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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Jugendarbeiten von Adam Kraft.

Aus der großen Zahl der Nürnberger Bildhauer (Steinmetzen) des vier¬
zehnten und fünfzehnten Jahrhunderts, welche (mit wenigen Ausnahmen, wie
z. B. die Meister der Statuen am schönen Brunnen) nur mehr oder weniger
geschickte Handwerker waren, tritt Adam Kraft als ein hochbegabter, schöpferisch
thätiger Künstler bedeutend hervor und bildet den krönenden Abschluß einer
laugen künstlerischen Entwickelung. Kraft gehört noch zu den mittelalterlichen,
schulmäßig durchgebildeten Steinmetzen, welche strenge an den überlieferten
gothischen Formen fest halten. Bald nach seinem, im Jahre 1507 erfolgten
Tode treten dann, obgleich die alte Tradition gerade in Nürnberg noch lange
Zeit fort wirkte, die aus Italien eingeführten Formen der Renaissance immer
mehr hervor und beherrschen bald das ganze Gebiet der künstlerischen Thä¬
tigkeit.

Adam Kraft muß, wie aus seinem bekannten Portrait am Fuße des
Sakramenthäuschens in der Lorenzkirche sich ergiebt, um das Jahr 1455 ge¬
boren sein. Seine älteste*) beglaubigte und datirte Arbeit ist aber erst das
Schreyersche Grabmal an der Sebalduskirche vom Jahre 1492. Kraft war
damals also schon etwa 37 Jahre alt. Rechnen wir nun 25 Jahre für die
Zeit seiner Kindheit und seiner Lehre ab, so bleiben noch ungefähr 12 Jahre
(1480--92) übrig, während deren Kraft selbstständig gearbeitet haben muß, aus
welcher Zeit Arbeiten von ihm bis jetzt aber mit Bestimmtheit nicht nachge¬
wiesen werden können.

Aus den bekannten Arbeiten des Meisters, in welchen Architektur und
Skulptur mit gleicher Meisterschaft und oft in so enger Verbindung mit einan¬
der, daß das Eine von dem Andern nicht zu trennen ist, behandelt sind, er¬
giebt sich , daß er, aus der Hütte der gewöhnlichen Steinmetzen hervorgegan¬
gen, die Baukunst handwerksmäßig erlernt, daß er dann, wohl wesent¬
lich durch eigene Kraft, von einem einfachen Steinmetzgesellen, von der
Architektur, durch die Ornamentik, zu figürlichen Darstellungen übergehend,
zu einem Bildhauer sich ausgebildet und allmählig zu jener Höhe sich em¬
porgearbeitet hat, welche er in seiner besten Zeit einnahm. Er begnügte



*) Die Ketzclschen "Stationen" auf dem Wege nach Se. Johannis, welche nach Will's
allgemein als richtig angenommener Angabe, im Jahre 1490 aufgestellt sein sollen, können
ihrem Styl und ihrer künstlerischen Vollendung nach, nicht so frühe Arbeite" Kraft's sein,
sondern können erst später entstanden sein. Eine andere Angabe, nach welcher sie erst im
Jahre 1508 (als Kraft schon todt war) vollendet wurden, verdient daher mehr Glauben.
Jugendarbeiten von Adam Kraft.

Aus der großen Zahl der Nürnberger Bildhauer (Steinmetzen) des vier¬
zehnten und fünfzehnten Jahrhunderts, welche (mit wenigen Ausnahmen, wie
z. B. die Meister der Statuen am schönen Brunnen) nur mehr oder weniger
geschickte Handwerker waren, tritt Adam Kraft als ein hochbegabter, schöpferisch
thätiger Künstler bedeutend hervor und bildet den krönenden Abschluß einer
laugen künstlerischen Entwickelung. Kraft gehört noch zu den mittelalterlichen,
schulmäßig durchgebildeten Steinmetzen, welche strenge an den überlieferten
gothischen Formen fest halten. Bald nach seinem, im Jahre 1507 erfolgten
Tode treten dann, obgleich die alte Tradition gerade in Nürnberg noch lange
Zeit fort wirkte, die aus Italien eingeführten Formen der Renaissance immer
mehr hervor und beherrschen bald das ganze Gebiet der künstlerischen Thä¬
tigkeit.

Adam Kraft muß, wie aus seinem bekannten Portrait am Fuße des
Sakramenthäuschens in der Lorenzkirche sich ergiebt, um das Jahr 1455 ge¬
boren sein. Seine älteste*) beglaubigte und datirte Arbeit ist aber erst das
Schreyersche Grabmal an der Sebalduskirche vom Jahre 1492. Kraft war
damals also schon etwa 37 Jahre alt. Rechnen wir nun 25 Jahre für die
Zeit seiner Kindheit und seiner Lehre ab, so bleiben noch ungefähr 12 Jahre
(1480—92) übrig, während deren Kraft selbstständig gearbeitet haben muß, aus
welcher Zeit Arbeiten von ihm bis jetzt aber mit Bestimmtheit nicht nachge¬
wiesen werden können.

Aus den bekannten Arbeiten des Meisters, in welchen Architektur und
Skulptur mit gleicher Meisterschaft und oft in so enger Verbindung mit einan¬
der, daß das Eine von dem Andern nicht zu trennen ist, behandelt sind, er¬
giebt sich , daß er, aus der Hütte der gewöhnlichen Steinmetzen hervorgegan¬
gen, die Baukunst handwerksmäßig erlernt, daß er dann, wohl wesent¬
lich durch eigene Kraft, von einem einfachen Steinmetzgesellen, von der
Architektur, durch die Ornamentik, zu figürlichen Darstellungen übergehend,
zu einem Bildhauer sich ausgebildet und allmählig zu jener Höhe sich em¬
porgearbeitet hat, welche er in seiner besten Zeit einnahm. Er begnügte



*) Die Ketzclschen „Stationen" auf dem Wege nach Se. Johannis, welche nach Will's
allgemein als richtig angenommener Angabe, im Jahre 1490 aufgestellt sein sollen, können
ihrem Styl und ihrer künstlerischen Vollendung nach, nicht so frühe Arbeite» Kraft's sein,
sondern können erst später entstanden sein. Eine andere Angabe, nach welcher sie erst im
Jahre 1508 (als Kraft schon todt war) vollendet wurden, verdient daher mehr Glauben.
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[0317] Jugendarbeiten von Adam Kraft. Aus der großen Zahl der Nürnberger Bildhauer (Steinmetzen) des vier¬ zehnten und fünfzehnten Jahrhunderts, welche (mit wenigen Ausnahmen, wie z. B. die Meister der Statuen am schönen Brunnen) nur mehr oder weniger geschickte Handwerker waren, tritt Adam Kraft als ein hochbegabter, schöpferisch thätiger Künstler bedeutend hervor und bildet den krönenden Abschluß einer laugen künstlerischen Entwickelung. Kraft gehört noch zu den mittelalterlichen, schulmäßig durchgebildeten Steinmetzen, welche strenge an den überlieferten gothischen Formen fest halten. Bald nach seinem, im Jahre 1507 erfolgten Tode treten dann, obgleich die alte Tradition gerade in Nürnberg noch lange Zeit fort wirkte, die aus Italien eingeführten Formen der Renaissance immer mehr hervor und beherrschen bald das ganze Gebiet der künstlerischen Thä¬ tigkeit. Adam Kraft muß, wie aus seinem bekannten Portrait am Fuße des Sakramenthäuschens in der Lorenzkirche sich ergiebt, um das Jahr 1455 ge¬ boren sein. Seine älteste*) beglaubigte und datirte Arbeit ist aber erst das Schreyersche Grabmal an der Sebalduskirche vom Jahre 1492. Kraft war damals also schon etwa 37 Jahre alt. Rechnen wir nun 25 Jahre für die Zeit seiner Kindheit und seiner Lehre ab, so bleiben noch ungefähr 12 Jahre (1480—92) übrig, während deren Kraft selbstständig gearbeitet haben muß, aus welcher Zeit Arbeiten von ihm bis jetzt aber mit Bestimmtheit nicht nachge¬ wiesen werden können. Aus den bekannten Arbeiten des Meisters, in welchen Architektur und Skulptur mit gleicher Meisterschaft und oft in so enger Verbindung mit einan¬ der, daß das Eine von dem Andern nicht zu trennen ist, behandelt sind, er¬ giebt sich , daß er, aus der Hütte der gewöhnlichen Steinmetzen hervorgegan¬ gen, die Baukunst handwerksmäßig erlernt, daß er dann, wohl wesent¬ lich durch eigene Kraft, von einem einfachen Steinmetzgesellen, von der Architektur, durch die Ornamentik, zu figürlichen Darstellungen übergehend, zu einem Bildhauer sich ausgebildet und allmählig zu jener Höhe sich em¬ porgearbeitet hat, welche er in seiner besten Zeit einnahm. Er begnügte *) Die Ketzclschen „Stationen" auf dem Wege nach Se. Johannis, welche nach Will's allgemein als richtig angenommener Angabe, im Jahre 1490 aufgestellt sein sollen, können ihrem Styl und ihrer künstlerischen Vollendung nach, nicht so frühe Arbeite» Kraft's sein, sondern können erst später entstanden sein. Eine andere Angabe, nach welcher sie erst im Jahre 1508 (als Kraft schon todt war) vollendet wurden, verdient daher mehr Glauben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/317>, abgerufen am 28.04.2024.