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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Perioden unserer nationalen Entwickelung an -- hüten wir uns, daß bei all
unseren, praktisch und nüchtern gewordene" Patriotismus der Idealismus der
guten alten Zeit uns nicht am Ende in die Brüche gehe, halten wir auch
J ulius Otto's Namen in ehrendem Gedächtniß!




Literatur.
Die Lehre Spinozas. Von Theodor Ccuueier. Stuttgart, Verlag der
I. G, Colla'schen Buchhandlung. 1877.

Judem der Verfasser sich vorwiegend an Spinoza's Ethik hält, gibt er
eine genaue und objektive Darstellung der Lehre dieses Philosophen in syste¬
matischer. Form. Zunächst werdeu die metaphysische" Grundlagen derselben,
^e Aufstellung eiuer ewigen, mit unabänderlicher Nothwendigkeit wirkenden
^atnrkrnft als immauenter Ursache aller Dinge, mit andern Worten der Spiro-
'^stische Gott ohne Bewußtsein und Willensfreiheit, die Substanz und ihre
Attribute, und die Modifikation der Substanz betrachtet. Dann beschäftigt sich
zweiter Theil mit der Erkenntnißlehre des Philosophen, d. h. seiner Mei¬
nung vom Wesen des menschlichen Geistes, von den Körpern überhaupt, von
Natur des menschlichen Körpers, den drei Stufen der Erkenntniß, der ima-
äNiativen, der vernünftigen und der intuitiver, der Jdeutitüt des Urtheilens
Und Erkennens und dem Verhältniß der Erkenntnißlehre zu den genannten
'"etaphysischen Grundlagen. Der dritte Theil endlich behandelt die Ethik
Spinoza's oder die Lehre von den Affekten und von der Knechtschaft und Frei¬
heit des Menschen, wobei zuletzt das Verhältniß der Theorie von den Leiden¬
schaften zu der Erkenntnißlehre und das der Ethik des Philosophen zu den
Metaphysischen Grundlagen seines Systems ihre Darstellung und ihre Beur¬
teilung finden. Die letztere wird in einem Schlußparagraphen folgendermaßen
kurzen Sätzen ausgesprochen:

"Fassen wir das Resultat derjenigen Kritik der Lehre Spinozas, welche
faktisch in dieser selbst vorliegt, und bei welcher nur der wirklich vorhandene
thatsächliche Sachverhalt klar gelegt wird, zusammen, so ergibt sich, daß die
Lehre Spinoza's in drei Punkten der Einheit ermangelt und eine Lücke zu¬
rückläßt, die er nicht ausgefüllt hat. Diese drei Punkte sind folgende:

1) Die Einheit der Attribute in der Substanz und damit das einheitliche
Zusammengehen der Produkte der verschiedenen Attribute ist behauptet, aber
uicht begreiflich gemacht.


Perioden unserer nationalen Entwickelung an — hüten wir uns, daß bei all
unseren, praktisch und nüchtern gewordene« Patriotismus der Idealismus der
guten alten Zeit uns nicht am Ende in die Brüche gehe, halten wir auch
J ulius Otto's Namen in ehrendem Gedächtniß!




Literatur.
Die Lehre Spinozas. Von Theodor Ccuueier. Stuttgart, Verlag der
I. G, Colla'schen Buchhandlung. 1877.

Judem der Verfasser sich vorwiegend an Spinoza's Ethik hält, gibt er
eine genaue und objektive Darstellung der Lehre dieses Philosophen in syste¬
matischer. Form. Zunächst werdeu die metaphysische» Grundlagen derselben,
^e Aufstellung eiuer ewigen, mit unabänderlicher Nothwendigkeit wirkenden
^atnrkrnft als immauenter Ursache aller Dinge, mit andern Worten der Spiro-
'^stische Gott ohne Bewußtsein und Willensfreiheit, die Substanz und ihre
Attribute, und die Modifikation der Substanz betrachtet. Dann beschäftigt sich
zweiter Theil mit der Erkenntnißlehre des Philosophen, d. h. seiner Mei¬
nung vom Wesen des menschlichen Geistes, von den Körpern überhaupt, von
Natur des menschlichen Körpers, den drei Stufen der Erkenntniß, der ima-
äNiativen, der vernünftigen und der intuitiver, der Jdeutitüt des Urtheilens
Und Erkennens und dem Verhältniß der Erkenntnißlehre zu den genannten
'"etaphysischen Grundlagen. Der dritte Theil endlich behandelt die Ethik
Spinoza's oder die Lehre von den Affekten und von der Knechtschaft und Frei¬
heit des Menschen, wobei zuletzt das Verhältniß der Theorie von den Leiden¬
schaften zu der Erkenntnißlehre und das der Ethik des Philosophen zu den
Metaphysischen Grundlagen seines Systems ihre Darstellung und ihre Beur¬
teilung finden. Die letztere wird in einem Schlußparagraphen folgendermaßen
kurzen Sätzen ausgesprochen:

„Fassen wir das Resultat derjenigen Kritik der Lehre Spinozas, welche
faktisch in dieser selbst vorliegt, und bei welcher nur der wirklich vorhandene
thatsächliche Sachverhalt klar gelegt wird, zusammen, so ergibt sich, daß die
Lehre Spinoza's in drei Punkten der Einheit ermangelt und eine Lücke zu¬
rückläßt, die er nicht ausgefüllt hat. Diese drei Punkte sind folgende:

1) Die Einheit der Attribute in der Substanz und damit das einheitliche
Zusammengehen der Produkte der verschiedenen Attribute ist behauptet, aber
uicht begreiflich gemacht.


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[0083] Perioden unserer nationalen Entwickelung an — hüten wir uns, daß bei all unseren, praktisch und nüchtern gewordene« Patriotismus der Idealismus der guten alten Zeit uns nicht am Ende in die Brüche gehe, halten wir auch J ulius Otto's Namen in ehrendem Gedächtniß! Literatur. Die Lehre Spinozas. Von Theodor Ccuueier. Stuttgart, Verlag der I. G, Colla'schen Buchhandlung. 1877. Judem der Verfasser sich vorwiegend an Spinoza's Ethik hält, gibt er eine genaue und objektive Darstellung der Lehre dieses Philosophen in syste¬ matischer. Form. Zunächst werdeu die metaphysische» Grundlagen derselben, ^e Aufstellung eiuer ewigen, mit unabänderlicher Nothwendigkeit wirkenden ^atnrkrnft als immauenter Ursache aller Dinge, mit andern Worten der Spiro- '^stische Gott ohne Bewußtsein und Willensfreiheit, die Substanz und ihre Attribute, und die Modifikation der Substanz betrachtet. Dann beschäftigt sich zweiter Theil mit der Erkenntnißlehre des Philosophen, d. h. seiner Mei¬ nung vom Wesen des menschlichen Geistes, von den Körpern überhaupt, von Natur des menschlichen Körpers, den drei Stufen der Erkenntniß, der ima- äNiativen, der vernünftigen und der intuitiver, der Jdeutitüt des Urtheilens Und Erkennens und dem Verhältniß der Erkenntnißlehre zu den genannten '"etaphysischen Grundlagen. Der dritte Theil endlich behandelt die Ethik Spinoza's oder die Lehre von den Affekten und von der Knechtschaft und Frei¬ heit des Menschen, wobei zuletzt das Verhältniß der Theorie von den Leiden¬ schaften zu der Erkenntnißlehre und das der Ethik des Philosophen zu den Metaphysischen Grundlagen seines Systems ihre Darstellung und ihre Beur¬ teilung finden. Die letztere wird in einem Schlußparagraphen folgendermaßen kurzen Sätzen ausgesprochen: „Fassen wir das Resultat derjenigen Kritik der Lehre Spinozas, welche faktisch in dieser selbst vorliegt, und bei welcher nur der wirklich vorhandene thatsächliche Sachverhalt klar gelegt wird, zusammen, so ergibt sich, daß die Lehre Spinoza's in drei Punkten der Einheit ermangelt und eine Lücke zu¬ rückläßt, die er nicht ausgefüllt hat. Diese drei Punkte sind folgende: 1) Die Einheit der Attribute in der Substanz und damit das einheitliche Zusammengehen der Produkte der verschiedenen Attribute ist behauptet, aber uicht begreiflich gemacht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/83>, abgerufen am 26.05.2024.