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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Aas Krah des Mamenmon.

Eine wunderliche Kunde drang im Dezember 1876 zu uns: der glückliche
Schatzgräber auf klassischem Boden, Dr. Schliemann, verkündete der erstaunten
Welt, daß er auf der uralten Akropolis des goldreichen Mykenae die Gräber
des Mkergebietenden Agamemnon und seiner schmählich hingemordeten Gefähr¬
ten entdeckt habe. Wie vor fünf Jahren, als es ruchbar wurde, daß seine
Gattin, die tapfere Genossin seiner Arbeit, den Schatz des Priamus in ihrem
Umschlagetuche davongetragen, ergoß sich über den unverdrossenen Forscher
eine Muth von Spöttereien. Heute liegen die Resultate, seiner Ausgrabungen
in einer trefflich ausgestatteten, durchaus zuverlässigen Publikation*) vor un¬
seren Augen, und angesichts dieser Resultate muß jeder Spott verstummen.
Während die deutsche Expedition in Olympia dem Schlamme des Alpheios-
thales in heißem Bemühen kärgliche Marmorreste abrang, welche nur bestätig¬
ten, was wir aus Pausanias und anderen Schriftstellern bereits kannten, fie¬
len dem "Liebling der homerischen Götter und Helden" unermeßliche Schätze
in den Schooß. Er entdeckte die Spuren einer uralten Kultur, er schlug der
Wissenschaft ein neues, fast drei Jahrtausende altes Blatt der Kulturge¬
schichte auf.

Noch haben die Ergebnisse der Schliemann'schen Ausgrabungen von Sei¬
ten der archäologischen Wissenschaft keine erschöpfende Würdigung erfahren.
Es sind noch nicht einmal die ersten Orientirnngsversuche gemacht worden.
Sehr erklärlich. Denn die Wissenschaft steht hier vor einer durchaus neuen
Erscheinung. Schliemann, der Autodidakt, hat , ihr ein Material zugeführt, zu
dessen Bewältigung sie lange Zeit nöthig haben wird. Während sich die



Mykenae. Berichte über meine Forschungen und Entdeckungen in Mykenae und
Tiryns von or, Heinrich Schliemann. Mit einer Vorrede von W> E. Gladstone.
Nebst zahlreichen Abbildungen, Plänen und Farbendrucktafeln, mehr als 700 Gegenstände
darstellend, Leipzig, F. A. Brockhaus, 1S78.
Grenzboten I. 1873. 3"
Aas Krah des Mamenmon.

Eine wunderliche Kunde drang im Dezember 1876 zu uns: der glückliche
Schatzgräber auf klassischem Boden, Dr. Schliemann, verkündete der erstaunten
Welt, daß er auf der uralten Akropolis des goldreichen Mykenae die Gräber
des Mkergebietenden Agamemnon und seiner schmählich hingemordeten Gefähr¬
ten entdeckt habe. Wie vor fünf Jahren, als es ruchbar wurde, daß seine
Gattin, die tapfere Genossin seiner Arbeit, den Schatz des Priamus in ihrem
Umschlagetuche davongetragen, ergoß sich über den unverdrossenen Forscher
eine Muth von Spöttereien. Heute liegen die Resultate, seiner Ausgrabungen
in einer trefflich ausgestatteten, durchaus zuverlässigen Publikation*) vor un¬
seren Augen, und angesichts dieser Resultate muß jeder Spott verstummen.
Während die deutsche Expedition in Olympia dem Schlamme des Alpheios-
thales in heißem Bemühen kärgliche Marmorreste abrang, welche nur bestätig¬
ten, was wir aus Pausanias und anderen Schriftstellern bereits kannten, fie¬
len dem „Liebling der homerischen Götter und Helden" unermeßliche Schätze
in den Schooß. Er entdeckte die Spuren einer uralten Kultur, er schlug der
Wissenschaft ein neues, fast drei Jahrtausende altes Blatt der Kulturge¬
schichte auf.

Noch haben die Ergebnisse der Schliemann'schen Ausgrabungen von Sei¬
ten der archäologischen Wissenschaft keine erschöpfende Würdigung erfahren.
Es sind noch nicht einmal die ersten Orientirnngsversuche gemacht worden.
Sehr erklärlich. Denn die Wissenschaft steht hier vor einer durchaus neuen
Erscheinung. Schliemann, der Autodidakt, hat , ihr ein Material zugeführt, zu
dessen Bewältigung sie lange Zeit nöthig haben wird. Während sich die



Mykenae. Berichte über meine Forschungen und Entdeckungen in Mykenae und
Tiryns von or, Heinrich Schliemann. Mit einer Vorrede von W> E. Gladstone.
Nebst zahlreichen Abbildungen, Plänen und Farbendrucktafeln, mehr als 700 Gegenstände
darstellend, Leipzig, F. A. Brockhaus, 1S78.
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[0289] Aas Krah des Mamenmon. Eine wunderliche Kunde drang im Dezember 1876 zu uns: der glückliche Schatzgräber auf klassischem Boden, Dr. Schliemann, verkündete der erstaunten Welt, daß er auf der uralten Akropolis des goldreichen Mykenae die Gräber des Mkergebietenden Agamemnon und seiner schmählich hingemordeten Gefähr¬ ten entdeckt habe. Wie vor fünf Jahren, als es ruchbar wurde, daß seine Gattin, die tapfere Genossin seiner Arbeit, den Schatz des Priamus in ihrem Umschlagetuche davongetragen, ergoß sich über den unverdrossenen Forscher eine Muth von Spöttereien. Heute liegen die Resultate, seiner Ausgrabungen in einer trefflich ausgestatteten, durchaus zuverlässigen Publikation*) vor un¬ seren Augen, und angesichts dieser Resultate muß jeder Spott verstummen. Während die deutsche Expedition in Olympia dem Schlamme des Alpheios- thales in heißem Bemühen kärgliche Marmorreste abrang, welche nur bestätig¬ ten, was wir aus Pausanias und anderen Schriftstellern bereits kannten, fie¬ len dem „Liebling der homerischen Götter und Helden" unermeßliche Schätze in den Schooß. Er entdeckte die Spuren einer uralten Kultur, er schlug der Wissenschaft ein neues, fast drei Jahrtausende altes Blatt der Kulturge¬ schichte auf. Noch haben die Ergebnisse der Schliemann'schen Ausgrabungen von Sei¬ ten der archäologischen Wissenschaft keine erschöpfende Würdigung erfahren. Es sind noch nicht einmal die ersten Orientirnngsversuche gemacht worden. Sehr erklärlich. Denn die Wissenschaft steht hier vor einer durchaus neuen Erscheinung. Schliemann, der Autodidakt, hat , ihr ein Material zugeführt, zu dessen Bewältigung sie lange Zeit nöthig haben wird. Während sich die Mykenae. Berichte über meine Forschungen und Entdeckungen in Mykenae und Tiryns von or, Heinrich Schliemann. Mit einer Vorrede von W> E. Gladstone. Nebst zahlreichen Abbildungen, Plänen und Farbendrucktafeln, mehr als 700 Gegenstände darstellend, Leipzig, F. A. Brockhaus, 1S78. Grenzboten I. 1873. 3«

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/289>, abgerufen am 28.04.2024.