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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Literatur.
Die römisch-katholische Kirche im Königreich der Niederlande. Ihre
geschichtliche Entwicklung seit der Reformation und ihr gegenwärtiger Zustand. Von
Friedrich Nippold, ordentlichem Professor an der Universität in Bern.
Leipzig, T. O. Weigel, 1877.

Ein höchst lesenswerthes, auf gründlichen Studien beruhendes und mit
wahrhaft geschichtlichem Sinne geschriebenes Buch, welches, schon wegen der
Nachbarschaft Hollands und dessen Herüberwirkens auf die Rheinlande, dann
aber auch, weil es Allen Neues und Vielen nur Neues sagen wird, die all¬
gemeinste Beachtung verdient. Wir werden nach ihm in einer der nächsten Nummern
über den Inhalt und namentlich über den jetzigen Stand des mit dem Ultramonta¬
nismus zusammenfallenden Katholizismus in Holland ausführlich berichten und
machen hier nur auf das vorausgesandte Sendschreiben des Verfassers amor.van
Koetsfeld im Haag über die internationale Bedeutung der katholischen Frage auf¬
merksam, welches gleiche Beherzigung verdient, wie das Buch selbst, da es in muster¬
haft klarer, durchaus sachlicher Weise das Bild der weitumfassenden römischen
Organisation, ihrer Propaganda und ihrer Ziele vor uns entrollt und damit
in ungewöhnlichem Grade geeignet ist, die Leiter des Staates, die Protestanten
und die nichtultramontanen Katholiken aus gefährlicher Sorglosigkeit zu wecken
und zu genügender Gegenrüstung zu veranlassen. Als Beispiel kann uns hier,
wie das Sendschreiben hervorhebt, und wie wir mit dem Verfasser gern aner¬
kennen, der Kanton Bern dienen. "Denn wenn hier auch Fehlgriffe im Ein¬
zelnen vorgekommen sind, wie sie keiner Pionierarbeit erspart bleiben, wenn
speziell unter den in den Berner Jura berufenen Geistlichen, die mit bischöf¬
lichen Leumundszeugnissen kamen, eine Reihe Unwürdiger war -- ein trau¬
riger Beleg für die Verbreitung der in dem jesuitisch dressirten Klerus einge¬
rissenen Korruption -- so wird andrerseits die Zukunft zweifellos dem Berner
Volke das Verdienst zuerkennen, zuerst und allein die drohende Gefahr erkannt
und den Stier bei den Hörnern gefaßt zu haben. Und eine selbständige und
mündige Gemeinde, eine durch tüchtige Lehrer und eifrig Studirende hervor¬
ragende theologische Fakultät an der Universität, ein in allen Kreisen des
Volkes gleich geachteter und geliebter Bischof -- es sind gewiß die Faktoren,
welche für die Lösung der internationalen katholischen Frage den Weg zeigen."


Zur Geschichte der deutschen Sozialdemokratie. Ein historischer Versuch
von Franz M eh ring. Magdeburg, A. u. N. Faber. 1877.

Wohl das Beste, was über die vom Titel genannte merkwürdige Er¬
scheinung der Zeit bisher geschrieben ist. Ganz vorzüglich ist namentlich die


Literatur.
Die römisch-katholische Kirche im Königreich der Niederlande. Ihre
geschichtliche Entwicklung seit der Reformation und ihr gegenwärtiger Zustand. Von
Friedrich Nippold, ordentlichem Professor an der Universität in Bern.
Leipzig, T. O. Weigel, 1877.

Ein höchst lesenswerthes, auf gründlichen Studien beruhendes und mit
wahrhaft geschichtlichem Sinne geschriebenes Buch, welches, schon wegen der
Nachbarschaft Hollands und dessen Herüberwirkens auf die Rheinlande, dann
aber auch, weil es Allen Neues und Vielen nur Neues sagen wird, die all¬
gemeinste Beachtung verdient. Wir werden nach ihm in einer der nächsten Nummern
über den Inhalt und namentlich über den jetzigen Stand des mit dem Ultramonta¬
nismus zusammenfallenden Katholizismus in Holland ausführlich berichten und
machen hier nur auf das vorausgesandte Sendschreiben des Verfassers amor.van
Koetsfeld im Haag über die internationale Bedeutung der katholischen Frage auf¬
merksam, welches gleiche Beherzigung verdient, wie das Buch selbst, da es in muster¬
haft klarer, durchaus sachlicher Weise das Bild der weitumfassenden römischen
Organisation, ihrer Propaganda und ihrer Ziele vor uns entrollt und damit
in ungewöhnlichem Grade geeignet ist, die Leiter des Staates, die Protestanten
und die nichtultramontanen Katholiken aus gefährlicher Sorglosigkeit zu wecken
und zu genügender Gegenrüstung zu veranlassen. Als Beispiel kann uns hier,
wie das Sendschreiben hervorhebt, und wie wir mit dem Verfasser gern aner¬
kennen, der Kanton Bern dienen. „Denn wenn hier auch Fehlgriffe im Ein¬
zelnen vorgekommen sind, wie sie keiner Pionierarbeit erspart bleiben, wenn
speziell unter den in den Berner Jura berufenen Geistlichen, die mit bischöf¬
lichen Leumundszeugnissen kamen, eine Reihe Unwürdiger war — ein trau¬
riger Beleg für die Verbreitung der in dem jesuitisch dressirten Klerus einge¬
rissenen Korruption — so wird andrerseits die Zukunft zweifellos dem Berner
Volke das Verdienst zuerkennen, zuerst und allein die drohende Gefahr erkannt
und den Stier bei den Hörnern gefaßt zu haben. Und eine selbständige und
mündige Gemeinde, eine durch tüchtige Lehrer und eifrig Studirende hervor¬
ragende theologische Fakultät an der Universität, ein in allen Kreisen des
Volkes gleich geachteter und geliebter Bischof — es sind gewiß die Faktoren,
welche für die Lösung der internationalen katholischen Frage den Weg zeigen."


Zur Geschichte der deutschen Sozialdemokratie. Ein historischer Versuch
von Franz M eh ring. Magdeburg, A. u. N. Faber. 1877.

Wohl das Beste, was über die vom Titel genannte merkwürdige Er¬
scheinung der Zeit bisher geschrieben ist. Ganz vorzüglich ist namentlich die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/40>, abgerufen am 26.05.2024.