Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Krieg mit den Russen führen müssen, bei dem wir im günstigsten Falle dem
hochherzigen Albion die Kastanien ans dem Feuer geholt haben würden, oder
unser Machtwort hätte sich als ein Wort der Ohnmacht erwiesen, wir wären
blamirt gewesen, -- blamirt um der Interesse" Englands willen obendrein,
einer Macht, die uns Deutschen nie im Ernste wohlgewollt hat, und die uns
unsere jetzige Bedeutung in Europa nur insofern gönnt, sie nur insoweit
gut heißt, als sie sich vielleicht einmal für die Zwecke seiner Krämerpolitik ver¬
werthen lassen könnte.

Mit der Pariser Ausstellung verhielt es sich ähnlich. Auch in dieser An¬
gelegenheit wurde von der Stelle aus, die wir im Auge haben, die zur zweiten
Natur gewordene Mission "für den Frieden zu arbeiten", lebhaft empfunden
und nach dieser Empfindung gehandelt. Als die Regierung die Beschickung
der Ausstellung trotz aller Vorstellungen und Einsprüche von jener Seite ab¬
gelehnt hatte, schickte Mac Mahon den Marquis d'Abzac, einen liebenswürdi¬
gen Herrn, auf dem bei einer früheren Gelegenheit hohe Augen mit besonderer
Huld geruht hatten, nach Berlin, damit er einen letzten Versuch mache. Der
Marquis blies die Friedensschalmei und entlockte ihr äußerst schmelzende Töne.
Mit der Einladung, so hören wir ihn mit mildem, gewinnendem Lächeln
flüstern, reiche Frankreich den Deutschen die Hand zur Versöhnung. Die Aus¬
stellung sei gleichsam ein Friedenskongreß. Weßhalb man die dargebotene
Hand des zum Freunde gewordenen Gegners von Ehedem rauh zurückstoßen
wolle? Wie schön einer erhabenen Frauenstirn der Olivenkranz stehen
würde! -- und so mit Grazie noch Einiges, was zu schmeicheln und zu rühren
geeignet war. Darauf abermalige Verwendung an höchster Stelle für das
arglose, wohlwollende, so schön bittende Frankreich, wärmer, dringender als
vorher, zuletzt verdrießlich. Es half aber wieder nichts, und Monsieur le
Marquis erlangte schließlich nichts weiter als einen der höchsten Orden.

Gesetzt aber den Fall, so fragen wir anch hier, es wäre anders gekommen,
man hätte über bessere Einsicht in die Natur der Verhältnisse und klügeren
Rath hinweggesehen, und der Bote des Präsidenten der französischen Republik
wäre mit der Annahme der Einladung zu dem angeblichen Friedensfeste nach
Paris zurückgekehrt, was wäre dann die wahrscheinliche Folge gewesen?
Deutschland hätte die Ausstellung beschickt, seine Aussteller wären dadurch in
eine mindestens sehr unbehagliche Position gerathen, sie wären -- wir haben
ja Proben genng, wessen der nach Revanche dürstende Chauvinismus der Fran¬
zosen auch auf harmlosen Gebiete fähig ist -- Gefahren aller Art ausgesetzt
gewesen, kurz, es waren Vorfälle möglich und mehr als möglich, welche min¬
destens Erbitterung, vielleicht einen Notenkrieg, denkbarer Weise noch Schlimmeres
zur Folge gehabt hätten.


Krieg mit den Russen führen müssen, bei dem wir im günstigsten Falle dem
hochherzigen Albion die Kastanien ans dem Feuer geholt haben würden, oder
unser Machtwort hätte sich als ein Wort der Ohnmacht erwiesen, wir wären
blamirt gewesen, — blamirt um der Interesse» Englands willen obendrein,
einer Macht, die uns Deutschen nie im Ernste wohlgewollt hat, und die uns
unsere jetzige Bedeutung in Europa nur insofern gönnt, sie nur insoweit
gut heißt, als sie sich vielleicht einmal für die Zwecke seiner Krämerpolitik ver¬
werthen lassen könnte.

Mit der Pariser Ausstellung verhielt es sich ähnlich. Auch in dieser An¬
gelegenheit wurde von der Stelle aus, die wir im Auge haben, die zur zweiten
Natur gewordene Mission „für den Frieden zu arbeiten", lebhaft empfunden
und nach dieser Empfindung gehandelt. Als die Regierung die Beschickung
der Ausstellung trotz aller Vorstellungen und Einsprüche von jener Seite ab¬
gelehnt hatte, schickte Mac Mahon den Marquis d'Abzac, einen liebenswürdi¬
gen Herrn, auf dem bei einer früheren Gelegenheit hohe Augen mit besonderer
Huld geruht hatten, nach Berlin, damit er einen letzten Versuch mache. Der
Marquis blies die Friedensschalmei und entlockte ihr äußerst schmelzende Töne.
Mit der Einladung, so hören wir ihn mit mildem, gewinnendem Lächeln
flüstern, reiche Frankreich den Deutschen die Hand zur Versöhnung. Die Aus¬
stellung sei gleichsam ein Friedenskongreß. Weßhalb man die dargebotene
Hand des zum Freunde gewordenen Gegners von Ehedem rauh zurückstoßen
wolle? Wie schön einer erhabenen Frauenstirn der Olivenkranz stehen
würde! — und so mit Grazie noch Einiges, was zu schmeicheln und zu rühren
geeignet war. Darauf abermalige Verwendung an höchster Stelle für das
arglose, wohlwollende, so schön bittende Frankreich, wärmer, dringender als
vorher, zuletzt verdrießlich. Es half aber wieder nichts, und Monsieur le
Marquis erlangte schließlich nichts weiter als einen der höchsten Orden.

Gesetzt aber den Fall, so fragen wir anch hier, es wäre anders gekommen,
man hätte über bessere Einsicht in die Natur der Verhältnisse und klügeren
Rath hinweggesehen, und der Bote des Präsidenten der französischen Republik
wäre mit der Annahme der Einladung zu dem angeblichen Friedensfeste nach
Paris zurückgekehrt, was wäre dann die wahrscheinliche Folge gewesen?
Deutschland hätte die Ausstellung beschickt, seine Aussteller wären dadurch in
eine mindestens sehr unbehagliche Position gerathen, sie wären — wir haben
ja Proben genng, wessen der nach Revanche dürstende Chauvinismus der Fran¬
zosen auch auf harmlosen Gebiete fähig ist — Gefahren aller Art ausgesetzt
gewesen, kurz, es waren Vorfälle möglich und mehr als möglich, welche min¬
destens Erbitterung, vielleicht einen Notenkrieg, denkbarer Weise noch Schlimmeres
zur Folge gehabt hätten.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0322" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/138023"/>
          <p xml:id="ID_923" prev="#ID_922"> Krieg mit den Russen führen müssen, bei dem wir im günstigsten Falle dem<lb/>
hochherzigen Albion die Kastanien ans dem Feuer geholt haben würden, oder<lb/>
unser Machtwort hätte sich als ein Wort der Ohnmacht erwiesen, wir wären<lb/>
blamirt gewesen, &#x2014; blamirt um der Interesse» Englands willen obendrein,<lb/>
einer Macht, die uns Deutschen nie im Ernste wohlgewollt hat, und die uns<lb/>
unsere jetzige Bedeutung in Europa nur insofern gönnt, sie nur insoweit<lb/>
gut heißt, als sie sich vielleicht einmal für die Zwecke seiner Krämerpolitik ver¬<lb/>
werthen lassen könnte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_924"> Mit der Pariser Ausstellung verhielt es sich ähnlich. Auch in dieser An¬<lb/>
gelegenheit wurde von der Stelle aus, die wir im Auge haben, die zur zweiten<lb/>
Natur gewordene Mission &#x201E;für den Frieden zu arbeiten", lebhaft empfunden<lb/>
und nach dieser Empfindung gehandelt. Als die Regierung die Beschickung<lb/>
der Ausstellung trotz aller Vorstellungen und Einsprüche von jener Seite ab¬<lb/>
gelehnt hatte, schickte Mac Mahon den Marquis d'Abzac, einen liebenswürdi¬<lb/>
gen Herrn, auf dem bei einer früheren Gelegenheit hohe Augen mit besonderer<lb/>
Huld geruht hatten, nach Berlin, damit er einen letzten Versuch mache. Der<lb/>
Marquis blies die Friedensschalmei und entlockte ihr äußerst schmelzende Töne.<lb/>
Mit der Einladung, so hören wir ihn mit mildem, gewinnendem Lächeln<lb/>
flüstern, reiche Frankreich den Deutschen die Hand zur Versöhnung. Die Aus¬<lb/>
stellung sei gleichsam ein Friedenskongreß. Weßhalb man die dargebotene<lb/>
Hand des zum Freunde gewordenen Gegners von Ehedem rauh zurückstoßen<lb/>
wolle? Wie schön einer erhabenen Frauenstirn der Olivenkranz stehen<lb/>
würde! &#x2014; und so mit Grazie noch Einiges, was zu schmeicheln und zu rühren<lb/>
geeignet war. Darauf abermalige Verwendung an höchster Stelle für das<lb/>
arglose, wohlwollende, so schön bittende Frankreich, wärmer, dringender als<lb/>
vorher, zuletzt verdrießlich. Es half aber wieder nichts, und Monsieur le<lb/>
Marquis erlangte schließlich nichts weiter als einen der höchsten Orden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_925"> Gesetzt aber den Fall, so fragen wir anch hier, es wäre anders gekommen,<lb/>
man hätte über bessere Einsicht in die Natur der Verhältnisse und klügeren<lb/>
Rath hinweggesehen, und der Bote des Präsidenten der französischen Republik<lb/>
wäre mit der Annahme der Einladung zu dem angeblichen Friedensfeste nach<lb/>
Paris zurückgekehrt, was wäre dann die wahrscheinliche Folge gewesen?<lb/>
Deutschland hätte die Ausstellung beschickt, seine Aussteller wären dadurch in<lb/>
eine mindestens sehr unbehagliche Position gerathen, sie wären &#x2014; wir haben<lb/>
ja Proben genng, wessen der nach Revanche dürstende Chauvinismus der Fran¬<lb/>
zosen auch auf harmlosen Gebiete fähig ist &#x2014; Gefahren aller Art ausgesetzt<lb/>
gewesen, kurz, es waren Vorfälle möglich und mehr als möglich, welche min¬<lb/>
destens Erbitterung, vielleicht einen Notenkrieg, denkbarer Weise noch Schlimmeres<lb/>
zur Folge gehabt hätten.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0322] Krieg mit den Russen führen müssen, bei dem wir im günstigsten Falle dem hochherzigen Albion die Kastanien ans dem Feuer geholt haben würden, oder unser Machtwort hätte sich als ein Wort der Ohnmacht erwiesen, wir wären blamirt gewesen, — blamirt um der Interesse» Englands willen obendrein, einer Macht, die uns Deutschen nie im Ernste wohlgewollt hat, und die uns unsere jetzige Bedeutung in Europa nur insofern gönnt, sie nur insoweit gut heißt, als sie sich vielleicht einmal für die Zwecke seiner Krämerpolitik ver¬ werthen lassen könnte. Mit der Pariser Ausstellung verhielt es sich ähnlich. Auch in dieser An¬ gelegenheit wurde von der Stelle aus, die wir im Auge haben, die zur zweiten Natur gewordene Mission „für den Frieden zu arbeiten", lebhaft empfunden und nach dieser Empfindung gehandelt. Als die Regierung die Beschickung der Ausstellung trotz aller Vorstellungen und Einsprüche von jener Seite ab¬ gelehnt hatte, schickte Mac Mahon den Marquis d'Abzac, einen liebenswürdi¬ gen Herrn, auf dem bei einer früheren Gelegenheit hohe Augen mit besonderer Huld geruht hatten, nach Berlin, damit er einen letzten Versuch mache. Der Marquis blies die Friedensschalmei und entlockte ihr äußerst schmelzende Töne. Mit der Einladung, so hören wir ihn mit mildem, gewinnendem Lächeln flüstern, reiche Frankreich den Deutschen die Hand zur Versöhnung. Die Aus¬ stellung sei gleichsam ein Friedenskongreß. Weßhalb man die dargebotene Hand des zum Freunde gewordenen Gegners von Ehedem rauh zurückstoßen wolle? Wie schön einer erhabenen Frauenstirn der Olivenkranz stehen würde! — und so mit Grazie noch Einiges, was zu schmeicheln und zu rühren geeignet war. Darauf abermalige Verwendung an höchster Stelle für das arglose, wohlwollende, so schön bittende Frankreich, wärmer, dringender als vorher, zuletzt verdrießlich. Es half aber wieder nichts, und Monsieur le Marquis erlangte schließlich nichts weiter als einen der höchsten Orden. Gesetzt aber den Fall, so fragen wir anch hier, es wäre anders gekommen, man hätte über bessere Einsicht in die Natur der Verhältnisse und klügeren Rath hinweggesehen, und der Bote des Präsidenten der französischen Republik wäre mit der Annahme der Einladung zu dem angeblichen Friedensfeste nach Paris zurückgekehrt, was wäre dann die wahrscheinliche Folge gewesen? Deutschland hätte die Ausstellung beschickt, seine Aussteller wären dadurch in eine mindestens sehr unbehagliche Position gerathen, sie wären — wir haben ja Proben genng, wessen der nach Revanche dürstende Chauvinismus der Fran¬ zosen auch auf harmlosen Gebiete fähig ist — Gefahren aller Art ausgesetzt gewesen, kurz, es waren Vorfälle möglich und mehr als möglich, welche min¬ destens Erbitterung, vielleicht einen Notenkrieg, denkbarer Weise noch Schlimmeres zur Folge gehabt hätten.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/322
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/322>, abgerufen am 17.06.2024.