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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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aber nach dem ersten Schlucke verzog er das Gesicht so gewaltig, daß der
Wirth den Trank begütigend entschuldigte: "Ja Grüneberger ist es freilich
nicht."

In den Marken wurde, wie wir gesehen haben, noch im sechzehnten Jahr¬
hundert viel Wein kultivirt. Gegenwärtig erstreckt sich hier und in der be¬
nachbarten Niederlausitz der Weinbau immer noch über ein Areal von 1100
Hektaren. Davon kommen auf die Umgegend von Guben 125 Hektaren, welche
jährlich etwa 950 bis 1000 Hektoliter Wein liefern. Ein nicht ganz unwich¬
tiger Weinbau wird ferner zwischen Jessen und Schweinitz an der Schwarzen
Elster getrieben. Derselbe erzeugt vorzüglich rothe Sorten, die per Oxhoft
2,06 Hektoliter) in schlechten Jahren mit 60 bis 66, in guten mit 150
Mark bezahlt werden und vorzugsweise nach Magdeburg zum Verschneiden
gehen. Auch auf den Havelbergen bei Brandenburg und Potsdam wird die
Rebe gepflegt, was namentlich im Bezirke der Juselstadt Werber der Fall ist,
die noch in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts im Durchschnitt
reicher und dürftiger Ernten einen Ertrag von jährlich 800 Oxhoft oder etwa
1600 Hektoliter gewann. Gegenwärtig wird aber nur wenig mehr gekeltert,
die vorhandenen Weinberge dienen vielmehr vor Allem zur Erzeugung von
Trauben, die als Obst nach Berlin gehen. Aus guter Quelle hat Hamm sich
bestätigen lassen, daß der Werber'sche Landwein alle bekannten Sorten an
Säure übertreffe. Doch soll der Potsdamer Eifer und Vierunddreißiger ein
ganz gutes Glas Wein gewesen sein.

In alten preußischen Chroniken wird der Thorner Weinberge und Land¬
weine rühmend gedacht, und bis zu den unglücklichen polnischen Kriegen im
fünfzehnten Jahrhunderte wurde im Kulmer Lande die Rebe zum Zwecke der
Weingewinnung gepflegt. Mit dem Verfall der Ordensherrschaft gingen die
Weinberge, wahrscheinlich für immer, ein. Selbst bei Memel sollen in alter
Zeit glückliche Versuche mit der Weinkultur gemacht worden sein, jetzt denkt
und träumt dort wohl keine Seele mehr an dergleichen Attentate.




Literatur.
Geist der Zeit. --Von Ernst Moritz Arndt. Sechste Auflage. Akkon",
Verlag von Joh. Friedr. Hammerich. 1877.

Wir freuen uns, daß dieses Buch eine neue Auflage erlebt hat und folglich
noch gelesen wird. Selten hat eine deutsche Feder so warm und kräftig gegen
den Dämon des Bonapartismus und sein Thun geschrieben und die vater-


Grenzboten II. 1377. 6ö

aber nach dem ersten Schlucke verzog er das Gesicht so gewaltig, daß der
Wirth den Trank begütigend entschuldigte: „Ja Grüneberger ist es freilich
nicht."

In den Marken wurde, wie wir gesehen haben, noch im sechzehnten Jahr¬
hundert viel Wein kultivirt. Gegenwärtig erstreckt sich hier und in der be¬
nachbarten Niederlausitz der Weinbau immer noch über ein Areal von 1100
Hektaren. Davon kommen auf die Umgegend von Guben 125 Hektaren, welche
jährlich etwa 950 bis 1000 Hektoliter Wein liefern. Ein nicht ganz unwich¬
tiger Weinbau wird ferner zwischen Jessen und Schweinitz an der Schwarzen
Elster getrieben. Derselbe erzeugt vorzüglich rothe Sorten, die per Oxhoft
2,06 Hektoliter) in schlechten Jahren mit 60 bis 66, in guten mit 150
Mark bezahlt werden und vorzugsweise nach Magdeburg zum Verschneiden
gehen. Auch auf den Havelbergen bei Brandenburg und Potsdam wird die
Rebe gepflegt, was namentlich im Bezirke der Juselstadt Werber der Fall ist,
die noch in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts im Durchschnitt
reicher und dürftiger Ernten einen Ertrag von jährlich 800 Oxhoft oder etwa
1600 Hektoliter gewann. Gegenwärtig wird aber nur wenig mehr gekeltert,
die vorhandenen Weinberge dienen vielmehr vor Allem zur Erzeugung von
Trauben, die als Obst nach Berlin gehen. Aus guter Quelle hat Hamm sich
bestätigen lassen, daß der Werber'sche Landwein alle bekannten Sorten an
Säure übertreffe. Doch soll der Potsdamer Eifer und Vierunddreißiger ein
ganz gutes Glas Wein gewesen sein.

In alten preußischen Chroniken wird der Thorner Weinberge und Land¬
weine rühmend gedacht, und bis zu den unglücklichen polnischen Kriegen im
fünfzehnten Jahrhunderte wurde im Kulmer Lande die Rebe zum Zwecke der
Weingewinnung gepflegt. Mit dem Verfall der Ordensherrschaft gingen die
Weinberge, wahrscheinlich für immer, ein. Selbst bei Memel sollen in alter
Zeit glückliche Versuche mit der Weinkultur gemacht worden sein, jetzt denkt
und träumt dort wohl keine Seele mehr an dergleichen Attentate.




Literatur.
Geist der Zeit. —Von Ernst Moritz Arndt. Sechste Auflage. Akkon«,
Verlag von Joh. Friedr. Hammerich. 1877.

Wir freuen uns, daß dieses Buch eine neue Auflage erlebt hat und folglich
noch gelesen wird. Selten hat eine deutsche Feder so warm und kräftig gegen
den Dämon des Bonapartismus und sein Thun geschrieben und die vater-


Grenzboten II. 1377. 6ö
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[0517] aber nach dem ersten Schlucke verzog er das Gesicht so gewaltig, daß der Wirth den Trank begütigend entschuldigte: „Ja Grüneberger ist es freilich nicht." In den Marken wurde, wie wir gesehen haben, noch im sechzehnten Jahr¬ hundert viel Wein kultivirt. Gegenwärtig erstreckt sich hier und in der be¬ nachbarten Niederlausitz der Weinbau immer noch über ein Areal von 1100 Hektaren. Davon kommen auf die Umgegend von Guben 125 Hektaren, welche jährlich etwa 950 bis 1000 Hektoliter Wein liefern. Ein nicht ganz unwich¬ tiger Weinbau wird ferner zwischen Jessen und Schweinitz an der Schwarzen Elster getrieben. Derselbe erzeugt vorzüglich rothe Sorten, die per Oxhoft 2,06 Hektoliter) in schlechten Jahren mit 60 bis 66, in guten mit 150 Mark bezahlt werden und vorzugsweise nach Magdeburg zum Verschneiden gehen. Auch auf den Havelbergen bei Brandenburg und Potsdam wird die Rebe gepflegt, was namentlich im Bezirke der Juselstadt Werber der Fall ist, die noch in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts im Durchschnitt reicher und dürftiger Ernten einen Ertrag von jährlich 800 Oxhoft oder etwa 1600 Hektoliter gewann. Gegenwärtig wird aber nur wenig mehr gekeltert, die vorhandenen Weinberge dienen vielmehr vor Allem zur Erzeugung von Trauben, die als Obst nach Berlin gehen. Aus guter Quelle hat Hamm sich bestätigen lassen, daß der Werber'sche Landwein alle bekannten Sorten an Säure übertreffe. Doch soll der Potsdamer Eifer und Vierunddreißiger ein ganz gutes Glas Wein gewesen sein. In alten preußischen Chroniken wird der Thorner Weinberge und Land¬ weine rühmend gedacht, und bis zu den unglücklichen polnischen Kriegen im fünfzehnten Jahrhunderte wurde im Kulmer Lande die Rebe zum Zwecke der Weingewinnung gepflegt. Mit dem Verfall der Ordensherrschaft gingen die Weinberge, wahrscheinlich für immer, ein. Selbst bei Memel sollen in alter Zeit glückliche Versuche mit der Weinkultur gemacht worden sein, jetzt denkt und träumt dort wohl keine Seele mehr an dergleichen Attentate. Literatur. Geist der Zeit. —Von Ernst Moritz Arndt. Sechste Auflage. Akkon«, Verlag von Joh. Friedr. Hammerich. 1877. Wir freuen uns, daß dieses Buch eine neue Auflage erlebt hat und folglich noch gelesen wird. Selten hat eine deutsche Feder so warm und kräftig gegen den Dämon des Bonapartismus und sein Thun geschrieben und die vater- Grenzboten II. 1377. 6ö

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/517>, abgerufen am 26.05.2024.