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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Mastbaum auf, hielt ihn durch Taue, die am Vorder- und Hintertheil des
Fahrzeugs befestigt wurden, im Gleichgewicht und zog an ihm das an eine
Raaen geschlagene Segel auf. Wind und Ruderkraft vereinigten sich dann zur
Bewegung des Schiffes, dessen Lauf das Steuerruder bestimmte. Die Bemannung
der gen Ilion ziehenden Kriegsfahrzeuge bestand aus 50 bis 120 Männern,
welche unzweifelhaft auch zu rudern hatten. Rechnet man die Führer ab und
bringt einmalige Ruderablösung in Anschlag, so dürften die Zwanzigrnderer
die kleinste Gattung der damaligen Schiffe gewesen sein. Die Leichtigkeit, mit
der dieselben an Land gezogen werden konnten, deutet ans sehr geringen Tief¬
gang hin. Zum Gefecht haben sich diese Fahrzeuge schwerlich geeignet.


3. Die Dorer auf Kreta.

Auf die staatlichen Einrichtungen der meisten griechischen Gemeinwesen
hat die dorische Eroberung großen, doch vielfach abgestuften Einfluß gehabt.

Diejenigen Dorer, welche die Wanderung am weitesten fortsetzten, und
so nach Kreta kamen, fanden hier ein Land alter Kultur mit bewährten Ver¬
fassungen und regieruugserfahrenen Adelsgeschlechtern.*) Diese wußten sich zu
behaupten. Sie traten zwar den waffenmächtigen Einwanderer einen genügenden
Theil des Bodens zu freiem Besitze ab, doch mit der Verpflichtung, dafür Kriegs¬
dienste zu thun. Deshalb wurden die jungen Dorier sobald sie mannbar waren, in
die Zucht des Staates genommen, in Schaaren vereinigt, auf öffentlichen Turn¬
plätzen vorschriftsmäßig ausgebildet, abgehärtet und durch Kriegsspiele zum ernsten
Kampfe vorbereitet. Es geschah' alles, um die altdorische Kriegstüchtigkeit zu
erhalten, zugleich aber auch das Möglichste, um durch eine beschränkte und
einseitige Erziehung den Einwanderern diejenige Bildung vorzuenthalten, durch
welche sich die altkretischen Edelleute als geborene Regenten erhielten. Unter
solchen Verhältnissen erscheinen die Dorier geradezu als die Kriegerknste Kretas,
welche sogar noch entschiedener als diejenige Aegyptens ausschließlich ihrem
Berufe lebte, weil sie ihre Aecker nicht selbst bestellte. Der Feldbau blieb viel¬
mehr den ursprüngliche" Landbesitzern überlassen, welche in ein rechtloses
Nnterthanenverhältniß herabgedrückt waren. Von ihnen forderten die Herren
zur bestimmten Frist den Ertrag der Aecker; im Uebrigen lebten die Dorier
sorgenlos und unbekümmert um des Lebens Nothdurft, wie es im Sprnchverse
des Kreters Hybrias heißt:

"Hier sind Schwert, Speer und Schild, mein ganzer Schatz! Damit Pflüge
und ernte ich; damit keltere ich meinen Wein. ---"

Was diese Dorischen Krieger lernten, war Waffenkunst und Selbstbeherr-
schung, Zucht und strenger Gehorsam. Auch diejenigen, welche einen eigenen



*) Vergl. Curtius "Griechische Geschichte."

Mastbaum auf, hielt ihn durch Taue, die am Vorder- und Hintertheil des
Fahrzeugs befestigt wurden, im Gleichgewicht und zog an ihm das an eine
Raaen geschlagene Segel auf. Wind und Ruderkraft vereinigten sich dann zur
Bewegung des Schiffes, dessen Lauf das Steuerruder bestimmte. Die Bemannung
der gen Ilion ziehenden Kriegsfahrzeuge bestand aus 50 bis 120 Männern,
welche unzweifelhaft auch zu rudern hatten. Rechnet man die Führer ab und
bringt einmalige Ruderablösung in Anschlag, so dürften die Zwanzigrnderer
die kleinste Gattung der damaligen Schiffe gewesen sein. Die Leichtigkeit, mit
der dieselben an Land gezogen werden konnten, deutet ans sehr geringen Tief¬
gang hin. Zum Gefecht haben sich diese Fahrzeuge schwerlich geeignet.


3. Die Dorer auf Kreta.

Auf die staatlichen Einrichtungen der meisten griechischen Gemeinwesen
hat die dorische Eroberung großen, doch vielfach abgestuften Einfluß gehabt.

Diejenigen Dorer, welche die Wanderung am weitesten fortsetzten, und
so nach Kreta kamen, fanden hier ein Land alter Kultur mit bewährten Ver¬
fassungen und regieruugserfahrenen Adelsgeschlechtern.*) Diese wußten sich zu
behaupten. Sie traten zwar den waffenmächtigen Einwanderer einen genügenden
Theil des Bodens zu freiem Besitze ab, doch mit der Verpflichtung, dafür Kriegs¬
dienste zu thun. Deshalb wurden die jungen Dorier sobald sie mannbar waren, in
die Zucht des Staates genommen, in Schaaren vereinigt, auf öffentlichen Turn¬
plätzen vorschriftsmäßig ausgebildet, abgehärtet und durch Kriegsspiele zum ernsten
Kampfe vorbereitet. Es geschah' alles, um die altdorische Kriegstüchtigkeit zu
erhalten, zugleich aber auch das Möglichste, um durch eine beschränkte und
einseitige Erziehung den Einwanderern diejenige Bildung vorzuenthalten, durch
welche sich die altkretischen Edelleute als geborene Regenten erhielten. Unter
solchen Verhältnissen erscheinen die Dorier geradezu als die Kriegerknste Kretas,
welche sogar noch entschiedener als diejenige Aegyptens ausschließlich ihrem
Berufe lebte, weil sie ihre Aecker nicht selbst bestellte. Der Feldbau blieb viel¬
mehr den ursprüngliche« Landbesitzern überlassen, welche in ein rechtloses
Nnterthanenverhältniß herabgedrückt waren. Von ihnen forderten die Herren
zur bestimmten Frist den Ertrag der Aecker; im Uebrigen lebten die Dorier
sorgenlos und unbekümmert um des Lebens Nothdurft, wie es im Sprnchverse
des Kreters Hybrias heißt:

„Hier sind Schwert, Speer und Schild, mein ganzer Schatz! Damit Pflüge
und ernte ich; damit keltere ich meinen Wein. -—"

Was diese Dorischen Krieger lernten, war Waffenkunst und Selbstbeherr-
schung, Zucht und strenger Gehorsam. Auch diejenigen, welche einen eigenen



*) Vergl. Curtius „Griechische Geschichte."
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[0021] Mastbaum auf, hielt ihn durch Taue, die am Vorder- und Hintertheil des Fahrzeugs befestigt wurden, im Gleichgewicht und zog an ihm das an eine Raaen geschlagene Segel auf. Wind und Ruderkraft vereinigten sich dann zur Bewegung des Schiffes, dessen Lauf das Steuerruder bestimmte. Die Bemannung der gen Ilion ziehenden Kriegsfahrzeuge bestand aus 50 bis 120 Männern, welche unzweifelhaft auch zu rudern hatten. Rechnet man die Führer ab und bringt einmalige Ruderablösung in Anschlag, so dürften die Zwanzigrnderer die kleinste Gattung der damaligen Schiffe gewesen sein. Die Leichtigkeit, mit der dieselben an Land gezogen werden konnten, deutet ans sehr geringen Tief¬ gang hin. Zum Gefecht haben sich diese Fahrzeuge schwerlich geeignet. 3. Die Dorer auf Kreta. Auf die staatlichen Einrichtungen der meisten griechischen Gemeinwesen hat die dorische Eroberung großen, doch vielfach abgestuften Einfluß gehabt. Diejenigen Dorer, welche die Wanderung am weitesten fortsetzten, und so nach Kreta kamen, fanden hier ein Land alter Kultur mit bewährten Ver¬ fassungen und regieruugserfahrenen Adelsgeschlechtern.*) Diese wußten sich zu behaupten. Sie traten zwar den waffenmächtigen Einwanderer einen genügenden Theil des Bodens zu freiem Besitze ab, doch mit der Verpflichtung, dafür Kriegs¬ dienste zu thun. Deshalb wurden die jungen Dorier sobald sie mannbar waren, in die Zucht des Staates genommen, in Schaaren vereinigt, auf öffentlichen Turn¬ plätzen vorschriftsmäßig ausgebildet, abgehärtet und durch Kriegsspiele zum ernsten Kampfe vorbereitet. Es geschah' alles, um die altdorische Kriegstüchtigkeit zu erhalten, zugleich aber auch das Möglichste, um durch eine beschränkte und einseitige Erziehung den Einwanderern diejenige Bildung vorzuenthalten, durch welche sich die altkretischen Edelleute als geborene Regenten erhielten. Unter solchen Verhältnissen erscheinen die Dorier geradezu als die Kriegerknste Kretas, welche sogar noch entschiedener als diejenige Aegyptens ausschließlich ihrem Berufe lebte, weil sie ihre Aecker nicht selbst bestellte. Der Feldbau blieb viel¬ mehr den ursprüngliche« Landbesitzern überlassen, welche in ein rechtloses Nnterthanenverhältniß herabgedrückt waren. Von ihnen forderten die Herren zur bestimmten Frist den Ertrag der Aecker; im Uebrigen lebten die Dorier sorgenlos und unbekümmert um des Lebens Nothdurft, wie es im Sprnchverse des Kreters Hybrias heißt: „Hier sind Schwert, Speer und Schild, mein ganzer Schatz! Damit Pflüge und ernte ich; damit keltere ich meinen Wein. -—" Was diese Dorischen Krieger lernten, war Waffenkunst und Selbstbeherr- schung, Zucht und strenger Gehorsam. Auch diejenigen, welche einen eigenen *) Vergl. Curtius „Griechische Geschichte."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/21>, abgerufen am 28.04.2024.