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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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beschadet aller Pietät sich eine sachliche Abweichung von der hergebrachten
Relation erlauben, oder sie durften andere Sagenreste mit einweben, da das
Korrektiv, die Kenntniß der anerkannten Ueberlieferung, in jedermanns Gedächt¬
niß war, also eine Irrung oder Verwirrung daraus nicht entstehen konnte.
In diesem Falle befinden wir uns nicht. Für uns gilt es, ein verlorenes
Gut wieder zu gewinnen, was von einem kleinen Kreise als groß und der
Nation würdig verstanden und gepriesen wird, der Gesammtheit als solches
erscheinen zu lassen. Der Bearbeiter darf darum nichts Anderes sein wollen
als der Interpret, der Dolmetscher, der das Ewige, Göttliche der Sage erkannt
hat und mit seiner Begeisterung dem für Andere Unverständlichen neue Sprache
und Farbe verleiht, mit der es verständlich wird. Für Willkür und Gewalt¬
that würde er mit demselben Rechte zur Rechenschaft gezogen werden, mit dem
man den Lehrer tadeln müßte, welcher mit subjektiven Erklärungen und eigen¬
mächtigen Zuthaten Geschichte und historische Poesie verwässern und zerklären
wollte, anstatt die Sache selbst mit plastischer Gemalt wirken zu lassen und
nur da mit sorgsam nachführender Hand das Verständniß zu erschließen, wo
wirkliche Dunkelheit oder in der That Veraltetes die direkte Erklärung gebie¬
terisch erheischen.


Die badische Schwarzwaldbahn von Offenburg nach Singen von V.E.
W. Schnarf. 2. sehr vermehrte und verbesserte Auflage. Heidelberg, C. Winter's
Universitätsbuchhandlung. 1877.

Tausende von Reisenden durchflogen früher auf der Eisenbahn, die von
Frankfurt nach Basel und Zürich führt, die Ebene des Rheinthals, ohne den
Naturschönheiten des ihnen links zur Seite liegenden Gebirges ihre Aufmerk¬
samkeit zu widmen. Die vom Titel genannte neue Bahn aber hat, indem sie
den Weg in die Ostschweiz um mehrere Stunden abkürzt und dem Reisenden
Gelegenheit bietet, ohne Beschwerden und mit verhältnißmäßig geringen Kosten
den besten Theil des Schwarzwalds kennen zu lernen, hierin eine Aenderung
eintreten lassen, in dem seit ihrer Eröffnung eine große Anzahl von solchen,
die vom Norden her die Schweiz besuchen, diese Richtung der alten vorgezogen
hat. Andere werden desgleichen thun wollen, und so wird ihnen der vor¬
liegende Führer auf der Tour willkommen sein. Der Verfasser gibt zunächst
einleitende Bemerkungen über die Bahn in merkantiler, strategischer und tech¬
nischer Hinsicht, schildert dann den Schwarzwald und das Reisen in demselben
im Allgemeinen und geht darauf zur Eisenbahnfähre von Offenburg nach
Triberg mit seinem berühmten Wasserfall über. Dann wird ein Kapitel über
die Uhrenindustrie des Schwarzwaldes eingeschoben, und schließlich wird die
Reise bis Konstanz fortgesetzt. Von den verschiedenen Stationen werden


beschadet aller Pietät sich eine sachliche Abweichung von der hergebrachten
Relation erlauben, oder sie durften andere Sagenreste mit einweben, da das
Korrektiv, die Kenntniß der anerkannten Ueberlieferung, in jedermanns Gedächt¬
niß war, also eine Irrung oder Verwirrung daraus nicht entstehen konnte.
In diesem Falle befinden wir uns nicht. Für uns gilt es, ein verlorenes
Gut wieder zu gewinnen, was von einem kleinen Kreise als groß und der
Nation würdig verstanden und gepriesen wird, der Gesammtheit als solches
erscheinen zu lassen. Der Bearbeiter darf darum nichts Anderes sein wollen
als der Interpret, der Dolmetscher, der das Ewige, Göttliche der Sage erkannt
hat und mit seiner Begeisterung dem für Andere Unverständlichen neue Sprache
und Farbe verleiht, mit der es verständlich wird. Für Willkür und Gewalt¬
that würde er mit demselben Rechte zur Rechenschaft gezogen werden, mit dem
man den Lehrer tadeln müßte, welcher mit subjektiven Erklärungen und eigen¬
mächtigen Zuthaten Geschichte und historische Poesie verwässern und zerklären
wollte, anstatt die Sache selbst mit plastischer Gemalt wirken zu lassen und
nur da mit sorgsam nachführender Hand das Verständniß zu erschließen, wo
wirkliche Dunkelheit oder in der That Veraltetes die direkte Erklärung gebie¬
terisch erheischen.


Die badische Schwarzwaldbahn von Offenburg nach Singen von V.E.
W. Schnarf. 2. sehr vermehrte und verbesserte Auflage. Heidelberg, C. Winter's
Universitätsbuchhandlung. 1877.

Tausende von Reisenden durchflogen früher auf der Eisenbahn, die von
Frankfurt nach Basel und Zürich führt, die Ebene des Rheinthals, ohne den
Naturschönheiten des ihnen links zur Seite liegenden Gebirges ihre Aufmerk¬
samkeit zu widmen. Die vom Titel genannte neue Bahn aber hat, indem sie
den Weg in die Ostschweiz um mehrere Stunden abkürzt und dem Reisenden
Gelegenheit bietet, ohne Beschwerden und mit verhältnißmäßig geringen Kosten
den besten Theil des Schwarzwalds kennen zu lernen, hierin eine Aenderung
eintreten lassen, in dem seit ihrer Eröffnung eine große Anzahl von solchen,
die vom Norden her die Schweiz besuchen, diese Richtung der alten vorgezogen
hat. Andere werden desgleichen thun wollen, und so wird ihnen der vor¬
liegende Führer auf der Tour willkommen sein. Der Verfasser gibt zunächst
einleitende Bemerkungen über die Bahn in merkantiler, strategischer und tech¬
nischer Hinsicht, schildert dann den Schwarzwald und das Reisen in demselben
im Allgemeinen und geht darauf zur Eisenbahnfähre von Offenburg nach
Triberg mit seinem berühmten Wasserfall über. Dann wird ein Kapitel über
die Uhrenindustrie des Schwarzwaldes eingeschoben, und schließlich wird die
Reise bis Konstanz fortgesetzt. Von den verschiedenen Stationen werden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/47>, abgerufen am 14.05.2024.