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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Zerschlugen schmetternd sie der Nuder Doppelreihn.
Der Griechen Schiffe drängten wohlberechnet uun
Rings her umzingelnd gegen uns. Jäh stürzten um
Der Schiffe Bäuche; nicht zu schaun mehr war die See,
Mit Wrack und Scheitern und mit Leichen überdeckt;
Und voll von Leichen lagen Klippen rings und Strand.
In wilder Angst fortrudernd floh nun jedes Schiff,
So viel noch übrig waren von dem Perserheer...
Das ode Meer erscholl von Klag' und Angstgeheul,
Bis daß dahin sie nahm der dunkle Blick der Nacht."



Julius Schmorr von ßarolsfelo.

Der Glanz, der einst die Häupter der neueren deutschen Kunstentwicklung
umwob, droht unter unseren Zeitgenossen zu verbleichen. Man wird allerlei
Gründe finden, um diese ebenso befremdliche wie bedauerliche Thatsache zu
erklären und zu entschuldigen; aber man wird sie nicht wegleugnen können.
Dort vermißt man ein individuelles Gepräge, welches das Verhältniß zwischen
dem Kunstwerk und dem Beschauer vermittelt, hier die Innerlichkeit und die
wahre, echt menschliche Empfindung, anderswo den unserer veränderten Lebens¬
anschauung nahe liegenden Stoff, überall aber die Farbe, die Reize des Kolo¬
rits, welche die moderne Malerei, und besonders die realistische, am meisten
populäre Richtung innerhalb derselben in den Vordergrund ihres Schaffens
gestellt hat. Unsere Zeit verhält sich einem gedankenreichen Kunstwerk gegen¬
über gleichgültig, verstündnißlos. Das Blendende, der theatralische Effekt, die
Mache, nur solche Aeußerlichkeiten finden heute die meisten Bewunderer.

Der moderne Mensch wendet sich von der einsamen Größe des Cornelius,
für welche ihm das Maaß fehlt, ab. Die schroffe, nicht selten an das Bizarre
grenzende Formensprache des großen Meisters ist ihm unverständlich geworden.
Es wird eine Zeit kommen, wo sich die Majorität der Gebildeten -- das Volk
ist niemals in ein näheres Verhältniß zu ihm getreten -- von Cornelius und
seiner erhabenen, aber auch einseitigen Geistesrichtung noch weiter entfremden,
wo an die Stelle der unbegrenzten schweigenden Bewunderung die Kritik
treten wird.


Zerschlugen schmetternd sie der Nuder Doppelreihn.
Der Griechen Schiffe drängten wohlberechnet uun
Rings her umzingelnd gegen uns. Jäh stürzten um
Der Schiffe Bäuche; nicht zu schaun mehr war die See,
Mit Wrack und Scheitern und mit Leichen überdeckt;
Und voll von Leichen lagen Klippen rings und Strand.
In wilder Angst fortrudernd floh nun jedes Schiff,
So viel noch übrig waren von dem Perserheer...
Das ode Meer erscholl von Klag' und Angstgeheul,
Bis daß dahin sie nahm der dunkle Blick der Nacht."



Julius Schmorr von ßarolsfelo.

Der Glanz, der einst die Häupter der neueren deutschen Kunstentwicklung
umwob, droht unter unseren Zeitgenossen zu verbleichen. Man wird allerlei
Gründe finden, um diese ebenso befremdliche wie bedauerliche Thatsache zu
erklären und zu entschuldigen; aber man wird sie nicht wegleugnen können.
Dort vermißt man ein individuelles Gepräge, welches das Verhältniß zwischen
dem Kunstwerk und dem Beschauer vermittelt, hier die Innerlichkeit und die
wahre, echt menschliche Empfindung, anderswo den unserer veränderten Lebens¬
anschauung nahe liegenden Stoff, überall aber die Farbe, die Reize des Kolo¬
rits, welche die moderne Malerei, und besonders die realistische, am meisten
populäre Richtung innerhalb derselben in den Vordergrund ihres Schaffens
gestellt hat. Unsere Zeit verhält sich einem gedankenreichen Kunstwerk gegen¬
über gleichgültig, verstündnißlos. Das Blendende, der theatralische Effekt, die
Mache, nur solche Aeußerlichkeiten finden heute die meisten Bewunderer.

Der moderne Mensch wendet sich von der einsamen Größe des Cornelius,
für welche ihm das Maaß fehlt, ab. Die schroffe, nicht selten an das Bizarre
grenzende Formensprache des großen Meisters ist ihm unverständlich geworden.
Es wird eine Zeit kommen, wo sich die Majorität der Gebildeten — das Volk
ist niemals in ein näheres Verhältniß zu ihm getreten — von Cornelius und
seiner erhabenen, aber auch einseitigen Geistesrichtung noch weiter entfremden,
wo an die Stelle der unbegrenzten schweigenden Bewunderung die Kritik
treten wird.


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[0147] Zerschlugen schmetternd sie der Nuder Doppelreihn. Der Griechen Schiffe drängten wohlberechnet uun Rings her umzingelnd gegen uns. Jäh stürzten um Der Schiffe Bäuche; nicht zu schaun mehr war die See, Mit Wrack und Scheitern und mit Leichen überdeckt; Und voll von Leichen lagen Klippen rings und Strand. In wilder Angst fortrudernd floh nun jedes Schiff, So viel noch übrig waren von dem Perserheer... Das ode Meer erscholl von Klag' und Angstgeheul, Bis daß dahin sie nahm der dunkle Blick der Nacht." Julius Schmorr von ßarolsfelo. Der Glanz, der einst die Häupter der neueren deutschen Kunstentwicklung umwob, droht unter unseren Zeitgenossen zu verbleichen. Man wird allerlei Gründe finden, um diese ebenso befremdliche wie bedauerliche Thatsache zu erklären und zu entschuldigen; aber man wird sie nicht wegleugnen können. Dort vermißt man ein individuelles Gepräge, welches das Verhältniß zwischen dem Kunstwerk und dem Beschauer vermittelt, hier die Innerlichkeit und die wahre, echt menschliche Empfindung, anderswo den unserer veränderten Lebens¬ anschauung nahe liegenden Stoff, überall aber die Farbe, die Reize des Kolo¬ rits, welche die moderne Malerei, und besonders die realistische, am meisten populäre Richtung innerhalb derselben in den Vordergrund ihres Schaffens gestellt hat. Unsere Zeit verhält sich einem gedankenreichen Kunstwerk gegen¬ über gleichgültig, verstündnißlos. Das Blendende, der theatralische Effekt, die Mache, nur solche Aeußerlichkeiten finden heute die meisten Bewunderer. Der moderne Mensch wendet sich von der einsamen Größe des Cornelius, für welche ihm das Maaß fehlt, ab. Die schroffe, nicht selten an das Bizarre grenzende Formensprache des großen Meisters ist ihm unverständlich geworden. Es wird eine Zeit kommen, wo sich die Majorität der Gebildeten — das Volk ist niemals in ein näheres Verhältniß zu ihm getreten — von Cornelius und seiner erhabenen, aber auch einseitigen Geistesrichtung noch weiter entfremden, wo an die Stelle der unbegrenzten schweigenden Bewunderung die Kritik treten wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/147>, abgerufen am 28.04.2024.