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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Ende der fünfziger Jahre zu dem berüchtigten "revolutionären Censurtriumvirate",
in welchem er die erste Rolle spielte; die zweite Rolle fiel Timaschew, seinem
Schwager, die dritte Wuchanow zu. Als Mitglied dieses Triumvirates erließ
er im Jahre 1858 die Verfügung, daß die in Rußland erscheinenden Zeitungen
zwar auswärtige politische Blätter im Allgemeinen ohne Censur benutzen
dürfen, daß jedoch die Censoren streng darauf zu achten haben, daß die
russischen Zeitungen keinen Artikel aus den fremden Blättern veröffentlichen,
der den Absichten und Ansichten des Minsters der Auswärtigen Angelegen¬
heiten nicht entspräche, daß also alle Artikel, welche die äußere Politik betreffen,
erst das Plaeet dieses Ministers erhalten müssen, ehe sie in russischen Zeitungen
veröffentlicht werdeu. Der jüngste Sohn des alten Grafen Adlerberg, Wladimir
Nicolaus Theodorowitsch war früher Militärbevollmächtigter in Berlin und ist
derzeit Generalgouvemeur von Finnland. Die Stellung ist schwierig, -- läßt
sich jedoch, wie so viele andere schwierige Stellen in Rußland recht gut durch
fähige Unterbeamte verwalten; der höchste Beamte, ein Günstling des Kaisers,
braucht nur die ihm vorgelegten Schriftstücke zu unterschreiben, und seinen
kaiserlichen Gönner tren und ergeben zu sein. Wenn er zu Neujahr in Peters¬
burg erscheint und seinem Gebieter nach der üblichen Nenjahrsgrcitulation
rapportirt: "^Vs^o blÄMpolutselilw!" daun ist auch sicher alles in Ordnung
und es fällt ein neuer Orden ans die Brust des Rapportirenden. Es gibt
auch heute in Rußland viele Personen, die sich nicht emporgearbeitet, sondern
hinaufgeschlichen haben zu den höchsten Ehrenstellen und sich immer noch hin¬
aufschleichen, denn die Gunst und Gnade des Kaisers ersetzt Fähigkeiten, Talente,
Wissen, Können, Tugend und Charakter!




Kul'turbilder aus Amerika.
Die Presse der Vereinigten Staaten.

Wir haben in einer früheren Abhandlung*) gesehen, daß sich die großartige
Wickelung, die sich gewissen Seiten des amerikanischen Culturlebens nicht ab¬
sprechen läßt, ihren Grund nicht oder doch nur zu einem kleinen Theile in
der Güte der Schule in den Vereinigten Staaten hat. Welche geistigen Mächte
aber, so fragen wir, sind dann die Ursachen gewesen, wenn nur in der Union
einer sehr hohen Durchschnittsbildung, staunenerweckenden Leistungen auf dem



*) Grenzboten, III. Quartal 1877. S. 492.

Ende der fünfziger Jahre zu dem berüchtigten „revolutionären Censurtriumvirate",
in welchem er die erste Rolle spielte; die zweite Rolle fiel Timaschew, seinem
Schwager, die dritte Wuchanow zu. Als Mitglied dieses Triumvirates erließ
er im Jahre 1858 die Verfügung, daß die in Rußland erscheinenden Zeitungen
zwar auswärtige politische Blätter im Allgemeinen ohne Censur benutzen
dürfen, daß jedoch die Censoren streng darauf zu achten haben, daß die
russischen Zeitungen keinen Artikel aus den fremden Blättern veröffentlichen,
der den Absichten und Ansichten des Minsters der Auswärtigen Angelegen¬
heiten nicht entspräche, daß also alle Artikel, welche die äußere Politik betreffen,
erst das Plaeet dieses Ministers erhalten müssen, ehe sie in russischen Zeitungen
veröffentlicht werdeu. Der jüngste Sohn des alten Grafen Adlerberg, Wladimir
Nicolaus Theodorowitsch war früher Militärbevollmächtigter in Berlin und ist
derzeit Generalgouvemeur von Finnland. Die Stellung ist schwierig, — läßt
sich jedoch, wie so viele andere schwierige Stellen in Rußland recht gut durch
fähige Unterbeamte verwalten; der höchste Beamte, ein Günstling des Kaisers,
braucht nur die ihm vorgelegten Schriftstücke zu unterschreiben, und seinen
kaiserlichen Gönner tren und ergeben zu sein. Wenn er zu Neujahr in Peters¬
burg erscheint und seinem Gebieter nach der üblichen Nenjahrsgrcitulation
rapportirt: „^Vs^o blÄMpolutselilw!" daun ist auch sicher alles in Ordnung
und es fällt ein neuer Orden ans die Brust des Rapportirenden. Es gibt
auch heute in Rußland viele Personen, die sich nicht emporgearbeitet, sondern
hinaufgeschlichen haben zu den höchsten Ehrenstellen und sich immer noch hin¬
aufschleichen, denn die Gunst und Gnade des Kaisers ersetzt Fähigkeiten, Talente,
Wissen, Können, Tugend und Charakter!




Kul'turbilder aus Amerika.
Die Presse der Vereinigten Staaten.

Wir haben in einer früheren Abhandlung*) gesehen, daß sich die großartige
Wickelung, die sich gewissen Seiten des amerikanischen Culturlebens nicht ab¬
sprechen läßt, ihren Grund nicht oder doch nur zu einem kleinen Theile in
der Güte der Schule in den Vereinigten Staaten hat. Welche geistigen Mächte
aber, so fragen wir, sind dann die Ursachen gewesen, wenn nur in der Union
einer sehr hohen Durchschnittsbildung, staunenerweckenden Leistungen auf dem



*) Grenzboten, III. Quartal 1877. S. 492.
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[0031] Ende der fünfziger Jahre zu dem berüchtigten „revolutionären Censurtriumvirate", in welchem er die erste Rolle spielte; die zweite Rolle fiel Timaschew, seinem Schwager, die dritte Wuchanow zu. Als Mitglied dieses Triumvirates erließ er im Jahre 1858 die Verfügung, daß die in Rußland erscheinenden Zeitungen zwar auswärtige politische Blätter im Allgemeinen ohne Censur benutzen dürfen, daß jedoch die Censoren streng darauf zu achten haben, daß die russischen Zeitungen keinen Artikel aus den fremden Blättern veröffentlichen, der den Absichten und Ansichten des Minsters der Auswärtigen Angelegen¬ heiten nicht entspräche, daß also alle Artikel, welche die äußere Politik betreffen, erst das Plaeet dieses Ministers erhalten müssen, ehe sie in russischen Zeitungen veröffentlicht werdeu. Der jüngste Sohn des alten Grafen Adlerberg, Wladimir Nicolaus Theodorowitsch war früher Militärbevollmächtigter in Berlin und ist derzeit Generalgouvemeur von Finnland. Die Stellung ist schwierig, — läßt sich jedoch, wie so viele andere schwierige Stellen in Rußland recht gut durch fähige Unterbeamte verwalten; der höchste Beamte, ein Günstling des Kaisers, braucht nur die ihm vorgelegten Schriftstücke zu unterschreiben, und seinen kaiserlichen Gönner tren und ergeben zu sein. Wenn er zu Neujahr in Peters¬ burg erscheint und seinem Gebieter nach der üblichen Nenjahrsgrcitulation rapportirt: „^Vs^o blÄMpolutselilw!" daun ist auch sicher alles in Ordnung und es fällt ein neuer Orden ans die Brust des Rapportirenden. Es gibt auch heute in Rußland viele Personen, die sich nicht emporgearbeitet, sondern hinaufgeschlichen haben zu den höchsten Ehrenstellen und sich immer noch hin¬ aufschleichen, denn die Gunst und Gnade des Kaisers ersetzt Fähigkeiten, Talente, Wissen, Können, Tugend und Charakter! Kul'turbilder aus Amerika. Die Presse der Vereinigten Staaten. Wir haben in einer früheren Abhandlung*) gesehen, daß sich die großartige Wickelung, die sich gewissen Seiten des amerikanischen Culturlebens nicht ab¬ sprechen läßt, ihren Grund nicht oder doch nur zu einem kleinen Theile in der Güte der Schule in den Vereinigten Staaten hat. Welche geistigen Mächte aber, so fragen wir, sind dann die Ursachen gewesen, wenn nur in der Union einer sehr hohen Durchschnittsbildung, staunenerweckenden Leistungen auf dem *) Grenzboten, III. Quartal 1877. S. 492.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/31>, abgerufen am 05.05.2024.