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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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schlechteren Lagen und Jahren nur 54, in den besten mit 120 Mark bezahlt.
Bei der Schätzung des Ertrags muß noch berücksichtigt werden, daß der Tran-
benhandel Grüneberg's sehr bedeutend ist: es versorgt fast den ganzen baltischen
Norden bis nach Petersburg hin mit diesem Tafelgenusse und exportirt nach
reichen Ernten davon gegen eine halbe Million Pfund. Der Boden des Kreises
ist meist lehmiger Sand, die Lage geschützt, auf sonnigen Hügeln mit südlicher
Exposition. Man gewinnt ebensoviel rothen als weißen Wein. Der Grüne¬
berger erhebt sich allerdings in der Rangordnung der deutschen Weinsorten
nur selten über das Niveau eiues trinkbaren Tischweines. Dennoch sind bei
sorgfältiger Behandlung die Rothweine feurig, voll, angenehm und zart, dem
Oberingelheimer und dem kleinen Burgunder nicht unähnlich. Sie sollen sich
sogar länger halten als diese, und es fehlt ihnen nicht an Blume. Der Wei߬
wein, besonders der Träumer, kommt bei gutem Aroma, mildem Geschmack
und einiger Fülle dein Rheinweine Hessens und dem von der Bergstraße
ziemlich nahe und ist dabei nicht feuriger, aber lebhafter. Jung hat er eine
röthliche Farbe, die sich mit der Zeit in Bernsteingelb verwandelt, und eine
angenehme Süßigkeit, die, indem er gut altert, zur Firne wird. Beide Weine
bedürfen vier bis sechs Jahre, um reif zu werden. Sie gehen großenteils
nach Berlin zum Verschneideu oder zur Weiusabrikation, und sie werden dort
zu diesem Zwecke allen übrigen kleinen Weinen vorgezogen. Hamm erzählt,
daß er im Jahre 1862 bei einer Weinprobe zugezogen worden sei, "die ein großes
Weinhandlungshaus des Rheinlandes veranstaltet hatte, bloß um verschiedene
Sorten Grüneberger zu probiren, welche aus den besten Quellen verschrieben
worden waren, um daran das Bedürfniß des Nordens zu studiren. Münniglich
war erstaunt über den unerwarteten Gehalt des schlesischen Weines." Die
besten Sorten sind: 1) Grüneberg-Maugtschberg und Grüneberg-Podsgal; 2)
Grüneberg-Ziegelberg, Grüneberg-Niedergärten, Krämpe, Sawade, Kühnan,
Lausitz, Jury; 3) Grüneberg-Marsfeld, Schertendorf und Heinrichau. Die
Hauptplätze des schlesischen Weiuhcmdels siud außer Grüneberg selbst Glogau
und Hirschberg. Auch in den Odergegenden wird hier und da Wein gebaut,
so in Krossen, Freienwalde und Berg, ferner in den Grenzstrichen zu Zülli-
chau, Tschicherzig, Podligar, Umsatz und Beuthen.

In der Provinz Posen ist es nur die Umgegend von Bomst an der
Obra, die noch Wein erzeugt. Die dortigen Weinberge nehmen einen Flächen¬
raum vou 215 Hektaren ein und liefern ein Gewächs, von welchem Hamm
folgendes hübsche Geschichtchen zu erzählen weiß: "Ein Reisender trat zu
Bomst in den Gasthof und verlangte Bier. Der Wirth bedauerte, ihm dies
uicht bieten zu können, und empfahl den selbstgezogenen trefflichen Wein des
Landes. Der erstaunte Fremdling beschloß, dieses Phänomen zu würdigen,


schlechteren Lagen und Jahren nur 54, in den besten mit 120 Mark bezahlt.
Bei der Schätzung des Ertrags muß noch berücksichtigt werden, daß der Tran-
benhandel Grüneberg's sehr bedeutend ist: es versorgt fast den ganzen baltischen
Norden bis nach Petersburg hin mit diesem Tafelgenusse und exportirt nach
reichen Ernten davon gegen eine halbe Million Pfund. Der Boden des Kreises
ist meist lehmiger Sand, die Lage geschützt, auf sonnigen Hügeln mit südlicher
Exposition. Man gewinnt ebensoviel rothen als weißen Wein. Der Grüne¬
berger erhebt sich allerdings in der Rangordnung der deutschen Weinsorten
nur selten über das Niveau eiues trinkbaren Tischweines. Dennoch sind bei
sorgfältiger Behandlung die Rothweine feurig, voll, angenehm und zart, dem
Oberingelheimer und dem kleinen Burgunder nicht unähnlich. Sie sollen sich
sogar länger halten als diese, und es fehlt ihnen nicht an Blume. Der Wei߬
wein, besonders der Träumer, kommt bei gutem Aroma, mildem Geschmack
und einiger Fülle dein Rheinweine Hessens und dem von der Bergstraße
ziemlich nahe und ist dabei nicht feuriger, aber lebhafter. Jung hat er eine
röthliche Farbe, die sich mit der Zeit in Bernsteingelb verwandelt, und eine
angenehme Süßigkeit, die, indem er gut altert, zur Firne wird. Beide Weine
bedürfen vier bis sechs Jahre, um reif zu werden. Sie gehen großenteils
nach Berlin zum Verschneideu oder zur Weiusabrikation, und sie werden dort
zu diesem Zwecke allen übrigen kleinen Weinen vorgezogen. Hamm erzählt,
daß er im Jahre 1862 bei einer Weinprobe zugezogen worden sei, „die ein großes
Weinhandlungshaus des Rheinlandes veranstaltet hatte, bloß um verschiedene
Sorten Grüneberger zu probiren, welche aus den besten Quellen verschrieben
worden waren, um daran das Bedürfniß des Nordens zu studiren. Münniglich
war erstaunt über den unerwarteten Gehalt des schlesischen Weines." Die
besten Sorten sind: 1) Grüneberg-Maugtschberg und Grüneberg-Podsgal; 2)
Grüneberg-Ziegelberg, Grüneberg-Niedergärten, Krämpe, Sawade, Kühnan,
Lausitz, Jury; 3) Grüneberg-Marsfeld, Schertendorf und Heinrichau. Die
Hauptplätze des schlesischen Weiuhcmdels siud außer Grüneberg selbst Glogau
und Hirschberg. Auch in den Odergegenden wird hier und da Wein gebaut,
so in Krossen, Freienwalde und Berg, ferner in den Grenzstrichen zu Zülli-
chau, Tschicherzig, Podligar, Umsatz und Beuthen.

In der Provinz Posen ist es nur die Umgegend von Bomst an der
Obra, die noch Wein erzeugt. Die dortigen Weinberge nehmen einen Flächen¬
raum vou 215 Hektaren ein und liefern ein Gewächs, von welchem Hamm
folgendes hübsche Geschichtchen zu erzählen weiß: „Ein Reisender trat zu
Bomst in den Gasthof und verlangte Bier. Der Wirth bedauerte, ihm dies
uicht bieten zu können, und empfahl den selbstgezogenen trefflichen Wein des
Landes. Der erstaunte Fremdling beschloß, dieses Phänomen zu würdigen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/516>, abgerufen am 17.06.2024.