Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

aktenmüßig zu skizziren, wenn nicht sein Verlauf so äußerst lehrreich dafür
wäre, wie weit man es mit der "Vergebung von Manuskripten an ein Ver¬
mittlungsorgan" bringen kann. --

Um mit einem positiven Vorschlag zu schließen, möchten wir das literarische
Zentralbureau ersuchen, ein Preisausschreiben für einen Roman "Literatenehre"
zu erlassen und den preisgekrönten Roman an recht viele deutsche Zeitungen
L. zu "vergeben."




Lesstng's Kamburgische Dramaturgie.

Für die oberste Klasse höherer Lehranstalten und den weiteren Kreis der
Gebildeten erläutert von Dr. Friedrich Schröter und Dr. Ri es art Th iele.
Halle, Waisenhaus, 1877.

Lessing's Dramaturgie gehört zu jenen Büchern, die viel gelobt und
wenig gelesen werden. ' Man spricht von ihrem hohen Werth, man rühmt ihren
heilsamen Einfluß, aber man kennt, man versteht sie nicht.

Es ist das eine beklagenswerthe Erscheinung, für die man aber das
Publikum nicht allein verantwortlich machen darf. Das Verständniß der
Dramaturgie bietet nicht wenige und nicht unerhebliche Schwierigkeiten, die
gehoben werden müssen, soll die Beschäftigung mit ihr, was dringend zu
wünschen ist, eine allgemeinere werden. So hat man es denn mit Freuden
zu begrüßen, daß kurz nach einander von zwei Seiten her der energische
Versuch gemacht worden ist, jenem Uebelstande abzuhelfen, 1876 hat Cosack,
1877 haben Schröter und Thiele in Gemeinschaft das Meisterwerk Lessings
kommentirt. Cosack hat außer einer kurzen literar-historischen Einleitung nur
den Kommentar gegeben und darin unleugbar viel Treffliches geboten; Schröter
und Thiele haben den Text beibehalten, ihn Schritt für Schritt erläutert und
in einer nicht weniger als 136 Seiten umfassenden Einleitung alle in
Betracht kommenden Fragen auf das eingehendste besprochen. Ihrem Werke
muß man den Preis zuerkennen, und so wollen wir einen Augenblick dabei
verweilen.

Die Einleitung behandelt in zwei Abschnitten die äußere Geschichte des
Hamburger Unternehmens und den Inhalt der Dramaturgie. In beiden Ab¬
schnitten wird weit ausgeholt, wird mit der größten Umsicht und Gewissen¬
haftigkeit verfahren; jede Zeile, jedes Wort zeugt von den gründlichen Studien,
welche die Verfasser gemacht haben. Ich wünschte nur, sie hätten es zu größerer


Grenzboten I. 1S78, 4ö

aktenmüßig zu skizziren, wenn nicht sein Verlauf so äußerst lehrreich dafür
wäre, wie weit man es mit der „Vergebung von Manuskripten an ein Ver¬
mittlungsorgan" bringen kann. —

Um mit einem positiven Vorschlag zu schließen, möchten wir das literarische
Zentralbureau ersuchen, ein Preisausschreiben für einen Roman „Literatenehre"
zu erlassen und den preisgekrönten Roman an recht viele deutsche Zeitungen
L. zu „vergeben."




Lesstng's Kamburgische Dramaturgie.

Für die oberste Klasse höherer Lehranstalten und den weiteren Kreis der
Gebildeten erläutert von Dr. Friedrich Schröter und Dr. Ri es art Th iele.
Halle, Waisenhaus, 1877.

Lessing's Dramaturgie gehört zu jenen Büchern, die viel gelobt und
wenig gelesen werden. ' Man spricht von ihrem hohen Werth, man rühmt ihren
heilsamen Einfluß, aber man kennt, man versteht sie nicht.

Es ist das eine beklagenswerthe Erscheinung, für die man aber das
Publikum nicht allein verantwortlich machen darf. Das Verständniß der
Dramaturgie bietet nicht wenige und nicht unerhebliche Schwierigkeiten, die
gehoben werden müssen, soll die Beschäftigung mit ihr, was dringend zu
wünschen ist, eine allgemeinere werden. So hat man es denn mit Freuden
zu begrüßen, daß kurz nach einander von zwei Seiten her der energische
Versuch gemacht worden ist, jenem Uebelstande abzuhelfen, 1876 hat Cosack,
1877 haben Schröter und Thiele in Gemeinschaft das Meisterwerk Lessings
kommentirt. Cosack hat außer einer kurzen literar-historischen Einleitung nur
den Kommentar gegeben und darin unleugbar viel Treffliches geboten; Schröter
und Thiele haben den Text beibehalten, ihn Schritt für Schritt erläutert und
in einer nicht weniger als 136 Seiten umfassenden Einleitung alle in
Betracht kommenden Fragen auf das eingehendste besprochen. Ihrem Werke
muß man den Preis zuerkennen, und so wollen wir einen Augenblick dabei
verweilen.

Die Einleitung behandelt in zwei Abschnitten die äußere Geschichte des
Hamburger Unternehmens und den Inhalt der Dramaturgie. In beiden Ab¬
schnitten wird weit ausgeholt, wird mit der größten Umsicht und Gewissen¬
haftigkeit verfahren; jede Zeile, jedes Wort zeugt von den gründlichen Studien,
welche die Verfasser gemacht haben. Ich wünschte nur, sie hätten es zu größerer


Grenzboten I. 1S78, 4ö
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0361" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139654"/>
          <p xml:id="ID_1034" prev="#ID_1033"> aktenmüßig zu skizziren, wenn nicht sein Verlauf so äußerst lehrreich dafür<lb/>
wäre, wie weit man es mit der &#x201E;Vergebung von Manuskripten an ein Ver¬<lb/>
mittlungsorgan" bringen kann. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1035"> Um mit einem positiven Vorschlag zu schließen, möchten wir das literarische<lb/>
Zentralbureau ersuchen, ein Preisausschreiben für einen Roman &#x201E;Literatenehre"<lb/>
zu erlassen und den preisgekrönten Roman an recht viele deutsche Zeitungen<lb/><note type="byline"> L.</note> zu &#x201E;vergeben." </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Lesstng's Kamburgische Dramaturgie.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1036"> Für die oberste Klasse höherer Lehranstalten und den weiteren Kreis der<lb/>
Gebildeten erläutert von Dr. Friedrich Schröter und Dr. Ri es art Th iele.<lb/>
Halle, Waisenhaus, 1877.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1037"> Lessing's Dramaturgie gehört zu jenen Büchern, die viel gelobt und<lb/>
wenig gelesen werden. ' Man spricht von ihrem hohen Werth, man rühmt ihren<lb/>
heilsamen Einfluß, aber man kennt, man versteht sie nicht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1038"> Es ist das eine beklagenswerthe Erscheinung, für die man aber das<lb/>
Publikum nicht allein verantwortlich machen darf. Das Verständniß der<lb/>
Dramaturgie bietet nicht wenige und nicht unerhebliche Schwierigkeiten, die<lb/>
gehoben werden müssen, soll die Beschäftigung mit ihr, was dringend zu<lb/>
wünschen ist, eine allgemeinere werden. So hat man es denn mit Freuden<lb/>
zu begrüßen, daß kurz nach einander von zwei Seiten her der energische<lb/>
Versuch gemacht worden ist, jenem Uebelstande abzuhelfen, 1876 hat Cosack,<lb/>
1877 haben Schröter und Thiele in Gemeinschaft das Meisterwerk Lessings<lb/>
kommentirt. Cosack hat außer einer kurzen literar-historischen Einleitung nur<lb/>
den Kommentar gegeben und darin unleugbar viel Treffliches geboten; Schröter<lb/>
und Thiele haben den Text beibehalten, ihn Schritt für Schritt erläutert und<lb/>
in einer nicht weniger als 136 Seiten umfassenden Einleitung alle in<lb/>
Betracht kommenden Fragen auf das eingehendste besprochen. Ihrem Werke<lb/>
muß man den Preis zuerkennen, und so wollen wir einen Augenblick dabei<lb/>
verweilen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1039" next="#ID_1040"> Die Einleitung behandelt in zwei Abschnitten die äußere Geschichte des<lb/>
Hamburger Unternehmens und den Inhalt der Dramaturgie. In beiden Ab¬<lb/>
schnitten wird weit ausgeholt, wird mit der größten Umsicht und Gewissen¬<lb/>
haftigkeit verfahren; jede Zeile, jedes Wort zeugt von den gründlichen Studien,<lb/>
welche die Verfasser gemacht haben. Ich wünschte nur, sie hätten es zu größerer</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 1S78, 4ö</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0361] aktenmüßig zu skizziren, wenn nicht sein Verlauf so äußerst lehrreich dafür wäre, wie weit man es mit der „Vergebung von Manuskripten an ein Ver¬ mittlungsorgan" bringen kann. — Um mit einem positiven Vorschlag zu schließen, möchten wir das literarische Zentralbureau ersuchen, ein Preisausschreiben für einen Roman „Literatenehre" zu erlassen und den preisgekrönten Roman an recht viele deutsche Zeitungen L. zu „vergeben." Lesstng's Kamburgische Dramaturgie. Für die oberste Klasse höherer Lehranstalten und den weiteren Kreis der Gebildeten erläutert von Dr. Friedrich Schröter und Dr. Ri es art Th iele. Halle, Waisenhaus, 1877. Lessing's Dramaturgie gehört zu jenen Büchern, die viel gelobt und wenig gelesen werden. ' Man spricht von ihrem hohen Werth, man rühmt ihren heilsamen Einfluß, aber man kennt, man versteht sie nicht. Es ist das eine beklagenswerthe Erscheinung, für die man aber das Publikum nicht allein verantwortlich machen darf. Das Verständniß der Dramaturgie bietet nicht wenige und nicht unerhebliche Schwierigkeiten, die gehoben werden müssen, soll die Beschäftigung mit ihr, was dringend zu wünschen ist, eine allgemeinere werden. So hat man es denn mit Freuden zu begrüßen, daß kurz nach einander von zwei Seiten her der energische Versuch gemacht worden ist, jenem Uebelstande abzuhelfen, 1876 hat Cosack, 1877 haben Schröter und Thiele in Gemeinschaft das Meisterwerk Lessings kommentirt. Cosack hat außer einer kurzen literar-historischen Einleitung nur den Kommentar gegeben und darin unleugbar viel Treffliches geboten; Schröter und Thiele haben den Text beibehalten, ihn Schritt für Schritt erläutert und in einer nicht weniger als 136 Seiten umfassenden Einleitung alle in Betracht kommenden Fragen auf das eingehendste besprochen. Ihrem Werke muß man den Preis zuerkennen, und so wollen wir einen Augenblick dabei verweilen. Die Einleitung behandelt in zwei Abschnitten die äußere Geschichte des Hamburger Unternehmens und den Inhalt der Dramaturgie. In beiden Ab¬ schnitten wird weit ausgeholt, wird mit der größten Umsicht und Gewissen¬ haftigkeit verfahren; jede Zeile, jedes Wort zeugt von den gründlichen Studien, welche die Verfasser gemacht haben. Ich wünschte nur, sie hätten es zu größerer Grenzboten I. 1S78, 4ö

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/361
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/361>, abgerufen am 29.04.2024.