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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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förderliche Zustimmung und Unterstützung zur Ausführung von Maßregeln
auf dem Gebiete der Zoll- und Handelspolitik und des Steuerwesens, die er
für unerläßlich' hält, und die bisher nicht in Angriff genommen werden
konnten.

"Wenn ein Jäger matt und müde geworden sei durch Herumstreifen auf
Kartoffelfeldern" -- so äußerte sich der Fürst vor ewigen Monaten in Gesell¬
schaft von Freunden -- "und nach Hause zu gehen verlange, so werde man ihn
dadurch nicht zurückhalten, daß man ihm etwa sage, in der Nähe wären Reb¬
hühner zu schießen, wohl aber, wenn mau ihm mittheile, in der nächsten Wald¬
bucht lagerten Sauen. Für eine Sauhatz würde er wieder Muth und Kräfte
haben."

So erzählt nus -- beiläufig nicht recht genau -- eiuArtikel der "EölmZeit.",
dessen Verfasser in unmittelbarster Nähe des betreffenden Ministers zu suchen
sein wird, und der deshalb durch den scherzenden und nicht gerade leise ironischen
Ton, in welchen: an mehreren Stellen die Hindernisse der Reform behandelt
werden, um so mehr auffallen muß. Die Deutung des Gleichnisses, die er gibt,
ist insoweit richtig, als unter dem zu erlegenden Hochwilde gewisse Verbesserungen
der Zoll- und Steuergesetzgebung und des Eisenbahnwesens gemeint waren.
Aber der Korrespondent verschwieg die eigentliche Moral des Bildes, und wenn
es in seiner Darstellung hieß: "Sobald Fürst Bismarck im Stande sein wird,
vollständige und motivirte Pläne vorzulegen, welche die Kritik bestehen
(sie), wird es ihm in dieser großen Frage der haudelspvlitischeu Reform unseres
Erachtens an einer großen und festen Mehrheit im Reichstage nicht länger
fehlen", und wenn dann Aehnliches in Betreff der Steuergesetzgebung und des
Eisenbahnwesens behauptet wurde, so verschob er die thatsächlichen Verhältnisse
und Umstände. Es handelt sich nicht um Vorlegung von Plänen von Seiten
des Reichskanzlers, welche "die Kritik" -- zunächst natürlich des Ministers, in
dessen Ressort sie gehören, dann des Reichstages -- "zu bestehen" hätten.
Selbst mit solchen Vorschlägen vorzugehen, liegt durchaus nicht in der Absicht
des Reichskanzlers. Er wünscht die angedeuteten Reformen, denkt aber nicht
daran, seine Wünsche selbst in Pläne umzugestalten und als Gesetzentwürfe der
Volksvertretung zu unterbreiten. Er erwartet, daß seine Kollegen dieß über¬
nehme", er hat ihnen diese Erwartung ausgesprochen, und daß der Versuch,
sie zu solcher Initiative zu veranlassen, erfolglos geblieben ist, gehört, wie uns
die "Post" vom 19. April -- wir glauben, aus bester Quelle -- versichert,
zu deu Gründen, welche den Kanzler bewogen, seinen Abschied zu verlangen.

Die eigentliche Moral jenes Jagdbildes lag nach der "Post" in dem,
was der Reichskanzler bei der Gelegenheit hinzufügte, und das lautete;

"Er könne nur dann im Dienste bleiben, wenn seine Kollegen zu den ve-


förderliche Zustimmung und Unterstützung zur Ausführung von Maßregeln
auf dem Gebiete der Zoll- und Handelspolitik und des Steuerwesens, die er
für unerläßlich' hält, und die bisher nicht in Angriff genommen werden
konnten.

„Wenn ein Jäger matt und müde geworden sei durch Herumstreifen auf
Kartoffelfeldern" — so äußerte sich der Fürst vor ewigen Monaten in Gesell¬
schaft von Freunden — „und nach Hause zu gehen verlange, so werde man ihn
dadurch nicht zurückhalten, daß man ihm etwa sage, in der Nähe wären Reb¬
hühner zu schießen, wohl aber, wenn mau ihm mittheile, in der nächsten Wald¬
bucht lagerten Sauen. Für eine Sauhatz würde er wieder Muth und Kräfte
haben."

So erzählt nus — beiläufig nicht recht genau — eiuArtikel der „EölmZeit.",
dessen Verfasser in unmittelbarster Nähe des betreffenden Ministers zu suchen
sein wird, und der deshalb durch den scherzenden und nicht gerade leise ironischen
Ton, in welchen: an mehreren Stellen die Hindernisse der Reform behandelt
werden, um so mehr auffallen muß. Die Deutung des Gleichnisses, die er gibt,
ist insoweit richtig, als unter dem zu erlegenden Hochwilde gewisse Verbesserungen
der Zoll- und Steuergesetzgebung und des Eisenbahnwesens gemeint waren.
Aber der Korrespondent verschwieg die eigentliche Moral des Bildes, und wenn
es in seiner Darstellung hieß: „Sobald Fürst Bismarck im Stande sein wird,
vollständige und motivirte Pläne vorzulegen, welche die Kritik bestehen
(sie), wird es ihm in dieser großen Frage der haudelspvlitischeu Reform unseres
Erachtens an einer großen und festen Mehrheit im Reichstage nicht länger
fehlen", und wenn dann Aehnliches in Betreff der Steuergesetzgebung und des
Eisenbahnwesens behauptet wurde, so verschob er die thatsächlichen Verhältnisse
und Umstände. Es handelt sich nicht um Vorlegung von Plänen von Seiten
des Reichskanzlers, welche „die Kritik" — zunächst natürlich des Ministers, in
dessen Ressort sie gehören, dann des Reichstages — „zu bestehen" hätten.
Selbst mit solchen Vorschlägen vorzugehen, liegt durchaus nicht in der Absicht
des Reichskanzlers. Er wünscht die angedeuteten Reformen, denkt aber nicht
daran, seine Wünsche selbst in Pläne umzugestalten und als Gesetzentwürfe der
Volksvertretung zu unterbreiten. Er erwartet, daß seine Kollegen dieß über¬
nehme», er hat ihnen diese Erwartung ausgesprochen, und daß der Versuch,
sie zu solcher Initiative zu veranlassen, erfolglos geblieben ist, gehört, wie uns
die „Post" vom 19. April — wir glauben, aus bester Quelle — versichert,
zu deu Gründen, welche den Kanzler bewogen, seinen Abschied zu verlangen.

Die eigentliche Moral jenes Jagdbildes lag nach der „Post" in dem,
was der Reichskanzler bei der Gelegenheit hinzufügte, und das lautete;

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[0230] förderliche Zustimmung und Unterstützung zur Ausführung von Maßregeln auf dem Gebiete der Zoll- und Handelspolitik und des Steuerwesens, die er für unerläßlich' hält, und die bisher nicht in Angriff genommen werden konnten. „Wenn ein Jäger matt und müde geworden sei durch Herumstreifen auf Kartoffelfeldern" — so äußerte sich der Fürst vor ewigen Monaten in Gesell¬ schaft von Freunden — „und nach Hause zu gehen verlange, so werde man ihn dadurch nicht zurückhalten, daß man ihm etwa sage, in der Nähe wären Reb¬ hühner zu schießen, wohl aber, wenn mau ihm mittheile, in der nächsten Wald¬ bucht lagerten Sauen. Für eine Sauhatz würde er wieder Muth und Kräfte haben." So erzählt nus — beiläufig nicht recht genau — eiuArtikel der „EölmZeit.", dessen Verfasser in unmittelbarster Nähe des betreffenden Ministers zu suchen sein wird, und der deshalb durch den scherzenden und nicht gerade leise ironischen Ton, in welchen: an mehreren Stellen die Hindernisse der Reform behandelt werden, um so mehr auffallen muß. Die Deutung des Gleichnisses, die er gibt, ist insoweit richtig, als unter dem zu erlegenden Hochwilde gewisse Verbesserungen der Zoll- und Steuergesetzgebung und des Eisenbahnwesens gemeint waren. Aber der Korrespondent verschwieg die eigentliche Moral des Bildes, und wenn es in seiner Darstellung hieß: „Sobald Fürst Bismarck im Stande sein wird, vollständige und motivirte Pläne vorzulegen, welche die Kritik bestehen (sie), wird es ihm in dieser großen Frage der haudelspvlitischeu Reform unseres Erachtens an einer großen und festen Mehrheit im Reichstage nicht länger fehlen", und wenn dann Aehnliches in Betreff der Steuergesetzgebung und des Eisenbahnwesens behauptet wurde, so verschob er die thatsächlichen Verhältnisse und Umstände. Es handelt sich nicht um Vorlegung von Plänen von Seiten des Reichskanzlers, welche „die Kritik" — zunächst natürlich des Ministers, in dessen Ressort sie gehören, dann des Reichstages — „zu bestehen" hätten. Selbst mit solchen Vorschlägen vorzugehen, liegt durchaus nicht in der Absicht des Reichskanzlers. Er wünscht die angedeuteten Reformen, denkt aber nicht daran, seine Wünsche selbst in Pläne umzugestalten und als Gesetzentwürfe der Volksvertretung zu unterbreiten. Er erwartet, daß seine Kollegen dieß über¬ nehme», er hat ihnen diese Erwartung ausgesprochen, und daß der Versuch, sie zu solcher Initiative zu veranlassen, erfolglos geblieben ist, gehört, wie uns die „Post" vom 19. April — wir glauben, aus bester Quelle — versichert, zu deu Gründen, welche den Kanzler bewogen, seinen Abschied zu verlangen. Die eigentliche Moral jenes Jagdbildes lag nach der „Post" in dem, was der Reichskanzler bei der Gelegenheit hinzufügte, und das lautete; „Er könne nur dann im Dienste bleiben, wenn seine Kollegen zu den ve-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/230>, abgerufen am 10.06.2024.