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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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die in ihrer Art hochgebildeten Chinesen über die unterste nicht hinausgekommen sind,
anders als der Verfasser unsrer Schrift zu erklären. Können sich die Sprachen
Australiens, welche durchaus nicht roh und grammatisch arm sind, in den
heutigen Wohnsitzen der sie sprechenden Stämme gebildet haben? Da, wo der
Mensch der Natur so vollständig unterlegen ist, daß er, jeder Kultur baar,
dem Thiere oft ähnlicher sieht als dem Menschen? Gewiß nicht. Die Sprache,
die dort entstanden wäre, hätte sich kaum über thierische Lautäußerungen be¬
trächtlich erheben und sicher nicht die isolirende Form der Sprachentwickelnng
überwinden können. Ihre Sprache haben die Australier aus besserem Lande,
besserer Vergangenheit mitgebracht, und niemand wird behaupten dürfen, daß
diese bessere Vergangenheit sich in Australien abgespielt'habe; denn dann sähe
man ja nicht ein, warum es schlechter geworden und warum alle Spuren der
eingebüßten Herrlichkeit so gänzlich verschwunden sein sollten. Und wollten
wir selbst dies annehmen, so entstände sogleich die andere Schwierigkeit in der
Frage: warum hat sich denn nicht in diesen früheren, besseren Verhältnissen
die Sprache regelrecht gleich bis zur Flexion fortgebildet? und wir hätten aber¬
mals nur die Antwort: weil die Sprachentwickelung im Urlande zu der Zeit,
wo die Urväter der Australier abgezogen, noch nicht bis zur Flexion gediehen war.
Denn wäre dies der Fall gewesen, so würden die Australier heute eine flektirende
Sprache reden, da keine Sprache in die niedere Art zurückfallen kann. Gab
es je einen "uomo alaws HaeeKelii", so könnte er nur in der Urheimat!) ge¬
lebt haben, aber hier schon müßte er sprechend geworden sein, bevor die
Menschheit "in Racen auseinander ging", und damit ist ja der sprachlose Ur¬
mensch im Sinne Häckel's und Julius Müller's mit allen an ihn geknüpften
Folgerungen beseitigt.


?or1es ac la I>o6sie traiiya,ig<z vontöwzM'lüll<z. Kneol!, II. ?ijttersvn 1". üls.

Eine Anzahl lyrischer Poesien von Bourget, Coppue, d'Hervilly, Victor
Hugo, Leeomte de Liste, Lemoyne, Merat, Sieffert, Soulary, Prudhomme,
Theuriet, Aieard, D6roulede, Pailleron und Grenier, einige recht hübsche
Sachen darunter, zum Beispiel das allerliebste Gespräch "Novkindre" von
Andrü Lemoyne S. 144, aber nichts von erstem Range, dagegen ziemlich viel vom
dritten. Wie bei uns scheint auch in Frankreich gegenwärtig die Dichtung nur
Mittelgut hervorzubringen. Die Ausstattung des 333 Seiten starken Bänd¬
chens ist recht geschmackvoll.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Hans Blum in Leipzig.
Verlag von F> L. Herbig in Leipzig. -- Druck von Hüthel 6 HerrmaiM in Leipzig.

die in ihrer Art hochgebildeten Chinesen über die unterste nicht hinausgekommen sind,
anders als der Verfasser unsrer Schrift zu erklären. Können sich die Sprachen
Australiens, welche durchaus nicht roh und grammatisch arm sind, in den
heutigen Wohnsitzen der sie sprechenden Stämme gebildet haben? Da, wo der
Mensch der Natur so vollständig unterlegen ist, daß er, jeder Kultur baar,
dem Thiere oft ähnlicher sieht als dem Menschen? Gewiß nicht. Die Sprache,
die dort entstanden wäre, hätte sich kaum über thierische Lautäußerungen be¬
trächtlich erheben und sicher nicht die isolirende Form der Sprachentwickelnng
überwinden können. Ihre Sprache haben die Australier aus besserem Lande,
besserer Vergangenheit mitgebracht, und niemand wird behaupten dürfen, daß
diese bessere Vergangenheit sich in Australien abgespielt'habe; denn dann sähe
man ja nicht ein, warum es schlechter geworden und warum alle Spuren der
eingebüßten Herrlichkeit so gänzlich verschwunden sein sollten. Und wollten
wir selbst dies annehmen, so entstände sogleich die andere Schwierigkeit in der
Frage: warum hat sich denn nicht in diesen früheren, besseren Verhältnissen
die Sprache regelrecht gleich bis zur Flexion fortgebildet? und wir hätten aber¬
mals nur die Antwort: weil die Sprachentwickelung im Urlande zu der Zeit,
wo die Urväter der Australier abgezogen, noch nicht bis zur Flexion gediehen war.
Denn wäre dies der Fall gewesen, so würden die Australier heute eine flektirende
Sprache reden, da keine Sprache in die niedere Art zurückfallen kann. Gab
es je einen „uomo alaws HaeeKelii", so könnte er nur in der Urheimat!) ge¬
lebt haben, aber hier schon müßte er sprechend geworden sein, bevor die
Menschheit „in Racen auseinander ging", und damit ist ja der sprachlose Ur¬
mensch im Sinne Häckel's und Julius Müller's mit allen an ihn geknüpften
Folgerungen beseitigt.


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Eine Anzahl lyrischer Poesien von Bourget, Coppue, d'Hervilly, Victor
Hugo, Leeomte de Liste, Lemoyne, Merat, Sieffert, Soulary, Prudhomme,
Theuriet, Aieard, D6roulede, Pailleron und Grenier, einige recht hübsche
Sachen darunter, zum Beispiel das allerliebste Gespräch „Novkindre" von
Andrü Lemoyne S. 144, aber nichts von erstem Range, dagegen ziemlich viel vom
dritten. Wie bei uns scheint auch in Frankreich gegenwärtig die Dichtung nur
Mittelgut hervorzubringen. Die Ausstattung des 333 Seiten starken Bänd¬
chens ist recht geschmackvoll.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Hans Blum in Leipzig.
Verlag von F> L. Herbig in Leipzig. — Druck von Hüthel 6 HerrmaiM in Leipzig.
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[0284] die in ihrer Art hochgebildeten Chinesen über die unterste nicht hinausgekommen sind, anders als der Verfasser unsrer Schrift zu erklären. Können sich die Sprachen Australiens, welche durchaus nicht roh und grammatisch arm sind, in den heutigen Wohnsitzen der sie sprechenden Stämme gebildet haben? Da, wo der Mensch der Natur so vollständig unterlegen ist, daß er, jeder Kultur baar, dem Thiere oft ähnlicher sieht als dem Menschen? Gewiß nicht. Die Sprache, die dort entstanden wäre, hätte sich kaum über thierische Lautäußerungen be¬ trächtlich erheben und sicher nicht die isolirende Form der Sprachentwickelnng überwinden können. Ihre Sprache haben die Australier aus besserem Lande, besserer Vergangenheit mitgebracht, und niemand wird behaupten dürfen, daß diese bessere Vergangenheit sich in Australien abgespielt'habe; denn dann sähe man ja nicht ein, warum es schlechter geworden und warum alle Spuren der eingebüßten Herrlichkeit so gänzlich verschwunden sein sollten. Und wollten wir selbst dies annehmen, so entstände sogleich die andere Schwierigkeit in der Frage: warum hat sich denn nicht in diesen früheren, besseren Verhältnissen die Sprache regelrecht gleich bis zur Flexion fortgebildet? und wir hätten aber¬ mals nur die Antwort: weil die Sprachentwickelung im Urlande zu der Zeit, wo die Urväter der Australier abgezogen, noch nicht bis zur Flexion gediehen war. Denn wäre dies der Fall gewesen, so würden die Australier heute eine flektirende Sprache reden, da keine Sprache in die niedere Art zurückfallen kann. Gab es je einen „uomo alaws HaeeKelii", so könnte er nur in der Urheimat!) ge¬ lebt haben, aber hier schon müßte er sprechend geworden sein, bevor die Menschheit „in Racen auseinander ging", und damit ist ja der sprachlose Ur¬ mensch im Sinne Häckel's und Julius Müller's mit allen an ihn geknüpften Folgerungen beseitigt. ?or1es ac la I>o6sie traiiya,ig<z vontöwzM'lüll<z. Kneol!, II. ?ijttersvn 1". üls. Eine Anzahl lyrischer Poesien von Bourget, Coppue, d'Hervilly, Victor Hugo, Leeomte de Liste, Lemoyne, Merat, Sieffert, Soulary, Prudhomme, Theuriet, Aieard, D6roulede, Pailleron und Grenier, einige recht hübsche Sachen darunter, zum Beispiel das allerliebste Gespräch „Novkindre" von Andrü Lemoyne S. 144, aber nichts von erstem Range, dagegen ziemlich viel vom dritten. Wie bei uns scheint auch in Frankreich gegenwärtig die Dichtung nur Mittelgut hervorzubringen. Die Ausstattung des 333 Seiten starken Bänd¬ chens ist recht geschmackvoll. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Hans Blum in Leipzig. Verlag von F> L. Herbig in Leipzig. — Druck von Hüthel 6 HerrmaiM in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/284>, abgerufen am 26.05.2024.