Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Die MrteiverlMnisse in den Vereinigten Staaten.

Seitdem es dem Präsidenten Hayes gelungen ist, die republikanische und
demokratische Dvppelwirthschaft in den Staaten Südkarolina und Louisiana
dadurch zu lösen, daß durch seine Vermittelung in Südkarolina der republika¬
nische Prätendent D. H. Chamberlain dem demokratischen Gouverneur Wade
Hampton Platz machte und in Louisiana der Republikaner S. B. Packard
seinem demokratischen Rivalen Francis T. Nicholls den lange und heftig be-
strittenen Gouverneursposten überließ, sind die sämmtlichen Südstaaten der
nordamerikanischen Union wieder in den ungeschmälerten Genuß der Rechte
und Privilegien der Selbstregierung eingetreten. Die militärische und sonstige
Einmischung der Bundesregierung in die Lokalangelegenheiten der Südstaaten
hat damit aufgehört, das berüchtigte Carpetbaggerthum hat sein Ende erreicht,
und es muß sich nun zeigen, ob das Volk des Südens im Stande ist, die
Freiheit zu ertragen, d. h. bei den durch die Abschaffung der Negersklaverei
wesentlich veränderten socialen und politischen Verhältnissen ein geordnetes Ge¬
meindewesen im Einklang mit den Staats- und Bundesgesetzen durch eigene
Kraft und Weisheit aufrecht zu erhalten und gedeihlich weiter zu entwickeln.
Wade Hamptvn wie auch Nicholls haben feierlich versprochen, daß sie im Sinne
der Grundsätze, welche Präsident Hayes in seiner Jnaugurationsrede vom
5. März d. I. in Bezug ans die Südfrage darlegte, in ihren respektiven Staaten
die Regierung führen wollen.

Wie nun amerikanische Blätter melden, sind verschiedene alte Parteiführer
der republikanischen Partei, wie z. B. der Bundessenator James G. Blaine
und der Kvngreßrepräsentant Benjamin F. Butler, durchaus nicht damit zufrieden
gewesen, daß Hayes sich weigerte, dem Beispiele seines Amtsvorgängers Grant
zu folgen und die angeblichen Regierungsansprüche Chcunberlain's und
Packard's durch Bundesbajonette aufrecht zu erhalten. Wenn indeß diese unzu¬
friedenen Politiker behaupten, daß durch die Niederlage von Chamberlain und
Packard der Rechtstitel des Herrn Hayes auf die Präsidentschaft selbst hin¬
fällig werde, da er auf demselben Fundamente beruhe wie derjenige Chamber-
lain's und Packard's, so ist dies eine in jeder Hinsicht falsche Auffassung, da in
Amerika die Feststellung des endgiltigen Resultates einer Gouverneurswahl sich
innerhalb ganz anderer Rechtssphären vollzieht als die Feststellung des Resul¬
tates eiuer Präsidentenwahl. Das Letztere hat der Kongreß, das Erstere die
Gesetzgebung der einzelnen Unionsstaaten zu thun, und es steht in den Ver¬
einigten Staaten der Bundesregierung nur dann zu, sich in die Angelegenheiten
der Einzelstaaten zu mischen, wenn daselbst anarchische Zustände herrschen und
ihre Hilfe von der Legislatur dieser Einzelstaaten oder für den Fall, daß die


Grnizbotcn II. 1877. 60
Die MrteiverlMnisse in den Vereinigten Staaten.

Seitdem es dem Präsidenten Hayes gelungen ist, die republikanische und
demokratische Dvppelwirthschaft in den Staaten Südkarolina und Louisiana
dadurch zu lösen, daß durch seine Vermittelung in Südkarolina der republika¬
nische Prätendent D. H. Chamberlain dem demokratischen Gouverneur Wade
Hampton Platz machte und in Louisiana der Republikaner S. B. Packard
seinem demokratischen Rivalen Francis T. Nicholls den lange und heftig be-
strittenen Gouverneursposten überließ, sind die sämmtlichen Südstaaten der
nordamerikanischen Union wieder in den ungeschmälerten Genuß der Rechte
und Privilegien der Selbstregierung eingetreten. Die militärische und sonstige
Einmischung der Bundesregierung in die Lokalangelegenheiten der Südstaaten
hat damit aufgehört, das berüchtigte Carpetbaggerthum hat sein Ende erreicht,
und es muß sich nun zeigen, ob das Volk des Südens im Stande ist, die
Freiheit zu ertragen, d. h. bei den durch die Abschaffung der Negersklaverei
wesentlich veränderten socialen und politischen Verhältnissen ein geordnetes Ge¬
meindewesen im Einklang mit den Staats- und Bundesgesetzen durch eigene
Kraft und Weisheit aufrecht zu erhalten und gedeihlich weiter zu entwickeln.
Wade Hamptvn wie auch Nicholls haben feierlich versprochen, daß sie im Sinne
der Grundsätze, welche Präsident Hayes in seiner Jnaugurationsrede vom
5. März d. I. in Bezug ans die Südfrage darlegte, in ihren respektiven Staaten
die Regierung führen wollen.

Wie nun amerikanische Blätter melden, sind verschiedene alte Parteiführer
der republikanischen Partei, wie z. B. der Bundessenator James G. Blaine
und der Kvngreßrepräsentant Benjamin F. Butler, durchaus nicht damit zufrieden
gewesen, daß Hayes sich weigerte, dem Beispiele seines Amtsvorgängers Grant
zu folgen und die angeblichen Regierungsansprüche Chcunberlain's und
Packard's durch Bundesbajonette aufrecht zu erhalten. Wenn indeß diese unzu¬
friedenen Politiker behaupten, daß durch die Niederlage von Chamberlain und
Packard der Rechtstitel des Herrn Hayes auf die Präsidentschaft selbst hin¬
fällig werde, da er auf demselben Fundamente beruhe wie derjenige Chamber-
lain's und Packard's, so ist dies eine in jeder Hinsicht falsche Auffassung, da in
Amerika die Feststellung des endgiltigen Resultates einer Gouverneurswahl sich
innerhalb ganz anderer Rechtssphären vollzieht als die Feststellung des Resul¬
tates eiuer Präsidentenwahl. Das Letztere hat der Kongreß, das Erstere die
Gesetzgebung der einzelnen Unionsstaaten zu thun, und es steht in den Ver¬
einigten Staaten der Bundesregierung nur dann zu, sich in die Angelegenheiten
der Einzelstaaten zu mischen, wenn daselbst anarchische Zustände herrschen und
ihre Hilfe von der Legislatur dieser Einzelstaaten oder für den Fall, daß die


Grnizbotcn II. 1877. 60
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0397" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/138098"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die MrteiverlMnisse in den Vereinigten Staaten.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1126"> Seitdem es dem Präsidenten Hayes gelungen ist, die republikanische und<lb/>
demokratische Dvppelwirthschaft in den Staaten Südkarolina und Louisiana<lb/>
dadurch zu lösen, daß durch seine Vermittelung in Südkarolina der republika¬<lb/>
nische Prätendent D. H. Chamberlain dem demokratischen Gouverneur Wade<lb/>
Hampton Platz machte und in Louisiana der Republikaner S. B. Packard<lb/>
seinem demokratischen Rivalen Francis T. Nicholls den lange und heftig be-<lb/>
strittenen Gouverneursposten überließ, sind die sämmtlichen Südstaaten der<lb/>
nordamerikanischen Union wieder in den ungeschmälerten Genuß der Rechte<lb/>
und Privilegien der Selbstregierung eingetreten. Die militärische und sonstige<lb/>
Einmischung der Bundesregierung in die Lokalangelegenheiten der Südstaaten<lb/>
hat damit aufgehört, das berüchtigte Carpetbaggerthum hat sein Ende erreicht,<lb/>
und es muß sich nun zeigen, ob das Volk des Südens im Stande ist, die<lb/>
Freiheit zu ertragen, d. h. bei den durch die Abschaffung der Negersklaverei<lb/>
wesentlich veränderten socialen und politischen Verhältnissen ein geordnetes Ge¬<lb/>
meindewesen im Einklang mit den Staats- und Bundesgesetzen durch eigene<lb/>
Kraft und Weisheit aufrecht zu erhalten und gedeihlich weiter zu entwickeln.<lb/>
Wade Hamptvn wie auch Nicholls haben feierlich versprochen, daß sie im Sinne<lb/>
der Grundsätze, welche Präsident Hayes in seiner Jnaugurationsrede vom<lb/>
5. März d. I. in Bezug ans die Südfrage darlegte, in ihren respektiven Staaten<lb/>
die Regierung führen wollen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1127" next="#ID_1128"> Wie nun amerikanische Blätter melden, sind verschiedene alte Parteiführer<lb/>
der republikanischen Partei, wie z. B. der Bundessenator James G. Blaine<lb/>
und der Kvngreßrepräsentant Benjamin F. Butler, durchaus nicht damit zufrieden<lb/>
gewesen, daß Hayes sich weigerte, dem Beispiele seines Amtsvorgängers Grant<lb/>
zu folgen und die angeblichen Regierungsansprüche Chcunberlain's und<lb/>
Packard's durch Bundesbajonette aufrecht zu erhalten. Wenn indeß diese unzu¬<lb/>
friedenen Politiker behaupten, daß durch die Niederlage von Chamberlain und<lb/>
Packard der Rechtstitel des Herrn Hayes auf die Präsidentschaft selbst hin¬<lb/>
fällig werde, da er auf demselben Fundamente beruhe wie derjenige Chamber-<lb/>
lain's und Packard's, so ist dies eine in jeder Hinsicht falsche Auffassung, da in<lb/>
Amerika die Feststellung des endgiltigen Resultates einer Gouverneurswahl sich<lb/>
innerhalb ganz anderer Rechtssphären vollzieht als die Feststellung des Resul¬<lb/>
tates eiuer Präsidentenwahl. Das Letztere hat der Kongreß, das Erstere die<lb/>
Gesetzgebung der einzelnen Unionsstaaten zu thun, und es steht in den Ver¬<lb/>
einigten Staaten der Bundesregierung nur dann zu, sich in die Angelegenheiten<lb/>
der Einzelstaaten zu mischen, wenn daselbst anarchische Zustände herrschen und<lb/>
ihre Hilfe von der Legislatur dieser Einzelstaaten oder für den Fall, daß die</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grnizbotcn II. 1877. 60</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0397] Die MrteiverlMnisse in den Vereinigten Staaten. Seitdem es dem Präsidenten Hayes gelungen ist, die republikanische und demokratische Dvppelwirthschaft in den Staaten Südkarolina und Louisiana dadurch zu lösen, daß durch seine Vermittelung in Südkarolina der republika¬ nische Prätendent D. H. Chamberlain dem demokratischen Gouverneur Wade Hampton Platz machte und in Louisiana der Republikaner S. B. Packard seinem demokratischen Rivalen Francis T. Nicholls den lange und heftig be- strittenen Gouverneursposten überließ, sind die sämmtlichen Südstaaten der nordamerikanischen Union wieder in den ungeschmälerten Genuß der Rechte und Privilegien der Selbstregierung eingetreten. Die militärische und sonstige Einmischung der Bundesregierung in die Lokalangelegenheiten der Südstaaten hat damit aufgehört, das berüchtigte Carpetbaggerthum hat sein Ende erreicht, und es muß sich nun zeigen, ob das Volk des Südens im Stande ist, die Freiheit zu ertragen, d. h. bei den durch die Abschaffung der Negersklaverei wesentlich veränderten socialen und politischen Verhältnissen ein geordnetes Ge¬ meindewesen im Einklang mit den Staats- und Bundesgesetzen durch eigene Kraft und Weisheit aufrecht zu erhalten und gedeihlich weiter zu entwickeln. Wade Hamptvn wie auch Nicholls haben feierlich versprochen, daß sie im Sinne der Grundsätze, welche Präsident Hayes in seiner Jnaugurationsrede vom 5. März d. I. in Bezug ans die Südfrage darlegte, in ihren respektiven Staaten die Regierung führen wollen. Wie nun amerikanische Blätter melden, sind verschiedene alte Parteiführer der republikanischen Partei, wie z. B. der Bundessenator James G. Blaine und der Kvngreßrepräsentant Benjamin F. Butler, durchaus nicht damit zufrieden gewesen, daß Hayes sich weigerte, dem Beispiele seines Amtsvorgängers Grant zu folgen und die angeblichen Regierungsansprüche Chcunberlain's und Packard's durch Bundesbajonette aufrecht zu erhalten. Wenn indeß diese unzu¬ friedenen Politiker behaupten, daß durch die Niederlage von Chamberlain und Packard der Rechtstitel des Herrn Hayes auf die Präsidentschaft selbst hin¬ fällig werde, da er auf demselben Fundamente beruhe wie derjenige Chamber- lain's und Packard's, so ist dies eine in jeder Hinsicht falsche Auffassung, da in Amerika die Feststellung des endgiltigen Resultates einer Gouverneurswahl sich innerhalb ganz anderer Rechtssphären vollzieht als die Feststellung des Resul¬ tates eiuer Präsidentenwahl. Das Letztere hat der Kongreß, das Erstere die Gesetzgebung der einzelnen Unionsstaaten zu thun, und es steht in den Ver¬ einigten Staaten der Bundesregierung nur dann zu, sich in die Angelegenheiten der Einzelstaaten zu mischen, wenn daselbst anarchische Zustände herrschen und ihre Hilfe von der Legislatur dieser Einzelstaaten oder für den Fall, daß die Grnizbotcn II. 1877. 60

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/397
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/397>, abgerufen am 26.05.2024.