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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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wiederholt und mit Aufmerksamkeit gelesen zu werden. Die Bewegung auf
dem Gebiete der Kunst-Industrie ist, Dank der befruchtenden Thätigkeit der
Gewerbemuseen, jetzt glücklicher Weise so weit vorgeschritten, daß man eigent¬
lich Alles in entsprechender Vollkommenheit zu leisten im Stande ist, wenn
es verlangt wird. Daß nicht so viel geschieht, als nöthig ist und erwar¬
tet werdeu darf, ist nicht die Schuld der Künstler und Fabrikanten, -- obgleich
auch diesen noch viel zu thun übrig bleibt, -- sondern im Wesentlichen die
Schuld des Publikums, welches die Künstler und die Fabrikanten nicht genü¬
gend unterstützt. So lange das Publikum mit dem Schlechtesten zufrieden ist,
wenn es uur billig ist, kann die Kunstindustrie nicht zur Blüthe kommen.
Daher muß jetzt vor Allem das Publikum gebildet, für das Gute und
Schöne empfänglich gemacht werden. Das Publikum muß Verlangen nach
dem Guten und Schönen haben, das Schlechte mit Entschiedenheit zurückwei¬
sen. Und zu solchem Ziel zu führen, sind Arbeiten wie die oben besprochene
ganz besonders geignet.


Georg eus' Schulen der weibliche" Hcmdcirbeit (Leipzig 1877, Richter).

Noch im Jahre 1860, als G. Semper den ersten Band seines berühmten,
grundlegenden Werkes über den "Styl" in den Kunstgewerben herausgab,
konnte er in Betreff der weiblichen Handarbeiten sagen: "Heut zu Tage würde
ein echter Künstler, welcher ein wahres Musterbuch für Stickerei herausgäbe,
kein Glück machen." Zehn Jahre später erschien Fischbach's vortreffliches "Al-
bum für Stickerei" mit seinen wahrhaft künstlerisch komponirter Mustern, wel¬
ches sofort allgemeinen Beifall fand, bei den Handarbeiten unsrer Damen viel¬
fach benutzt wurde und schon jetzt in fünf Auflagen vergriffen ist. Eine neue
bedeutend vermehrte Auflage ist in Vorbereitung.

In den letzten fünfzehn Jahren hat sich, Dank den belebenden Schriften
eines Jakob Falke und dem befruchtenden Einflüsse der deutscheu Gewerbe-
Museen der Geschmack des Publikums also schon erheblich gebessert. Ja, der
gute Geschmack, besonders ans dein Gebiete der weiblichen Handarbeit, fängt
in den bessern Kreisen sogar schon an, Mode zu werden, so daß auch unsre
Mvdezeitungen demselben sich nicht ganz haben verschließen können.

Es stellte sich nnn anch bald das Bedürfniß nach einer systematisch geord¬
neten Scunmlnng von guten und künstlerisch durchgebildeten Mustern für weib¬
liche Handarbeiten aller Art heraus, ein Werk, in welchem zugleich die an sich
überaus einfachen und eigentlich selbstverständlichen -- in unserer vielfach ver¬
bildeten Zeit lange aber fast gänzlich verloren gegangenen -- Grundprinzipien
des Styls in diesen Arbeiten in leicht verständlicher Form dargelegt werden.
Ein solches Werk publizirte unter dem Titel "Schicken der weiblichen Hand-


wiederholt und mit Aufmerksamkeit gelesen zu werden. Die Bewegung auf
dem Gebiete der Kunst-Industrie ist, Dank der befruchtenden Thätigkeit der
Gewerbemuseen, jetzt glücklicher Weise so weit vorgeschritten, daß man eigent¬
lich Alles in entsprechender Vollkommenheit zu leisten im Stande ist, wenn
es verlangt wird. Daß nicht so viel geschieht, als nöthig ist und erwar¬
tet werdeu darf, ist nicht die Schuld der Künstler und Fabrikanten, — obgleich
auch diesen noch viel zu thun übrig bleibt, — sondern im Wesentlichen die
Schuld des Publikums, welches die Künstler und die Fabrikanten nicht genü¬
gend unterstützt. So lange das Publikum mit dem Schlechtesten zufrieden ist,
wenn es uur billig ist, kann die Kunstindustrie nicht zur Blüthe kommen.
Daher muß jetzt vor Allem das Publikum gebildet, für das Gute und
Schöne empfänglich gemacht werden. Das Publikum muß Verlangen nach
dem Guten und Schönen haben, das Schlechte mit Entschiedenheit zurückwei¬
sen. Und zu solchem Ziel zu führen, sind Arbeiten wie die oben besprochene
ganz besonders geignet.


Georg eus' Schulen der weibliche» Hcmdcirbeit (Leipzig 1877, Richter).

Noch im Jahre 1860, als G. Semper den ersten Band seines berühmten,
grundlegenden Werkes über den „Styl" in den Kunstgewerben herausgab,
konnte er in Betreff der weiblichen Handarbeiten sagen: „Heut zu Tage würde
ein echter Künstler, welcher ein wahres Musterbuch für Stickerei herausgäbe,
kein Glück machen." Zehn Jahre später erschien Fischbach's vortreffliches „Al-
bum für Stickerei" mit seinen wahrhaft künstlerisch komponirter Mustern, wel¬
ches sofort allgemeinen Beifall fand, bei den Handarbeiten unsrer Damen viel¬
fach benutzt wurde und schon jetzt in fünf Auflagen vergriffen ist. Eine neue
bedeutend vermehrte Auflage ist in Vorbereitung.

In den letzten fünfzehn Jahren hat sich, Dank den belebenden Schriften
eines Jakob Falke und dem befruchtenden Einflüsse der deutscheu Gewerbe-
Museen der Geschmack des Publikums also schon erheblich gebessert. Ja, der
gute Geschmack, besonders ans dein Gebiete der weiblichen Handarbeit, fängt
in den bessern Kreisen sogar schon an, Mode zu werden, so daß auch unsre
Mvdezeitungen demselben sich nicht ganz haben verschließen können.

Es stellte sich nnn anch bald das Bedürfniß nach einer systematisch geord¬
neten Scunmlnng von guten und künstlerisch durchgebildeten Mustern für weib¬
liche Handarbeiten aller Art heraus, ein Werk, in welchem zugleich die an sich
überaus einfachen und eigentlich selbstverständlichen — in unserer vielfach ver¬
bildeten Zeit lange aber fast gänzlich verloren gegangenen — Grundprinzipien
des Styls in diesen Arbeiten in leicht verständlicher Form dargelegt werden.
Ein solches Werk publizirte unter dem Titel „Schicken der weiblichen Hand-


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[0446] wiederholt und mit Aufmerksamkeit gelesen zu werden. Die Bewegung auf dem Gebiete der Kunst-Industrie ist, Dank der befruchtenden Thätigkeit der Gewerbemuseen, jetzt glücklicher Weise so weit vorgeschritten, daß man eigent¬ lich Alles in entsprechender Vollkommenheit zu leisten im Stande ist, wenn es verlangt wird. Daß nicht so viel geschieht, als nöthig ist und erwar¬ tet werdeu darf, ist nicht die Schuld der Künstler und Fabrikanten, — obgleich auch diesen noch viel zu thun übrig bleibt, — sondern im Wesentlichen die Schuld des Publikums, welches die Künstler und die Fabrikanten nicht genü¬ gend unterstützt. So lange das Publikum mit dem Schlechtesten zufrieden ist, wenn es uur billig ist, kann die Kunstindustrie nicht zur Blüthe kommen. Daher muß jetzt vor Allem das Publikum gebildet, für das Gute und Schöne empfänglich gemacht werden. Das Publikum muß Verlangen nach dem Guten und Schönen haben, das Schlechte mit Entschiedenheit zurückwei¬ sen. Und zu solchem Ziel zu führen, sind Arbeiten wie die oben besprochene ganz besonders geignet. Georg eus' Schulen der weibliche» Hcmdcirbeit (Leipzig 1877, Richter). Noch im Jahre 1860, als G. Semper den ersten Band seines berühmten, grundlegenden Werkes über den „Styl" in den Kunstgewerben herausgab, konnte er in Betreff der weiblichen Handarbeiten sagen: „Heut zu Tage würde ein echter Künstler, welcher ein wahres Musterbuch für Stickerei herausgäbe, kein Glück machen." Zehn Jahre später erschien Fischbach's vortreffliches „Al- bum für Stickerei" mit seinen wahrhaft künstlerisch komponirter Mustern, wel¬ ches sofort allgemeinen Beifall fand, bei den Handarbeiten unsrer Damen viel¬ fach benutzt wurde und schon jetzt in fünf Auflagen vergriffen ist. Eine neue bedeutend vermehrte Auflage ist in Vorbereitung. In den letzten fünfzehn Jahren hat sich, Dank den belebenden Schriften eines Jakob Falke und dem befruchtenden Einflüsse der deutscheu Gewerbe- Museen der Geschmack des Publikums also schon erheblich gebessert. Ja, der gute Geschmack, besonders ans dein Gebiete der weiblichen Handarbeit, fängt in den bessern Kreisen sogar schon an, Mode zu werden, so daß auch unsre Mvdezeitungen demselben sich nicht ganz haben verschließen können. Es stellte sich nnn anch bald das Bedürfniß nach einer systematisch geord¬ neten Scunmlnng von guten und künstlerisch durchgebildeten Mustern für weib¬ liche Handarbeiten aller Art heraus, ein Werk, in welchem zugleich die an sich überaus einfachen und eigentlich selbstverständlichen — in unserer vielfach ver¬ bildeten Zeit lange aber fast gänzlich verloren gegangenen — Grundprinzipien des Styls in diesen Arbeiten in leicht verständlicher Form dargelegt werden. Ein solches Werk publizirte unter dem Titel „Schicken der weiblichen Hand-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/446>, abgerufen am 29.04.2024.