eine Auswahl charakteristischer Stellen aus den Leistungen
Abrahams a Sancta Clara, aus einer Missionspredigt, die 1782 in Ottakring
bei Wien gehalten wurde, das Beste aus Jobst Sackmanns berühmter Leichen¬
rede auf den Küster Wichmann, endlich die hochkomische Kirmeßpredigt Pastor
Spörers, eines Zeitgenossen Sackmanns, die mit den Worten: „Heute ist Kirch¬
weih, da essen die Bauern den Hirsebrei" anfängt, woraus man auf das
Weitere schließen möge. Summa Summarum: wir empfehlen das Buch als
ein mit Liebe und Geist geschriebenes, einen Schatz von Komik aller Art ent¬
haltendes und überdies mit höchster Eleganz gekleidetes warm und angelegent¬
lich. Es wird der angenehmste Begleiter ins Bad und in die Sommerfrische,
ein willkommenes Geschenk für alle gemüthlichen und vergnügten Seelen und
als ein Brevier, das gegen Mißmuth und Verdruß aller Art besser als viele
andere hilft, auch Melancholikern und solchen, die dazu neigen, eine werthe
Gabe sein.




Andere Irictionen.

In dem Artikel „Der Reichskanzler auf Urlaub" ist darauf hingewiesen,
daß es anßer der Hofopposition auch andere „Frictionen" gibt, welche den
Fürsten verstimmen und ermüden, seine Kraft aufreiben, seine Wirksamkeit
hemmen und so Veranlassung zu seinem Verlangen nach Entlassung aus seinen
Aemtern gaben. Wir greifen heute davon diejenige heraus, die in dem Ver¬
halten gewisser Kräfte, welche unmittelbar unter ihm — richtiger gesprochen,
ueben ihm — thätig sind, zu gewissen bedeutungsvollen Reformwünschen liegt,
welche die Gedanken des Fürsten erfüllen, mit deren Verwirklichung es aber
uicht vorwärts will. Mit andern Worten: der Reichskanzler vermißte, als er
seinen Abschied nachsuchte, namentlich bei dem einen seiner Kollegen die er-


Grenzboten II. 1877. 29
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0229" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137930"/>
          <p xml:id="ID_609" prev="#ID_608"> Humor des Volkes selbst einer Anzahl von Satzungen und Bräuchen des<lb/>
Rechts das Leben gegeben oder ihnen wenigstens einen Zug von sich aufge¬<lb/>
prägt, und wie er noch deutlicher Einfluß anf gewisse Theile des Ceremoniels<lb/>
der alten Handwerke und der alten gelehrten Genossenschaften geübt hat &#x2014;<lb/>
Schilderungen, die durch Einflechtung des Hanselungsverfahrens der Böttcher,<lb/>
wie es der Verfasser in diesem Blatte mittheilte, eine farbenreiche Illustration<lb/>
erhalten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_610"> Das vierzehnte und letzte Kapitel endlich behandelt in Auszügen aus alten<lb/>
Predigten und vollständigem Abdruck einer solchen den Humor auf der Kanzel.<lb/>
Wir erhalten eine Auswahl charakteristischer Stellen aus den Leistungen<lb/>
Abrahams a Sancta Clara, aus einer Missionspredigt, die 1782 in Ottakring<lb/>
bei Wien gehalten wurde, das Beste aus Jobst Sackmanns berühmter Leichen¬<lb/>
rede auf den Küster Wichmann, endlich die hochkomische Kirmeßpredigt Pastor<lb/>
Spörers, eines Zeitgenossen Sackmanns, die mit den Worten: &#x201E;Heute ist Kirch¬<lb/>
weih, da essen die Bauern den Hirsebrei" anfängt, woraus man auf das<lb/>
Weitere schließen möge. Summa Summarum: wir empfehlen das Buch als<lb/>
ein mit Liebe und Geist geschriebenes, einen Schatz von Komik aller Art ent¬<lb/>
haltendes und überdies mit höchster Eleganz gekleidetes warm und angelegent¬<lb/>
lich. Es wird der angenehmste Begleiter ins Bad und in die Sommerfrische,<lb/>
ein willkommenes Geschenk für alle gemüthlichen und vergnügten Seelen und<lb/>
als ein Brevier, das gegen Mißmuth und Verdruß aller Art besser als viele<lb/>
andere hilft, auch Melancholikern und solchen, die dazu neigen, eine werthe<lb/>
Gabe sein.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Andere Irictionen.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_611" next="#ID_612"> In dem Artikel &#x201E;Der Reichskanzler auf Urlaub" ist darauf hingewiesen,<lb/>
daß es anßer der Hofopposition auch andere &#x201E;Frictionen" gibt, welche den<lb/>
Fürsten verstimmen und ermüden, seine Kraft aufreiben, seine Wirksamkeit<lb/>
hemmen und so Veranlassung zu seinem Verlangen nach Entlassung aus seinen<lb/>
Aemtern gaben. Wir greifen heute davon diejenige heraus, die in dem Ver¬<lb/>
halten gewisser Kräfte, welche unmittelbar unter ihm &#x2014; richtiger gesprochen,<lb/>
ueben ihm &#x2014; thätig sind, zu gewissen bedeutungsvollen Reformwünschen liegt,<lb/>
welche die Gedanken des Fürsten erfüllen, mit deren Verwirklichung es aber<lb/>
uicht vorwärts will. Mit andern Worten: der Reichskanzler vermißte, als er<lb/>
seinen Abschied nachsuchte, namentlich bei dem einen seiner Kollegen die er-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II. 1877. 29</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0229] Humor des Volkes selbst einer Anzahl von Satzungen und Bräuchen des Rechts das Leben gegeben oder ihnen wenigstens einen Zug von sich aufge¬ prägt, und wie er noch deutlicher Einfluß anf gewisse Theile des Ceremoniels der alten Handwerke und der alten gelehrten Genossenschaften geübt hat — Schilderungen, die durch Einflechtung des Hanselungsverfahrens der Böttcher, wie es der Verfasser in diesem Blatte mittheilte, eine farbenreiche Illustration erhalten. Das vierzehnte und letzte Kapitel endlich behandelt in Auszügen aus alten Predigten und vollständigem Abdruck einer solchen den Humor auf der Kanzel. Wir erhalten eine Auswahl charakteristischer Stellen aus den Leistungen Abrahams a Sancta Clara, aus einer Missionspredigt, die 1782 in Ottakring bei Wien gehalten wurde, das Beste aus Jobst Sackmanns berühmter Leichen¬ rede auf den Küster Wichmann, endlich die hochkomische Kirmeßpredigt Pastor Spörers, eines Zeitgenossen Sackmanns, die mit den Worten: „Heute ist Kirch¬ weih, da essen die Bauern den Hirsebrei" anfängt, woraus man auf das Weitere schließen möge. Summa Summarum: wir empfehlen das Buch als ein mit Liebe und Geist geschriebenes, einen Schatz von Komik aller Art ent¬ haltendes und überdies mit höchster Eleganz gekleidetes warm und angelegent¬ lich. Es wird der angenehmste Begleiter ins Bad und in die Sommerfrische, ein willkommenes Geschenk für alle gemüthlichen und vergnügten Seelen und als ein Brevier, das gegen Mißmuth und Verdruß aller Art besser als viele andere hilft, auch Melancholikern und solchen, die dazu neigen, eine werthe Gabe sein. Andere Irictionen. In dem Artikel „Der Reichskanzler auf Urlaub" ist darauf hingewiesen, daß es anßer der Hofopposition auch andere „Frictionen" gibt, welche den Fürsten verstimmen und ermüden, seine Kraft aufreiben, seine Wirksamkeit hemmen und so Veranlassung zu seinem Verlangen nach Entlassung aus seinen Aemtern gaben. Wir greifen heute davon diejenige heraus, die in dem Ver¬ halten gewisser Kräfte, welche unmittelbar unter ihm — richtiger gesprochen, ueben ihm — thätig sind, zu gewissen bedeutungsvollen Reformwünschen liegt, welche die Gedanken des Fürsten erfüllen, mit deren Verwirklichung es aber uicht vorwärts will. Mit andern Worten: der Reichskanzler vermißte, als er seinen Abschied nachsuchte, namentlich bei dem einen seiner Kollegen die er- Grenzboten II. 1877. 29

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/229
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/229>, abgerufen am 19.05.2024.