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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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und bei Leuktra und Mantineia zur Darstellung gebracht hatte, diese berühmte
"schiefe Schlachtordnng", welche so oft als ein Arkanum des Sieges gepriesen
worden ist, war die vollendete Ausgestaltung der im griechischen Kriegswesen
von je an gelegenen Keime. -- Die Stärke der Weiterentwickelung der Pha¬
lanx durch Epameinondas liegt eben darin, daß sie so ganz im Sinne und im
Wesen des eigentlichen Elementes der Phalanx erfolgt, d. h. im Sinne des
Stoßes. Denn der Stoß ist es, der gesteigert wird erstens durch die ört¬
liche Zusammenfassung der Kolonnenlinie zur wirklichen Kolonne und zweitens
durch die Verwandlung des frontalen in den targentialen Angriff. Alle Hel¬
lenenschlachten bis auf Epameiuondas waren mit wenigen Ausnahmen Flügel¬
schlachten gewesen und die seinen waren es erst recht. Aber während man
vor ihm denjenigen Flügel angegriffen hatte, der für den schwächeren galt, so
entschied sich Epameinondas für den Angriff auf den stärkeren Flügel des
Gegners und um noch stärker zu sein als dieser, wird der Ehrenplatz seiner
Schlachtordnung der linke Flügel; hier stellt er seine besten Truppen auf und
hier wendet er die Kolonnenformation an. um des Durchbruchs sicher zu sein.
-- Die Phalanx, ursprünglich mehr auf das Abstoßen als auf das Zustoßen
berechnet, wird durch die Thebaner auf die Höhe der Offensivkraft gehoben.

In der Formation also wie in Verwendung der Waffen zieht Epamei¬
nondas die Summe dessen, was', langsam gereift, zuletzt durch Xenophon und
Jphikrates Gestalt gewonnen hatte. Aber Einen Schritt läßt auch er noch
übrig: die Verbindung der Waffen ist auch bei ihm nicht organisch. -- Noch
steht Reiterei wesentlich gegen Reiterei; das Schwergewicht der Schlacht liegt,
auch hinsichtlich der Offensive, noch durchaus auf den Hopliten; das taktische
System des Epameinondas ist möglich auch ohne Kavallerie und ohne Leicht¬
bewaffnete. Die verschiedene Formation der beiden Flügel spricht sich in der
Verschiedenheit der Gruppirung des schweren Fußvolks aus, nicht etwa in
einer nach den Waffen verschiedenartigen Zusammensetzung. -- Der Schritt,
welcher noch zu thun blieb, bestand darin, die beiden Flügel nicht nnr ver¬
schieden zu formiren, sondern verschieden zu organisiren, d. h. ihren Kern
aus verschiedenen Waffengattungen zusammenzusetzen.




und bei Leuktra und Mantineia zur Darstellung gebracht hatte, diese berühmte
„schiefe Schlachtordnng", welche so oft als ein Arkanum des Sieges gepriesen
worden ist, war die vollendete Ausgestaltung der im griechischen Kriegswesen
von je an gelegenen Keime. — Die Stärke der Weiterentwickelung der Pha¬
lanx durch Epameinondas liegt eben darin, daß sie so ganz im Sinne und im
Wesen des eigentlichen Elementes der Phalanx erfolgt, d. h. im Sinne des
Stoßes. Denn der Stoß ist es, der gesteigert wird erstens durch die ört¬
liche Zusammenfassung der Kolonnenlinie zur wirklichen Kolonne und zweitens
durch die Verwandlung des frontalen in den targentialen Angriff. Alle Hel¬
lenenschlachten bis auf Epameiuondas waren mit wenigen Ausnahmen Flügel¬
schlachten gewesen und die seinen waren es erst recht. Aber während man
vor ihm denjenigen Flügel angegriffen hatte, der für den schwächeren galt, so
entschied sich Epameinondas für den Angriff auf den stärkeren Flügel des
Gegners und um noch stärker zu sein als dieser, wird der Ehrenplatz seiner
Schlachtordnung der linke Flügel; hier stellt er seine besten Truppen auf und
hier wendet er die Kolonnenformation an. um des Durchbruchs sicher zu sein.
— Die Phalanx, ursprünglich mehr auf das Abstoßen als auf das Zustoßen
berechnet, wird durch die Thebaner auf die Höhe der Offensivkraft gehoben.

In der Formation also wie in Verwendung der Waffen zieht Epamei¬
nondas die Summe dessen, was', langsam gereift, zuletzt durch Xenophon und
Jphikrates Gestalt gewonnen hatte. Aber Einen Schritt läßt auch er noch
übrig: die Verbindung der Waffen ist auch bei ihm nicht organisch. — Noch
steht Reiterei wesentlich gegen Reiterei; das Schwergewicht der Schlacht liegt,
auch hinsichtlich der Offensive, noch durchaus auf den Hopliten; das taktische
System des Epameinondas ist möglich auch ohne Kavallerie und ohne Leicht¬
bewaffnete. Die verschiedene Formation der beiden Flügel spricht sich in der
Verschiedenheit der Gruppirung des schweren Fußvolks aus, nicht etwa in
einer nach den Waffen verschiedenartigen Zusammensetzung. — Der Schritt,
welcher noch zu thun blieb, bestand darin, die beiden Flügel nicht nnr ver¬
schieden zu formiren, sondern verschieden zu organisiren, d. h. ihren Kern
aus verschiedenen Waffengattungen zusammenzusetzen.




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[0316] und bei Leuktra und Mantineia zur Darstellung gebracht hatte, diese berühmte „schiefe Schlachtordnng", welche so oft als ein Arkanum des Sieges gepriesen worden ist, war die vollendete Ausgestaltung der im griechischen Kriegswesen von je an gelegenen Keime. — Die Stärke der Weiterentwickelung der Pha¬ lanx durch Epameinondas liegt eben darin, daß sie so ganz im Sinne und im Wesen des eigentlichen Elementes der Phalanx erfolgt, d. h. im Sinne des Stoßes. Denn der Stoß ist es, der gesteigert wird erstens durch die ört¬ liche Zusammenfassung der Kolonnenlinie zur wirklichen Kolonne und zweitens durch die Verwandlung des frontalen in den targentialen Angriff. Alle Hel¬ lenenschlachten bis auf Epameiuondas waren mit wenigen Ausnahmen Flügel¬ schlachten gewesen und die seinen waren es erst recht. Aber während man vor ihm denjenigen Flügel angegriffen hatte, der für den schwächeren galt, so entschied sich Epameinondas für den Angriff auf den stärkeren Flügel des Gegners und um noch stärker zu sein als dieser, wird der Ehrenplatz seiner Schlachtordnung der linke Flügel; hier stellt er seine besten Truppen auf und hier wendet er die Kolonnenformation an. um des Durchbruchs sicher zu sein. — Die Phalanx, ursprünglich mehr auf das Abstoßen als auf das Zustoßen berechnet, wird durch die Thebaner auf die Höhe der Offensivkraft gehoben. In der Formation also wie in Verwendung der Waffen zieht Epamei¬ nondas die Summe dessen, was', langsam gereift, zuletzt durch Xenophon und Jphikrates Gestalt gewonnen hatte. Aber Einen Schritt läßt auch er noch übrig: die Verbindung der Waffen ist auch bei ihm nicht organisch. — Noch steht Reiterei wesentlich gegen Reiterei; das Schwergewicht der Schlacht liegt, auch hinsichtlich der Offensive, noch durchaus auf den Hopliten; das taktische System des Epameinondas ist möglich auch ohne Kavallerie und ohne Leicht¬ bewaffnete. Die verschiedene Formation der beiden Flügel spricht sich in der Verschiedenheit der Gruppirung des schweren Fußvolks aus, nicht etwa in einer nach den Waffen verschiedenartigen Zusammensetzung. — Der Schritt, welcher noch zu thun blieb, bestand darin, die beiden Flügel nicht nnr ver¬ schieden zu formiren, sondern verschieden zu organisiren, d. h. ihren Kern aus verschiedenen Waffengattungen zusammenzusetzen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/316>, abgerufen am 14.05.2024.