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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Dieselbe Ueberzeugung, die Mission zum Friedenerhalten und Frieden¬
stifter zu haben, erfüllt -- man liest wohl zwischen den Zeilen -- auch
in Betreff der Ultramontanen und ist ueben anderen Motiven Veran¬
lassung zu einem Entgegenkommen geworden, welches uns ohne diese
Voraussetzung unbegreiflich sein würde. Nachdem diese Gesellen bei den
Wahlen der Regierung eine fast beispiellos heftige Opposition gemacht, nachdem
sie sich gegen die königstreuen Kandidaten die gemeinsten Schmähungen und
die giftigsten Ränke erlaubt haben, kommen sie, den Fuchsschwanz in der Frack-
tasche. in den Kreis um die angedeutete Stelle munter und vergnügt, als ob
sie kein Wässerchen getrübt hätten, und sonnen sich in der sie bestrahlenden
Gnade und Huld. Ja man will wissen, daß bei der Censur und Korrektur
der Einladungen, die man vorzunehmen gewohnt ist, die Romtreuen, welche
sich herbeilassen, zu kommen -- nicht alle thun dies --niemals, die Königs¬
treuen in der Regel gestrichen würden.

Vielleicht ist es erlaubt, die Moral dieser Mittheilungen folgendermaßen
zu stilisiren.

Liebe zum Frieden steht an sich jedem Gemüth und Gesicht gut, vorzüg¬
lich dem weiblichen. Nur sollte unserer unmaßgeblichen Meinung nach solche
Liebe nicht dahin führen, daß man sich selbst als "Friedensengel" gefällt,
daß man sich gern so genannt hört, daß man in dieser Rolle dem Kanzler seine
Kreise stört, einsichtigen Rath gegenüber Opposition macht und hartnäckig Dinge
befürwortet, welche Kriege hervorzurufen und bereits entbrannte Kämpfe zu
verlängern angethan sind, indem der Feind im letzteren Falle den Friedens¬
engel als Bundesgenossen aufzufassen gewöhnt wird und aus seinen Be¬
mühungen immer neuen Muth zum Widerstande schöpft.

Friedensengel gehören in den Himmel, wo ihre Gefühlspolitik vermuthlich
allerhand Gelegenheit zu schönen Emotionen finden wird. Wir aber leben
auf der Erde mit ihren harten Nothwendigkeiten, die nur mit dem Verstände
zu würdigen und zu überwinden sind.




Literatur.

Goethe's äußere Erscheinung, von K. I. Schröer. Mit einer Tafel in
Lichtdruck. Hartleben, 1877.

Der Gedanke, die wichtigsten Goethe'schen Porträts, welche wir aus den
verschiedenen Perioden seines Lebens besitzen, in Verbindung mit den literari¬
schen Zeugnissen, die über seine äußere Erscheinung vorhanden sind, zur Grund-


Dieselbe Ueberzeugung, die Mission zum Friedenerhalten und Frieden¬
stifter zu haben, erfüllt — man liest wohl zwischen den Zeilen — auch
in Betreff der Ultramontanen und ist ueben anderen Motiven Veran¬
lassung zu einem Entgegenkommen geworden, welches uns ohne diese
Voraussetzung unbegreiflich sein würde. Nachdem diese Gesellen bei den
Wahlen der Regierung eine fast beispiellos heftige Opposition gemacht, nachdem
sie sich gegen die königstreuen Kandidaten die gemeinsten Schmähungen und
die giftigsten Ränke erlaubt haben, kommen sie, den Fuchsschwanz in der Frack-
tasche. in den Kreis um die angedeutete Stelle munter und vergnügt, als ob
sie kein Wässerchen getrübt hätten, und sonnen sich in der sie bestrahlenden
Gnade und Huld. Ja man will wissen, daß bei der Censur und Korrektur
der Einladungen, die man vorzunehmen gewohnt ist, die Romtreuen, welche
sich herbeilassen, zu kommen — nicht alle thun dies —niemals, die Königs¬
treuen in der Regel gestrichen würden.

Vielleicht ist es erlaubt, die Moral dieser Mittheilungen folgendermaßen
zu stilisiren.

Liebe zum Frieden steht an sich jedem Gemüth und Gesicht gut, vorzüg¬
lich dem weiblichen. Nur sollte unserer unmaßgeblichen Meinung nach solche
Liebe nicht dahin führen, daß man sich selbst als „Friedensengel" gefällt,
daß man sich gern so genannt hört, daß man in dieser Rolle dem Kanzler seine
Kreise stört, einsichtigen Rath gegenüber Opposition macht und hartnäckig Dinge
befürwortet, welche Kriege hervorzurufen und bereits entbrannte Kämpfe zu
verlängern angethan sind, indem der Feind im letzteren Falle den Friedens¬
engel als Bundesgenossen aufzufassen gewöhnt wird und aus seinen Be¬
mühungen immer neuen Muth zum Widerstande schöpft.

Friedensengel gehören in den Himmel, wo ihre Gefühlspolitik vermuthlich
allerhand Gelegenheit zu schönen Emotionen finden wird. Wir aber leben
auf der Erde mit ihren harten Nothwendigkeiten, die nur mit dem Verstände
zu würdigen und zu überwinden sind.




Literatur.

Goethe's äußere Erscheinung, von K. I. Schröer. Mit einer Tafel in
Lichtdruck. Hartleben, 1877.

Der Gedanke, die wichtigsten Goethe'schen Porträts, welche wir aus den
verschiedenen Perioden seines Lebens besitzen, in Verbindung mit den literari¬
schen Zeugnissen, die über seine äußere Erscheinung vorhanden sind, zur Grund-


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[0323] Dieselbe Ueberzeugung, die Mission zum Friedenerhalten und Frieden¬ stifter zu haben, erfüllt — man liest wohl zwischen den Zeilen — auch in Betreff der Ultramontanen und ist ueben anderen Motiven Veran¬ lassung zu einem Entgegenkommen geworden, welches uns ohne diese Voraussetzung unbegreiflich sein würde. Nachdem diese Gesellen bei den Wahlen der Regierung eine fast beispiellos heftige Opposition gemacht, nachdem sie sich gegen die königstreuen Kandidaten die gemeinsten Schmähungen und die giftigsten Ränke erlaubt haben, kommen sie, den Fuchsschwanz in der Frack- tasche. in den Kreis um die angedeutete Stelle munter und vergnügt, als ob sie kein Wässerchen getrübt hätten, und sonnen sich in der sie bestrahlenden Gnade und Huld. Ja man will wissen, daß bei der Censur und Korrektur der Einladungen, die man vorzunehmen gewohnt ist, die Romtreuen, welche sich herbeilassen, zu kommen — nicht alle thun dies —niemals, die Königs¬ treuen in der Regel gestrichen würden. Vielleicht ist es erlaubt, die Moral dieser Mittheilungen folgendermaßen zu stilisiren. Liebe zum Frieden steht an sich jedem Gemüth und Gesicht gut, vorzüg¬ lich dem weiblichen. Nur sollte unserer unmaßgeblichen Meinung nach solche Liebe nicht dahin führen, daß man sich selbst als „Friedensengel" gefällt, daß man sich gern so genannt hört, daß man in dieser Rolle dem Kanzler seine Kreise stört, einsichtigen Rath gegenüber Opposition macht und hartnäckig Dinge befürwortet, welche Kriege hervorzurufen und bereits entbrannte Kämpfe zu verlängern angethan sind, indem der Feind im letzteren Falle den Friedens¬ engel als Bundesgenossen aufzufassen gewöhnt wird und aus seinen Be¬ mühungen immer neuen Muth zum Widerstande schöpft. Friedensengel gehören in den Himmel, wo ihre Gefühlspolitik vermuthlich allerhand Gelegenheit zu schönen Emotionen finden wird. Wir aber leben auf der Erde mit ihren harten Nothwendigkeiten, die nur mit dem Verstände zu würdigen und zu überwinden sind. Literatur. Goethe's äußere Erscheinung, von K. I. Schröer. Mit einer Tafel in Lichtdruck. Hartleben, 1877. Der Gedanke, die wichtigsten Goethe'schen Porträts, welche wir aus den verschiedenen Perioden seines Lebens besitzen, in Verbindung mit den literari¬ schen Zeugnissen, die über seine äußere Erscheinung vorhanden sind, zur Grund-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/323>, abgerufen am 26.05.2024.