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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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nicht selten aber auch obscön ist. Solche Wahrzeichen sind ohne Zweifel ganz
wie die mißgestalteten Zwerge, die Gorgonengesichter und die mit Flügeln,
Füßen und Gesichtern ausgestatteten Phallen der römischen Alterthümer an
Thoren, Gotteshäusern, Brücken und Thürmen lediglich zu den: Zwecke ange¬
bracht gewesen, den Zauber des bösen Blickes hinwegzuschrecken oder fort-
zuscherzen.




Die diplomatische Vorgeschichte der deutschen Lrljebimg
im Jahre 1813.
Otto Kaemmel, Von 2.

Die Einleitung zum preußisch-russischen Bündniß war getroffen. Noch
aber galt es, diese Napoleon gegenüber nicht nur zu verheimlichen, sondern auch
das Verhalten der Regierung gegen Dort ihm als durchaus korrekt darzustellen,
zugleich aber auch eben diese -- scheinbar kassirte -- Konvention zu einem
Drucke auf Frankreich zu benutzen. Das Erste hatte der am 12. Januar in
Paris eingetroffene General Krusemark zu besorgen, der wirklich glaubte, was
er sagte, weil er in die innersten Geheimnisse nicht eingeweiht war; das zweite
wurde dem Fürsten Hatzfeldt, dem erklärtesten Anhänger der französischen
Allianz überlassen, welcher am 12. Berlin verließ, am 2t. Paris erreichte.
Als der erstere in Paris durch die Zeitungen von der Konvention von
Tnnroggen erfuhr, eilte er sofort zum Herzog von Bassano, dann, am 15.,
hatte er Audienz beim Kaiser. Indem er diesem den Brief seines Königs
übergab, suchte er Jorks Handlungsweise aus seiner militärischen Zwangslage
zu rechtfertigen. Napoleon war gemäßigter, als zu erwarten stand, er meinte
nur nachdenklich: "Das wird dem russischen Kabinet den Kopf schwindeln
machen. Aorks Abfall ist ein großes politisches Ereigniß. Wir stehen viel¬
leicht am Borabend großer Ereignisse. Es ist ein Sturm, durch deu wir hin¬
durch müssen." Er hoffte, wenn man in Deutschland nur erst die Kosaken
selbst kennen lerne, werde sich der "schlechte öffentliche Geist" daselbst schon
bessern. Selbst für den Fall einer allgemeinen Erhebung, die Krusemark ihm
als wahrscheinlich bezeichnete, meinte er nichts fürchten zu müssen, dann wollte
er hinter dem Rheine die Ereignisse abwarten. Er hielt aber doch den Zu¬
satz für nöthig, nur durch festen Anschluß an Frankreich könne Preußen wieder


nicht selten aber auch obscön ist. Solche Wahrzeichen sind ohne Zweifel ganz
wie die mißgestalteten Zwerge, die Gorgonengesichter und die mit Flügeln,
Füßen und Gesichtern ausgestatteten Phallen der römischen Alterthümer an
Thoren, Gotteshäusern, Brücken und Thürmen lediglich zu den: Zwecke ange¬
bracht gewesen, den Zauber des bösen Blickes hinwegzuschrecken oder fort-
zuscherzen.




Die diplomatische Vorgeschichte der deutschen Lrljebimg
im Jahre 1813.
Otto Kaemmel, Von 2.

Die Einleitung zum preußisch-russischen Bündniß war getroffen. Noch
aber galt es, diese Napoleon gegenüber nicht nur zu verheimlichen, sondern auch
das Verhalten der Regierung gegen Dort ihm als durchaus korrekt darzustellen,
zugleich aber auch eben diese — scheinbar kassirte — Konvention zu einem
Drucke auf Frankreich zu benutzen. Das Erste hatte der am 12. Januar in
Paris eingetroffene General Krusemark zu besorgen, der wirklich glaubte, was
er sagte, weil er in die innersten Geheimnisse nicht eingeweiht war; das zweite
wurde dem Fürsten Hatzfeldt, dem erklärtesten Anhänger der französischen
Allianz überlassen, welcher am 12. Berlin verließ, am 2t. Paris erreichte.
Als der erstere in Paris durch die Zeitungen von der Konvention von
Tnnroggen erfuhr, eilte er sofort zum Herzog von Bassano, dann, am 15.,
hatte er Audienz beim Kaiser. Indem er diesem den Brief seines Königs
übergab, suchte er Jorks Handlungsweise aus seiner militärischen Zwangslage
zu rechtfertigen. Napoleon war gemäßigter, als zu erwarten stand, er meinte
nur nachdenklich: „Das wird dem russischen Kabinet den Kopf schwindeln
machen. Aorks Abfall ist ein großes politisches Ereigniß. Wir stehen viel¬
leicht am Borabend großer Ereignisse. Es ist ein Sturm, durch deu wir hin¬
durch müssen." Er hoffte, wenn man in Deutschland nur erst die Kosaken
selbst kennen lerne, werde sich der „schlechte öffentliche Geist" daselbst schon
bessern. Selbst für den Fall einer allgemeinen Erhebung, die Krusemark ihm
als wahrscheinlich bezeichnete, meinte er nichts fürchten zu müssen, dann wollte
er hinter dem Rheine die Ereignisse abwarten. Er hielt aber doch den Zu¬
satz für nöthig, nur durch festen Anschluß an Frankreich könne Preußen wieder


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/64>, abgerufen am 18.05.2024.