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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Line "Deutsche Uevue"?

Zu den populären Zeitschriften, die in den letzten Jahren bei uns neu
hervorgetreten sind, hat sich etwa seit Anfang des verflossenen Sommers aber¬
mals eine gesellt, welche unter dem Titel "Deutsche Revue über das ge-
sammte nationale Leben der Gegenwart" im Verlage von C. Habel in Berlin
erscheint. Wenn wir recht beobachtet haben, so ist es bisher Stil gewesen, daß
die älteren Zeitschriften von neu auftretenden nicht sonderlich Notiz genommen
haben. Begreiflicherweise. Soll sich etwa die Zeitschrift "Unsere Zeit" ge¬
müthlich echauffiren, wenn ihr eines schönen Tages eine "Deutsche Rundschau"
an die Seite tritt? Soll die "Rundschau" mit zärtlichem Liebesblick "Nord
und Süd" empfangen? Soll "Nord und Süd" einer "Deutschen Revue" die
biedere Rechte zum Händedruck entgegenstrecken? Das ist nicht zu verlangen.
Man ignorirt sich also gegenseitig, denn jedes freundliche Wort über den andern
würde gelinder Selbstmord fein, jedes unfreundliche könnte von der angegriffenen
Seite als Konknrrenzfurcht und Brodneid ausgelegt werden. Ich weiß daher
nicht, ob es nicht eine etwas gewagte Bitte an die Redaktion dieser Blätter
ist, den nachfolgenden Bemerkungen Aufnahme zu gönnen.*) Sie wollen weder
freundlich noch unfreundlich sein, sondern nur einige gegründete Bedenken
äußern, die uns bei der Lektüre der erwähnten neuen Zeitschrift unaufhörlich
verfolgt haben und die wir gewiß nicht zur Sprache zu bringen wünschen
würden, wenn die "Deutsche Revue" nicht unausgesetzt unser Interesse erregt
hätte.

Dreierlei ist es, was an der neuen Zeitschrift uns befremdet. Erstens:



*) Die Redaktion hielt es für ihre Pflicht, dieser Kritik ihres Mitarbeiters Aufnahme
zu gewähren. Die Grenzboten haben sich ja zur Ausgabe gesetzt, rückhaltslos das auszu-
sprechen, was sie für wahr halten. Sie werden bei Erfüllung dieser Aufgabe durch keine
Kameraderie gehindert. Ebensowenig wird der Verdacht, daß ihre Kritik aus unlauteren
D. R, Motiven geflossen sei, sie erreichen können, wenn er gewagt werden sollte.
Grenzboten I. 1873. 11
Line „Deutsche Uevue"?

Zu den populären Zeitschriften, die in den letzten Jahren bei uns neu
hervorgetreten sind, hat sich etwa seit Anfang des verflossenen Sommers aber¬
mals eine gesellt, welche unter dem Titel „Deutsche Revue über das ge-
sammte nationale Leben der Gegenwart" im Verlage von C. Habel in Berlin
erscheint. Wenn wir recht beobachtet haben, so ist es bisher Stil gewesen, daß
die älteren Zeitschriften von neu auftretenden nicht sonderlich Notiz genommen
haben. Begreiflicherweise. Soll sich etwa die Zeitschrift „Unsere Zeit" ge¬
müthlich echauffiren, wenn ihr eines schönen Tages eine „Deutsche Rundschau"
an die Seite tritt? Soll die „Rundschau" mit zärtlichem Liebesblick „Nord
und Süd" empfangen? Soll „Nord und Süd" einer „Deutschen Revue" die
biedere Rechte zum Händedruck entgegenstrecken? Das ist nicht zu verlangen.
Man ignorirt sich also gegenseitig, denn jedes freundliche Wort über den andern
würde gelinder Selbstmord fein, jedes unfreundliche könnte von der angegriffenen
Seite als Konknrrenzfurcht und Brodneid ausgelegt werden. Ich weiß daher
nicht, ob es nicht eine etwas gewagte Bitte an die Redaktion dieser Blätter
ist, den nachfolgenden Bemerkungen Aufnahme zu gönnen.*) Sie wollen weder
freundlich noch unfreundlich sein, sondern nur einige gegründete Bedenken
äußern, die uns bei der Lektüre der erwähnten neuen Zeitschrift unaufhörlich
verfolgt haben und die wir gewiß nicht zur Sprache zu bringen wünschen
würden, wenn die „Deutsche Revue" nicht unausgesetzt unser Interesse erregt
hätte.

Dreierlei ist es, was an der neuen Zeitschrift uns befremdet. Erstens:



*) Die Redaktion hielt es für ihre Pflicht, dieser Kritik ihres Mitarbeiters Aufnahme
zu gewähren. Die Grenzboten haben sich ja zur Ausgabe gesetzt, rückhaltslos das auszu-
sprechen, was sie für wahr halten. Sie werden bei Erfüllung dieser Aufgabe durch keine
Kameraderie gehindert. Ebensowenig wird der Verdacht, daß ihre Kritik aus unlauteren
D. R, Motiven geflossen sei, sie erreichen können, wenn er gewagt werden sollte.
Grenzboten I. 1873. 11
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[0089] Line „Deutsche Uevue"? Zu den populären Zeitschriften, die in den letzten Jahren bei uns neu hervorgetreten sind, hat sich etwa seit Anfang des verflossenen Sommers aber¬ mals eine gesellt, welche unter dem Titel „Deutsche Revue über das ge- sammte nationale Leben der Gegenwart" im Verlage von C. Habel in Berlin erscheint. Wenn wir recht beobachtet haben, so ist es bisher Stil gewesen, daß die älteren Zeitschriften von neu auftretenden nicht sonderlich Notiz genommen haben. Begreiflicherweise. Soll sich etwa die Zeitschrift „Unsere Zeit" ge¬ müthlich echauffiren, wenn ihr eines schönen Tages eine „Deutsche Rundschau" an die Seite tritt? Soll die „Rundschau" mit zärtlichem Liebesblick „Nord und Süd" empfangen? Soll „Nord und Süd" einer „Deutschen Revue" die biedere Rechte zum Händedruck entgegenstrecken? Das ist nicht zu verlangen. Man ignorirt sich also gegenseitig, denn jedes freundliche Wort über den andern würde gelinder Selbstmord fein, jedes unfreundliche könnte von der angegriffenen Seite als Konknrrenzfurcht und Brodneid ausgelegt werden. Ich weiß daher nicht, ob es nicht eine etwas gewagte Bitte an die Redaktion dieser Blätter ist, den nachfolgenden Bemerkungen Aufnahme zu gönnen.*) Sie wollen weder freundlich noch unfreundlich sein, sondern nur einige gegründete Bedenken äußern, die uns bei der Lektüre der erwähnten neuen Zeitschrift unaufhörlich verfolgt haben und die wir gewiß nicht zur Sprache zu bringen wünschen würden, wenn die „Deutsche Revue" nicht unausgesetzt unser Interesse erregt hätte. Dreierlei ist es, was an der neuen Zeitschrift uns befremdet. Erstens: *) Die Redaktion hielt es für ihre Pflicht, dieser Kritik ihres Mitarbeiters Aufnahme zu gewähren. Die Grenzboten haben sich ja zur Ausgabe gesetzt, rückhaltslos das auszu- sprechen, was sie für wahr halten. Sie werden bei Erfüllung dieser Aufgabe durch keine Kameraderie gehindert. Ebensowenig wird der Verdacht, daß ihre Kritik aus unlauteren D. R, Motiven geflossen sei, sie erreichen können, wenn er gewagt werden sollte. Grenzboten I. 1873. 11

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/89>, abgerufen am 29.04.2024.