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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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"Und als die Knechte der Barchentweber, Decktucher, Leinweberhandwerks zu
Zeiten sich selbst zum Nachtheil mehr, als sie mit ihrer Arbeit verdienen
mögen, verzehren und von dem Meister Geld ablehnen, ihm auch solch Geld
mit ihrer Arbeit abzuverdienen in Treue und Glauben versprechen, aber ent¬
weder zuvor, und ehe sie dem Meister solches ihnen dargestrecktes Geld abver¬
dient haben, aus der Arbeit gehen und ihr Werk demselben Meister zum
Schaden umgearbeitet liegen lassen, sagen und ordnen wir, daß hinfüro kein
Meister des obigen Handwerks einen Knecht, der genanntermaßen handelt,
aufnehmen oder Arbeit geben soll, derselbe habe denn zuvor den Meister mit
Geld oder Arbeit bezahlt." Diese Regel, nach welcher der Gesell von dem
Meister nicht fortgehen durfte, bevor er das Geliehene abverdient hatte, resp,
nach welcher kein andrer Meister den Entwichnen annehmen sollte, hat bis
auf die neueste Zeit gegolten, und es haben deßhalb die Meister tüchtigen Ge¬
sellen gern geborgt, damit sie ihnen sicher wären. Aber freilich stand es
jedem andern Meister frei, den seinem Kollegen verschuldeten brauchbaren
Gesellen dadurch zu befreien und an sich zu ziehen, daß er für ihn Zahlung
leistete.

Verschiedene Handwerkssatzungen erklären sich gegen letzteres Verfahren,
z. B. die Täschnerordnnug von Breslau, die aber mit der betreffenden Stelle
nur ein Beleg ist, daß die Meister das Borgen an die Gesellen nur benutzten,
um diese fest an ihren Dienst zu knüpfen. Noch deutlicher beweist dies der
Buudbrief des großen Handwerks der Gerber, wo es heißt: "Würde ein
Meister seinem Gesellen Geld lehnen, soll er ihm redlich abverdienen und nicht
mit Geld abwenden und bezahlen, außer mit des Meisters Willen." Zum
Schluß dieses Abschnitts sei noch einer Ordnung der Wollenweber zu Konstanz
aus dem Jahre 1386 gedacht, welche dem Meister gestattet, seinen Knechten zu
leihen, wie viel er will. Sie beweist, daß auch in dieser Gegend das Borgen
an Gesellen Streit erregte und die Frage, ob es zulässig oder nicht, er¬
örtert wurde. Nur ist dabei weiter zu bemerken, daß der Beschluß die Folge
eines Uebereinkommens zwischen Meistern und Knechten war.




Schule, Kunst und Wissenschaft in Ungarn.

Geraume Zeit hatte seit der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts die Ent¬
wickelung des geistigen Lebens in Ungarn gestockt. Mehr als ein Drittel des Landes
war in den Händen der Türken gewesen, unter denen es halb zur Wüste ge-


„Und als die Knechte der Barchentweber, Decktucher, Leinweberhandwerks zu
Zeiten sich selbst zum Nachtheil mehr, als sie mit ihrer Arbeit verdienen
mögen, verzehren und von dem Meister Geld ablehnen, ihm auch solch Geld
mit ihrer Arbeit abzuverdienen in Treue und Glauben versprechen, aber ent¬
weder zuvor, und ehe sie dem Meister solches ihnen dargestrecktes Geld abver¬
dient haben, aus der Arbeit gehen und ihr Werk demselben Meister zum
Schaden umgearbeitet liegen lassen, sagen und ordnen wir, daß hinfüro kein
Meister des obigen Handwerks einen Knecht, der genanntermaßen handelt,
aufnehmen oder Arbeit geben soll, derselbe habe denn zuvor den Meister mit
Geld oder Arbeit bezahlt." Diese Regel, nach welcher der Gesell von dem
Meister nicht fortgehen durfte, bevor er das Geliehene abverdient hatte, resp,
nach welcher kein andrer Meister den Entwichnen annehmen sollte, hat bis
auf die neueste Zeit gegolten, und es haben deßhalb die Meister tüchtigen Ge¬
sellen gern geborgt, damit sie ihnen sicher wären. Aber freilich stand es
jedem andern Meister frei, den seinem Kollegen verschuldeten brauchbaren
Gesellen dadurch zu befreien und an sich zu ziehen, daß er für ihn Zahlung
leistete.

Verschiedene Handwerkssatzungen erklären sich gegen letzteres Verfahren,
z. B. die Täschnerordnnug von Breslau, die aber mit der betreffenden Stelle
nur ein Beleg ist, daß die Meister das Borgen an die Gesellen nur benutzten,
um diese fest an ihren Dienst zu knüpfen. Noch deutlicher beweist dies der
Buudbrief des großen Handwerks der Gerber, wo es heißt: „Würde ein
Meister seinem Gesellen Geld lehnen, soll er ihm redlich abverdienen und nicht
mit Geld abwenden und bezahlen, außer mit des Meisters Willen." Zum
Schluß dieses Abschnitts sei noch einer Ordnung der Wollenweber zu Konstanz
aus dem Jahre 1386 gedacht, welche dem Meister gestattet, seinen Knechten zu
leihen, wie viel er will. Sie beweist, daß auch in dieser Gegend das Borgen
an Gesellen Streit erregte und die Frage, ob es zulässig oder nicht, er¬
örtert wurde. Nur ist dabei weiter zu bemerken, daß der Beschluß die Folge
eines Uebereinkommens zwischen Meistern und Knechten war.




Schule, Kunst und Wissenschaft in Ungarn.

Geraume Zeit hatte seit der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts die Ent¬
wickelung des geistigen Lebens in Ungarn gestockt. Mehr als ein Drittel des Landes
war in den Händen der Türken gewesen, unter denen es halb zur Wüste ge-


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[0418] „Und als die Knechte der Barchentweber, Decktucher, Leinweberhandwerks zu Zeiten sich selbst zum Nachtheil mehr, als sie mit ihrer Arbeit verdienen mögen, verzehren und von dem Meister Geld ablehnen, ihm auch solch Geld mit ihrer Arbeit abzuverdienen in Treue und Glauben versprechen, aber ent¬ weder zuvor, und ehe sie dem Meister solches ihnen dargestrecktes Geld abver¬ dient haben, aus der Arbeit gehen und ihr Werk demselben Meister zum Schaden umgearbeitet liegen lassen, sagen und ordnen wir, daß hinfüro kein Meister des obigen Handwerks einen Knecht, der genanntermaßen handelt, aufnehmen oder Arbeit geben soll, derselbe habe denn zuvor den Meister mit Geld oder Arbeit bezahlt." Diese Regel, nach welcher der Gesell von dem Meister nicht fortgehen durfte, bevor er das Geliehene abverdient hatte, resp, nach welcher kein andrer Meister den Entwichnen annehmen sollte, hat bis auf die neueste Zeit gegolten, und es haben deßhalb die Meister tüchtigen Ge¬ sellen gern geborgt, damit sie ihnen sicher wären. Aber freilich stand es jedem andern Meister frei, den seinem Kollegen verschuldeten brauchbaren Gesellen dadurch zu befreien und an sich zu ziehen, daß er für ihn Zahlung leistete. Verschiedene Handwerkssatzungen erklären sich gegen letzteres Verfahren, z. B. die Täschnerordnnug von Breslau, die aber mit der betreffenden Stelle nur ein Beleg ist, daß die Meister das Borgen an die Gesellen nur benutzten, um diese fest an ihren Dienst zu knüpfen. Noch deutlicher beweist dies der Buudbrief des großen Handwerks der Gerber, wo es heißt: „Würde ein Meister seinem Gesellen Geld lehnen, soll er ihm redlich abverdienen und nicht mit Geld abwenden und bezahlen, außer mit des Meisters Willen." Zum Schluß dieses Abschnitts sei noch einer Ordnung der Wollenweber zu Konstanz aus dem Jahre 1386 gedacht, welche dem Meister gestattet, seinen Knechten zu leihen, wie viel er will. Sie beweist, daß auch in dieser Gegend das Borgen an Gesellen Streit erregte und die Frage, ob es zulässig oder nicht, er¬ örtert wurde. Nur ist dabei weiter zu bemerken, daß der Beschluß die Folge eines Uebereinkommens zwischen Meistern und Knechten war. Schule, Kunst und Wissenschaft in Ungarn. Geraume Zeit hatte seit der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts die Ent¬ wickelung des geistigen Lebens in Ungarn gestockt. Mehr als ein Drittel des Landes war in den Händen der Türken gewesen, unter denen es halb zur Wüste ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/418>, abgerufen am 18.05.2024.